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Die unentgeltliche Rechtspflege in der Sozialhilfe

23.07.2015

Die Voraussetzungen der Mittellosigkeit und der fehlenden Aussichtslosigkeit werden in der Sozialhilfe zwar vielfach bejaht; dennoch wird der Anspruch von Sozialhilfebeziehenden auf unentgeltliche Rechtsprechung häufig abgelehnt, und zwar auf der Grundlage des zusätzlichen Kriteriums der «sachlichen Notwendigkeit». 

Dieses Kriterium wurde in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erstmals in einem Fall betont, in welchem der Beschwerdeführer ein rechtlich versierter Akademiker war. Im betreffenden Urteil führte das Bundesgericht aus, die Voraussetzung der Notwendigkeit für eine anwaltschaftliche Vertretung sei nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Zur relativen Schwere des Falles müssten besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Ansprecher auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre. 

«Diese Argumentation, die einen rechtlich bestens bewanderten Akademiker betraf, wurde von den unteren Instanzen in einer unzulässigen Art und Weise so ausgelegt, dass die Notwendigkeit bei jedem Beschwerdeführer abgelehnt wird, der halbwegs in der Lage ist, vernünftig zu kommunizieren oder einen Brief zu verfassen», sagt der Zürcher Anwalt Pierre Heusser. Der Anspruch auf eine unentgeltliche Rechtsvertretung werde durch unrealistische Einschätzungen der intellektuellen Fähigkeiten der Beschwerdeführer faktisch ausgehebelt. Nun müsse jeder Anwalt, der ein Soziahilfemandat übernimmt und dessen Klient schon einmal einen Brief selber geschrieben oder sogar eine Einsprache oder einen Rekurs verfasst hat, ernsthaft damit rechnen, dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtsvertretung abgelehnt wird, und zwar unabhängig davon, ob er materiell gute Chancen hat zu obsiegen oder nicht. Und selbst wenn bei Gutheissung einer Beschwerde eine Parteientschädigung zugesprochen wird, sei diese in den wenigsten Fällen kostendeckend. 

Dies führt gemäss Heusser dazu, dass wegen des hohen Risikos, den eigenen Aufwand nicht einmal minimal erstattet zu erhalten, kaum Anwälte in diesem Bereich tätig sind und die betroffenen Personen folglich ohne Rechtsschutz dastehen. Dies ist aus rechtsstaatlicher Sicht umso problematischer als die formellen und inhaltlichen Anforderungen an die Rekurse und Beschwerden hoch sind und Sozialhilfeverfügungen für Laien häufig nicht nachvollziehbar sind.