humanrights.ch Logo Icon

Die Empfehlungen des UNO-Kinderechtsauschusses an die Schweiz

05.02.2015

 

Die Schweiz setzt in unterschiedlichsten Bereichen die UNO-Kinderrechtskonvention (KRK) und das Fakultativprotokoll betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie nur ungenügend um. Die am 4. Februar 2015 veröffentlichten Empfehlungen des UNO-Ausschusses für die Rechte des Kindes beinhalten eine Bandbreite von Massnahmen, wie die Schweiz die Umsetzung der Kinderrechte verbessern sollte.

Allgemein fehle es der Schweiz an einer landesweiten kohärenten Umsetzungsstrategie und an einem entsprechenden Überwachungsmechanismus. Die spezifisch angesprochenen Themen reichen von der wiederholten Forderung nach einem expliziten Verbot der körperlichen Bestrafung über die mangelnden Bildungschancen von asylsuchenden oder behinderten Kindern bis zum Appell, die weibliche Genitalverstümmelung endlich zu überwinden sowie medizinisch nicht notwendige, irreversible chirurgische Eingriffe an Kindern mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zu unterbinden.

Die Schlussbemerkungen des UNO-Kinderrechtsausschusses sind das Resultat aus der Prüfung des Schweizer Staatenberichts, dem alternativen Bericht von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie der Anhörung der NGOs im Juni 2014 und einer Schweizer Staatendelegation im Januar 2015.

Die Empfehlungen des Kinderrechtsausschusses sind für die Schweiz nicht rechtsverbindlich. Es kommt ihnen jedoch ein grosses Gewicht zu, wie das Bundesamt für Sozialversicherungen in einer Medienmitteilung vom 4. Februar 2015 selbst schreibt.

Die wichtigsten Empfehlungen

Der UNO-Kinderrechtsausschuss sprach in seiner sogenannten «List of Issues» vom Juni 2014 verschiedene Themen an, welche er bei der Umsetzung der KRK in der Schweiz als problematisch und prioritär erachtet. Einen grossen Teil dieser Themen hat er anfangs Februar 2015 in seinen «Concluding Observations» in Empfehlungen an die Schweiz umformuliert.

Strukturell fordert der UNO-Kinderrechtsausschuss die Schweiz auf, die Umsetzung der KRK in den Kantonen besser zu koordinieren und eine unabhängige Überwachungsstelle einzusetzen. Zudem sollte die Datenerhebung ausgebaut und in zentralen Bereichen verbessert werden.

Inhaltlich kritisiert er den fehlenden Schutz minderjähriger Sans-Papiers und von asylsuchenden Kindern sowie die mangelnde soziale und gesellschaftliche Integration von Kindern mit Behinderungen. Für Kinder von Sans-Papiers müsse die Einschulung und der Zugang zu Lehrstellen und einer Tertiärausbildung verbessert werden. Ferner würde es an einem ausreichenden Zugang zum Gesundheitsweisen fehlen.

Zu den Empfehlungen, welche UNO-Organe immer wieder an die Schweiz richten, gehören das explizite Verbot der Körperstrafe in einem formellen Gesetz und der Rückzug der Vorbehalte der Schweiz zum Familiennachzug für bestimmte Gruppen von Asylsuchenden (zu Art. 10 Abs. 1 KRK), zu der Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen im Freiheitsentzug (zu Art. 37 lit. c KRK) und zum Rechtsbeistand und der Personalunion untersuchender und urteilender Richter (zu Art. 40 KRK).

Neu sind die Forderungen nach einer verbesserten Regulierung von Babyklappen aufgrund des Rechts der Kenntnisse über die eigene Herkunft, nach der Beachtung des Wohls des Kindes bei Entscheidungen im Bereich der Adoption und der Leihmutterschaft und nach der Verhinderung von unnötigen chirurgischen Eingriffen an Kindern mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen. Speziell erwähnt der Ausschuss sodann die mangelnde Beachtung der Rechte der Kinder durch wirtschaftliche Unternehmen und insbesondere multinational tätige Konzerne. So würden freiwillige selbstregulatorische Instrumente für Unternehmen nicht ausreichen um sicherzustellen, dass Kinderrechte im Inland und im Ausland durch Schweizer Unternehmen respektiert werden. Erstmalig äussert sich der Ausschuss besorgt über Vorfälle von Hassreden gegenüber LGBTI-Kindern (lesbian, gay, bi-sexual, transgender, inter-sexual) und  fordert die Schweiz auf, Massnahmen zu ihrem Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität zu ergreifen.

