28.08.2024
Mit der heutigen Stellungnahme zum KlimaSeniorinnen-Urteil hat es der Bundesrat verpasst, ein starkes und unmissverständliches Bekenntnis zum internationalen System des Menschenrechtsschutzes als Bestandteil des Schweizerischen Rechtsstaates abzugeben. Anstatt die Urteile des EGMR als Chance zur Weiterentwicklung der Menschenrechte als Fundament unserer Demokratie wahrzunehmen, verharren Bundesrat und Parlament in einer wenig konstruktiven Abwehrhaltung. Gerade mit Blick auf die Kandidatur der Schweiz für den UNO-Menschenrechtsrat für die Jahre 2025-2027 erwarten wir von der Schweiz, dass sie sich innenpolitisch kohärent zu ihrem Image als Menschenrechtsstaat verhält.
«Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schützt uns alle in fundamentalen Rechten», ergänzt Marianne Aeberhard von humanrights.ch, Mitglied der NGO-Plattform. «Da wir in der Schweiz über kein Verfassungsgericht verfügen, ist der EGMR ein besonders wichtiges Korrektiv und kann die Weiterentwicklung des Rechts zur Schliessung von Lücken im Grund- und Menschenrechtsschutz anregen. Ein wichtiges Beispiel ist die wiederholt festgestellte Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) – eines für einen Rechtsstaat fundamentales Recht. Durch solche Urteile konnten beispielsweise der fehlende Zugang zu Schadenersatzforderungen von Asbestopfer, die fehlenden innerstaatlichen Beschwerdemöglichkeiten bei Obhutsstreitigkeiten, die unverhältnismässig lange Dauer von Verfahren vor Schweizer Gerichten oder – wie im Falle der KlimaSeniorinnen – den Schutz von besonders vulnerablen Personengruppen vor den Folgen des Klimawandels thematisiert und Veränderungen angeregt werden.»
Paolo Bernasconi von der Fondazione Diritti Umani, ebenfalls Mitglied der NGO-Plattform, betont zudem die globale Bedeutung des Signals, das die politische Schweiz aussendet: «Die Menschenrechte wurden von Menschen weltweit als Errungenschaft im Nachgang des Nationalsozialismus und im Zuge der dekolonialen Bewegungen erkämpft und stehen auch aktuell unter Druck. Wenn eine Regierung eines Landes wie die Schweiz, die sich international für Humanität und Frieden einsetzt, sich nicht klar hinter die Menschenrechte und gegen innenpolitische Angriffe auf das Menscherechtssystem stellt, öffnet sie damit Tür und Tor für andere Regierung für eine weitere Relativierung der Menschenrechte und Schwächung von Menschenrechtsverteidiger*innen. Damit werden auch die aussenpolitischen Anstrengungen der Schweiz erheblich geschwächt. Die Schweiz muss ihr internationales Engagement daran messen lassen, wie sie die Menschenrechte im eigenen Land umsetzt.»
Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz, ein Zusammenschluss aus über 100 Menschenrechtsorganisationen, erwartet vom Bundesrat, dass er das klare Bekenntnis der Schweizer Bevölkerung zur EMRK, das am 25. November 2018 in der Abstimmung zur Selbstbestimmungsinitiative zum Ausdruck kam, ernst nimmt. Der Bundesrat muss jetzt gegenüber der internationalen Gemeinschaft ein deutliches Signal aussenden, indem er sich gegen innenpolitische Angriffe wie jenes im Rahmen der Erklärung des Parlaments ausspricht.
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Tarek Naguib
Koordinator der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz
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