Die Schweiz hat zahlreiche internationale Abkommen ratifiziert, die Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte beinhalten. Diese muss sie nun umsetzen.
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
Im Jahr 1992 hat die Schweiz den UNO-Pakt II über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert. Der Pakt enthält zahlreiche Bestimmungen, welche in Zusammenhang mit der polizeilichen Arbeit wichtig sind und ihre Tätigkeit von der Kontrolle über die Festnahme bis zum Strafvollzug abdecken. Das Recht auf Leben (Art. 6), das Verbot der Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Art. 7), das Verbot, willkürlich festgenommen oder inhaftiert zu werden (Art. 9) und das Diskriminierungsverbot (Art. 2 und 26) müssen während der gesamten polizeilichen Arbeit – von der Kontrolle, der Festnahme bis zum Freiheitsentzug – beachtet werden. Ausserdem garantiert UNO-Pakt II jeder Person, die in ihren vom Pakt anerkannten Rechten verletzt worden ist, das Recht auf eine wirksame Beschwerde (Art. 2 Abs. 3 UNO-Pakt II). Dieses Recht umfasst die Beurteilung einer Beschwerde durch ein unabhängiges Organ, was insbesondere bei der Beanstandung von polizeilichem Fehlverhalten von grosser Wichtigkeit ist. Weiter ist auch die Demonstrationsfreiheit durch den Pakt geschützt (Art. 21). Bei glaubwürdigen Behauptungen zu Verletzungen von Grundrechten muss eine gründliche und effektive Untersuchung durchgeführt werden.
In diesem Sinne betonte der UNO-Menschenrechtsausschuss – als Überwachungsorgan von UNO-Pakt II – in seinen abschliessenden Bemerkung und Empfehlungen zum dritten Staatenbericht der Schweiz, dass die Schaffung von unabhängigen kantonalen Beschwerdestellen für polizeiliches Fehlverhalten absolut notwendig sei, um entsprechende Fälle zu registrieren, wirksam zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen. Als ebenso zentral definiert er die Entschädigungen für die Opfer und die statistische Erfassung der eingegangenen Beschwerden auf nationaler Ebene.
Auch in seinen abschliessenden Bemerkungen zum vierten Staatenberichtsverfahren äusserte sich der UNO-Menschenrechtsrat kritisch gegenüber dem Umstand, dass es in der Schweiz an unabhängigen, für alle Menschen zugänglichen Beschwerdemechanismen fehlt. Er kritisierte darüber hinaus insbesondere polizeiliche Handlungen gegenüber Personengruppen, die aufgrund der Nationalität, Zugehörigkeit zu einer Religion oder der äusseren Erscheinung als «Fremde» erfolgen («Racial Profiling»).
UNO-Antifolterkonvention
Das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe trat in der Schweiz im Jahr 1987 in Kraft und verpflichtet sie als Vertragsstaat, alle notwendigen Massnahmen zur Verhinderung von Folter zu ergreifen. Diese Abkommen ist für die polizeiliche Arbeit von besonderer Wichtigkeit, da es hierbei immer wieder zu Zwangs- und Gewaltanwendungen kommt, die in den Anwendungsbereich des menschenrechtlichen Folterverbots fallen. Das Bundesamt für Polizei ist dafür zuständig, dass die Polizeikorps in ihrer Ausbildung über dieses Verbot informiert und bei der Ausführung ihrer Arbeit entsprechend überwacht werden.
In seinen abschliessenden Bemerkungen und Empfehlungen zum siebten Umsetzungsbericht der Schweiz forderte der UNO-Ausschuss gegen Folter (CAT) die Schaffung eines unabhängigen Organs für Beschwerden gegen die Polizei, die Schulung von Justiz- und Ordnungskräften hinsichtlich aller Formen der Gewalt gegen Frauen – und der Verfolgung dieser Straftaten
von Amtes wegen – sowie die Verkürzung der Untersuchungshaft und verbesserte Haftbedingungen.
Für die polizeiliche Arbeit von Bedeutung ist ebenso das Fakultativprotokoll der UNO-Antifolterkonvention (OPCAT). Ziel des Fakultativprotokolls ist es, den Schutz vor Folter in Einrichtungen des Freiheitsentzuges – etwa Polizeistationen, Gefängnisse, Untersuchungshaftanstalten, Ausschaffungsgefängnisse oder geschlossene Psychiatrien – zu stärken. Als Vertragsstaat ist die Schweiz verpflichtet, dem UNO-Unterausschuss zur Verhütung von Folter uneingeschränkten Zugang zu allen Orten zu geben, in denen Personen im Freiheitsentzug leben.