Der UNO-Kinderrechtsausschuss richtete ausserdem 31 Empfehlungen zur Umsetzung des Fakultativprotokolls betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie an die Schweiz. Das Ziel dieser Empfehlungen ist der verbesserte Schutz von Minderjährigen vor Menschenhandel und sexueller Ausbeutung.

Verspätete Berichterstattung durch die Schweiz

Nachdem der erste Bericht der Schweiz im Juni 2002 vom UNO-Kinderrechtsausschuss überprüft worden war, wäre (gemäss Art. 44 Abs. 1 lit. b KRK) im Jahre 2007 der zweite Bericht zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention fällig gewesen. 2012  hat das EDA den zweiten, dritten und vierten Bericht gleich auf einen Schlag veröffentlicht. Den NGO-Schattenbericht an den UNO-Ausschuss hat das Netzwerk Kinderrechte, in dem 54 Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen sind, bereits im Juni 2009 vorgestellt. Am 27. Juni 2014 hat die «Pre-Sessional Working Group» des UNO-Kinderrechtsausschusses die «List of Issues» verabschiedet, in welcher sie konkrete Fragen an die Schweizer Regierung formulierte und weitere Unterlagen einforderte. Zur Erarbeitung der «List of Issues» hatten sich Ausschussmitglieder am 19. Juni 2014 mit verschiedenen NGOs getroffen und deren Anliegen angehört.

Am 16. November 2011 hatte der Bundesrat ausserdem mit drei Jahren Verspätung den 1. Bericht zur Umsetzung des Fakultativprotokolls betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie, welches die Schweiz 2006 ratifiziert hat, an den Ausschuss für Kinderrechte übermittelt. Der Ausschuss prüfte den Bericht zusammen mit dem zweiten, dritten und vierten Bericht zur Kinderrechtskonvention ebenfalls an seiner 68. Session im Januar 2015.

Der zweite, dritte und vierte Staatenbericht zur Kinderrechtskonvention der Schweiz

Inhaltlich nimmt der veröffentlichte Bericht des EDA Stellung zu den Schlussbemerkungen des Kinderrechtsausschusses zum ersten Staatenbericht der Schweiz aus dem Jahr 2002 (CRC/C/15/Add.182.) sowie zum Bericht zum Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten von 2006 (CRC/C/OPAC/CHE/CO/1.) und versucht, die von der Schweiz seit dem letzten Bericht 2002 getroffenen Massnahmen zur Stärkung der Kinderrechte aufzuzeigen.
Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz schreibt auf seiner Website zum Staatenbericht: «Der Bericht präsentiert ein beeindruckend vielfältiges kinder- und jugendpolitisches Engagement der Schweiz. In der Informationsfülle geht verloren, ob mit diesen Aktivitäten verbundene kinderrechtliche Ziele erreicht wurden, ob Massnahmen gescheitert sind, eingestellt oder nicht ergriffen wurden. Unhaltbar ist, dass der Bundesrat eigenmächtig bereits den vierten Bericht vorwegnehmen will. Das lässt immer noch fehlenden Willen befürchten, die an sich wertvolle Berichterstattung für die Entwicklung der Kinder- und Jugendpolitik in der Schweiz fruchtbar zu machen. Dazu wären nach der Überprüfung durch den Kinderrechtsausschuss von den Verantwortungsträgern vereinbarte Schwerpunkte nötig, die in einem zuverlässigen und überschaubaren Rhythmus geprüft werden.»

Der NGO-Bericht zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention

43 Schweizer Nichtregierungsorganisationen haben im März 2014 gemeinsam mit weiteren unterstützenden Organisationen dem UNO-Kinderrechtsausschuss einen Bericht vorgelegt, welcher deutlich aufzeigt, dass auch knapp 20 Jahre nach der Ratifikationen die UNO-Kinderrechtskonvention mangelhaft umgesetzt wird. So verfügen nach wie vor nicht alle Kinder über dieselben Rechte. Ob ihnen Konventionsrechte zu Gute kommen, ist oft von ihrem jeweiligen Wohnkanton und Status abhängig. Daher fordert der Bericht die Erarbeitung eines nationalen Aktionsplanes zur Umsetzung der KRK und die Schaffung einer unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution mit einem expliziten Auftrag im Bereich der Kinderrechte.

Dokumentation