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Harte Linie gegen Hooligans (SR/NR, 1/06)

17.08.2006

Die Eidgenössischen Räte haben in der Frühlingssession 2006 das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit bei Sportveranstaltungen verabschiedet. Der Nationalrat stimmte der Vorlage mit 136:48 Stimmen zu, der Ständerat stellte sich einstimmig, jedoch mit neun Enthaltungen, hinter das neue Gesetz, welches während der Euro 08 für Ordnung in den Schweizer Stadien sorgen soll. Künftig werden damit notorische Gewalttäter in einer Datenbank erfasst. Ausserdem sind repressive Massnahmen wie Präventivhaft, Rayonverbote, Meldepflicht und Ausreisesperren erlaubt. Diese Sanktionen können bereits gegen Kinder im Alter von 12 Jahren verhängt werden. Eine knappe Woche nach der Schlussabstimmung hat der Bundesrat im übrigen bereits die entsprechende Verordnung an die Kantone zur Vernehmlassung geschickt.

Der Ständerat beriet das Gesetz für schärfere Massnahmen gegen Hooligans als Zweitrat. Er folgte dabei weitgehend den Beschlüssen des Nationalrates. Keine Zustimmung fand der Antrag von Ständerätin Anita Fetz (SP, BS), welche die Sportvereine dazu verpflichten wollte, mittels Fanbeauftragten und Fanprojekten positiven Einfluss auf die jugendlichen Matchbesucher zu nehmen. Es seien nicht nur repressive, sondern auch präventive Massnahmen einzuführen, argumentierte Fetz. Eine Mehrheit des Rates befand leider, eine solche Massnahme habe in diesem Gesetz keinen Platz.

Wie im Nationalrat blieb auch im Ständerat die Frage bestritten, ob für den Erlass der Massnahmen auf Bundesebene überhaupt eine Verfassungsrundlage bestehe. Ein Rückweisungsantrag von Ständerat Thomas Pfisterer (FDP, AG) hatte jedoch keine Chance, mitunter wegen Justizminister Christoph Blochers Ermahnung, die Zeit dränge. Der Ständerat votierte immerhin dafür, die beschlossenen Massnahmen bis 2009 zu befristen. Dem folgte in der Differenzbereinigung auch der Nationalrat. Ausserdem beauftragten die beiden Räte mit einer Motion den Bundesrat, Wege zu prüfen, wie die Bedenken bezüglich Verfassungsgrundlage ausgeräumt werden könnten. Namens der ständerätlichen Rechskommission sprach Hermann Bürgi (SVP, TG) von einer Lösung über ein Polizeikonkordat der Kantone oder über eine Verfassungsänderung.

Die Eidgenössischen Räte haben auf Drängen des Justizministers in Eile ein Gesetz verabschiedet, für das der Verfassungsauftrag umstritten ist. Das restriktive Gesetz trägt zudem den Vorbehalten, die verschiedenste Kreise in der Vernehmlassung geäussert hatten, nicht Rechnung. So waren etwa die Vertreter von Fanprojekten über die Vorlage des Bundesrates äusserst unglücklich (siehe «Der Bund», 18. August 2005). Auch aus menschenrechtlicher Sicht gab es Bedenken, die die Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz (DJS) in der Vernehmlassung wie folgt auf den Punkt brachten: Keine der neuen Sanktionen vermöge zu überzeugen, vielmehr bedeuteten sie einen «bedenklichen Einbruch in den Rechtsstaat». DJS und Fanbetreuer hätten sich statt der rein restriktiven Massnahmen, den Ausbau der professionellen Fanarbeit gewünscht.  

Referendum nicht zu Stande gekommen

Im April 2006 hatte Fussball- und Eishockeyfans gegen das Hooligangesetz das Referendum ergriffen. Leider gelang es dem grösstenteils auf sich gestellten Referendumskomitee nicht, bis Mitte Juli genügend Unterschriften zusammen zu bringen.

Gegen das Hooligangesetz sprachen unter anderem schwerwiegende grundrechtliche Bedenken. Die Grundrechte sollten auch an der Euro 08 gewährleistet werden, forderten die kantonalen Datenschutzbeauftragten am 9. Juni 2006 in Delsberg. Nach Ansicht der Datenschützer der Kantone ist die geplante Hooligan-Datenbank verfassungswidrig. Markus Schefer, Professor, an der Universität Basel sagte gemäss Agenturberichten, die Errichtung und der Betrieb einer solchen Datenbank sei gemäss Verfassung eingeschränkt. Erlaubt sei dies nur, wenn es um Ereignisse gehe, die die Sicherheit des Bundes insgesamt gefährdeten oder untrennbar aussenpolitische Interessen berührten. Die mit dem Bundesgesetz über die Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) eingeführte Hooligan-Datenbank sprenge aber diesen Rahmen. Die kantonalen Datenschützer kritisierten darüber hinaus auch weitere Punkte des Gesetzes und hoffen nun, dass bei der Umsetzung bereits beschlossener Massnahmen verhältnismässig vorgegangen werde.

Das Referendumskomitee schrieb im Juni 2006 auf seiner Website, mit den geplanten Änderungen des Hooligangesetzes werde der Willkür Tür und Tor geöffnet. 15-jährige Jugendliche könnten aufgrund von 'glaubwürdigen' Aussagen von Polizeibeamten in präventiven Gewahrsam genommen werden. Eine richterliche Prüfung der Anschuldigung erfolge lediglich auf Antrag. «Mit dem demokratischen Grundsatz der Rechtssicherheit wird offen gebrochen, Grundrechte wie die Unschuldsvermutung werden aufgeweicht und missachtet.»

Das Hooligangesetz schaffe elementare Grundrechte ab und kriminialisiere ganze Fankurven, urteilte auch die WoZ im Frühling 2006. Das Gesetz sehe polizeiliche Zwangsmassnahmen für Menschen vor, die nichts verbrochen haben. Es verletze elementare Grundrechte. Natürlich werde dieser Abbau von Grundrechten gewisse Hooligans davon abhalten, an der Euro 2008 Krawall zu machen, fährt die WoZ fort. «Mit Repression kriegt man alles hin. Doch zu welchem Preis? Reichen 200 Hooligans, um die Grundrechte aller BürgerInnen einzuschränken?»

Die Unterschriftensammlung der Fanclubs und ihrer Sympathisanten fand weitgehend ohne die Unterstützung der politischen Parteien statt.

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