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung
Die UNO-Antirassismuskonvention ist mit Blick auf die polizeiliche Arbeit insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Polizei die Festnahme, Durchsuchung oder Verhaftung von Personen aufgrund ihrer äusseren Erscheinung als «Fremde», ihrer Nationalität oder ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion durchführt (rassistisches Profiling). In seiner allgemeinen Empfehlung Nr. 31 fordert der UNO-Antirassismusausschuss die Vertragsstaaten explizit dazu auf, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um rassistischem Profiling ein Ende zu setzen. Im Jahr 2020 widmete der Ausschuss dem Thema die Empfehlung Nr. 36 und thematisierte darin auch Formen von rassistischem Profiling, welche im Zusammenhang mit neueren technologischen Entwicklungen stehen. So das algorithmische Profiling in der Strafverfolgung, welches etwa Methoden der künstlichen Intelligenz oder automatisierten Entscheidungsfindung umfasst und rassistisch diskriminierende Praktiken hervorbringen, verstärken oder reproduzieren kann.
Allgemeine Empfehlung Nr. 37 zum Recht auf Versammlung und Vereinigung
In seiner allgemeinen Empfehlung Nr. 37 (2020) zum Recht auf friedliche Versammlung (Art. 21) erläutert der UN-Menschenrechtsausschuss die positiven und negativen Pflichten der Staaten, die sich aus Art. 21 ergeben, da die Staaten für die Handlungen ihrer Beamten und Ordnungsorgane verantwortlich sind. Die negativen Pflichten der Staaten bestehen darin, sich jeglicher ungerechtfertigten Eingriffe in eine friedliche Versammlung oder Vereinigung zu enthalten. Dazu gehören auch Eingriffe in die freie Wahl des Ziels dieser Versammlung oder der zu vermittelnden Meinung, die Festlegung unrechtmässiger Beschränkung der Dauer, des Ortes und der Art und Weise einer Kundgebung sowie die Anordnung der Auflösung einer solchen Kundgebung und die damit einhergehende Verhängung von Sanktionen gegen Teilnehmer*innen und Organisator*innen ohne zwingenden Grund. Die positiven Pflichten der Staaten setzen sich zusammen aus unter anderem der Gewährleistung und Erleichterung eines reibungslosen Ablaufs der Versammlungen und Vereinigungen. Der Staat ist verpflichtet, erforderliche Massnahmen zur Erfüllung dieser positiven Pflichten zu treffen. So muss er beispielsweise Strassen sperren, für die Sicherheit aller Teilnehmenden sorgen und diese auch vor gewalttätigen Gegendemonstrationen schützen.
Verhaltenskodizes für Strafverfolgungsbehörden
Es gibt auf internationaler Ebene eine Reihe an Verhaltenskodizes für Polizist*innen, welche sie in ihrer Tätigkeit und bei der Einhaltung der Menschenrechte unterstützen sollen. So etwa der Verhaltenskodex für Strafverfolgungsbeamt*innen, Menschenrechtsnormen und ihre praktische Anwendung, Menschenrechte und Rechtsdurchsetzung – Leitfaden für die Ausbildung von Polizeikräften in Menschenrechten oder auch die Grundprinzipien für den Einsatz von Gewalt und Schusswaffen durch Strafverfolgungsbeamt*innen.
Regionale Ebene
Europäische Menschenrechtskonvention
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wurde von der Schweiz 1974 ratifiziert und verpflichtet sie dazu, die Menschenrechte für alle ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen zu gewährleisten. Die Bestimmungen der EMRK können durch unterschiedliche Handlungen der Polizei taxiert werden, so etwa diskriminierende Personenkontrollen, Bodycams Einsatz von Tränengas, polizeiliche Überwachung, Einkesselung von Demonstrant*innen, Zwangsausschaffungen und etwa Zwangs- und Gewaltanwendungen während Personenkontrollen oder im Gefängnis.
Sehen sich Personen durch polizeiliche Handlungen in ihren Menschenrechten verletzt, können sie unter Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde einlegen. Entsprechende Beschwerden aufgrund polizeilichen Fehlverhaltens betreffen insbesondere das Recht auf Leben (Art. 2), das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung (Art. 3), das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5), das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6), das Recht auf wirksame Beschwerde (Art. 13) und das Diskriminierungsverbot (Art. 14).
Die EMRK schützt ausserdem das Recht auf freie Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK) und die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK). Das Recht, die Polizei zu filmen, fällt unter das Recht auf freie Meinungsäusserung, muss aber dem öffentlichen Interesse entsprechen. Darunter fallen das Recht der Öffentlichkeit auf Information oder das Recht auf Transparenz der Kontrolle über die Ausübung von Gewalt oder einem legitimen privaten Interesse, beispielsweise beim sammeln von Beweisen, um eine Klage gegen die Polizei einzureichen.
Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
Analog zur UNO-Antifolterkonvention existiert auf regionaler Ebene die Antifolterkonvention des Europarates. Das Abkommen basiert auf dem Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 3 EMRK) und wird vom Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter überwacht. Das Gremium setzt sich aus unabhängigen Expert*innen zusammen und führt präventive Überwachungsbesuche in Gefängnissen und anderen Anstalten durch, in welchen sich Menschen im Freiheitsentzug befinden.
Der Ausschuss besuchte die Schweiz zuletzt im Frühling 2021 und veröffentlichte rund ein Jahr später einen Bericht. Er empfahl der Schweiz insbesondere, Massnahmen zur Verhinderung von Polizeigewalt zu ergreifen, die unverhältnismässig lange Unterbringung von Personen in Untersuchungshaft zu beenden sowie die schlechten Haftbedingungen zu verbessern und gegen die Überbelegung in Westschweizer Gefängnissen vorzugehen.
Schengen und Dublin Assoziierungsabkommen
Die Schengen und Dublin Abkommen sind für die polizeiliche Arbeit in der Schweiz von Bedeutung, weil sie den europäischen Staaten eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen Kriminalität und bei der Behandlung von Asylgesuchen ermöglichen sollen. Dafür wird insbesondere auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei verstärkt.
Das für die Schweiz im Jahr 2008 in Kraft getretene Schengener Übereinkommen schaffte die systematischen Personenkontrollen an den geneinsamen Aussengrenzen der Schengen-Staaten ab und erleichtert damit den innerhalb dieses Raumes den Reiseverkehr. Demgegenüber wurden die Kontrollen an den Aussengrenzen sowie die Kontroll- und Fahndungsmechanismen im Landesinneren ausgebaut. Kernstück hierbei bildet das Schengener Informationssystem SIS, dessen nationale operative Zentralstelle – SIRENE – beim Bundesamt für Polizei angegliedert ist. Die Einhaltung der Einreiseregeln setzt im Schengenraum die Grenzschutzagentur Frontex durch, an welcher sich seit 2011 auch die Schweiz personell und finanziell beteiligt. Frontex ist seit vielen Jahren in Menschenrechtsverletzungen an den EU-Aussengrenzen verstrickt und die Schweiz wird für die Unterstützung der europäischen Grenzschutzagentur von unterschiedlichen NGOs und Aktivist*innen scharf kritisiert.
Das Dubliner Abkommen von 1990, welches 2003 durch die Dublin-II-Verordnung ersetzt wurde, zielt darauf ab, dass ein Asylgesuch von nur einem einzigen Staat im Dublin Raum geprüft wird. Kernstück dieses Unterfangens bildet das Dublin-Eurodac-System, in welchem die Fingerabdrücke aller Menschen gesammelt und verglichen werden, die im Dublin-Raum um Asyl ersuchen. Die Schweiz verfolgt eine äusserst strikte Anwendung der Dublin-Verordnung. Sie hat seit 2009 von allen europäischen Ländern am meisten Rückführen vorgenommen und schickt Menschen auch in Länder zurück, in welchen ihre Menschenrechte gefährdet sind. Dafür wird sie von NGOs sowie von internationalen Menschenrechtsgremien scharf kritisiert. Die Schweizer Polizei ist insbesondere auch bei den Rückführungen abgewiesener Asylsuchender auf dem Luftweg involviert. Die Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter hat in diesem Zusammenhang wiederholt auf die unverhältnismässigen und unwürdigen Zwangs- und Gewaltanwendungen beteiligter Polizeibeamt*innen hingewiesen.
Allgemeine politische Empfehlung Nr. 11 der ECRI
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) hat in einer Empfehlung zur Bekämpfung von Rassismus und rassistischer Diskriminierung in der Polizeiarbeit zwanzig Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten formuliert. Diese verlangen untere anderem ein gesetzliches Verbot und eine Definition von rassistischem Profiling, die Einrichtung von Vorkehrungen zur Unterstützung und Beratung der Opfer sowie die Errichtung wirksamer Untersuchungsmechanismen, um Vorwürfe rassistischen Diskriminierung oder rassistisch motivierten Fehlverhaltens der Polizei zu untersuchen und dafür zu sorgen, dass die Täter*innen angemessen bestraft werden.
Leitlinien des Europarates
Der Europarat hat mehrere Leitlinien verfasst, die Vorschriften für die Polizei enthalten, etwa die Leitlinien zur «Beseitigung der Straflosigkeit für schwere Menschenrechtsverletzungen». Diese verlangen unter anderem strafrechtliche und disziplinarische Massnahmen, um menschenrechtlich problematische Verhaltensweisen und Praktiken innerhalb der Verwaltung zu ahnden. Zudem sollen in den jeweiligen Behörden Schulungen und die Förderung einer Verantwortungskultur umgesetzt werden. Ebenso Teil dieser Leitlinien ist der Europäische Kodex der Polizeiethik, der die Grundsätze für polizeiliches Handeln basierend auf der Europäischen Menschenrechtskonvention auflistet.
Übereinkommen des Europarats zur Verhütung von Terrorismus
Die Schweiz hat 2015 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung von Terrorismus ratifiziert und auch das entsprechende Zusatzprotokoll genehmigt. Die Umsetzung des Abkommens in der Schweiz sorgte von Seiten der NGOs, Universitäten und etwa dem Schweizerischen Anwaltsverband für Kritik. Problematisiert wurde insbesondere die vage und unpräzise Definition von «terroristischen Organisationen» und der «Unterstützung» solcher, die vorgesehenen Eingriffe in die Grund- und Menschenrechte und die Verschärfungen der Strafmasse.