01.02.2024
Unser neuer Podcast «Artikel Sieben» rückt die Menschenrechte in der Schweiz ins Zentrum. Einzelne Fälle machen gravierende Lücken im Menschenrechtsschutz sichtbar. In der fünften Folge geht es um rassistische Polizeikontrollen. Gesprächspartner ist Tarek Naguib, Jurist und Mitglied der Allianz gegen Racial Profiling sowie Koordinator der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz.
Rassistische Polizeikontrollen und -gewalt verletzen das völkerrechtliche Diskriminierungsverbot und tangieren je nach Konstellation das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) und das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK). Das Problem findet zunehmend auch in der Schweiz an Beachtung. So kritisieren Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sowie jüngere Initiativen wie die Allianz gegen Racial Profiling und das Bündnis Justice for Nzoy den institutionellen Rassismus in kantonalen und kommunalen Polizeikorps sowie des Schweizer Grenzwachtkorps.
Typisch für das Problem ist der Fall Wilson A ., der in der Nacht vom 19. Oktober 2009 mit einem Freund auf dem Nachhauseweg in eine Polizeikontrolle geriet und dabei fast ums Leben gekommen ist. Wilson A. wurde aufgrund seiner dunkeln Hautfarbe kontrolliert, ohne dass dafür weitere konkrete Anhaltspunkte für einen Verdacht vorgebracht werden konnten. Die Frage nach dem Grund der Kontrolle mündete in massive Gewaltanwendungen seitens der Polizei mittels Stockschläge, Kniestössen in den Bauch- und Brustbereich sowie durch einen Würgegriff. Wilson A. reichte dagegen eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch, schwerer Körperverletzung und Gefährdung des Lebens ein. Es wurde ein Verfahren eröffnet, das mittlerweile über 14 Jahre andauert. Die Allianz gegen Racial Profiling kritisiert das Verfahren aufgrund von Verschleppung, Missachtung von Verfahrensrechten und einseitiger Untersuchung durch die zuständige Staatsanwaltschaft.
In der fünften Folge des Podcast wird der Fall aus rechtlicher Perspektive besprochen. Ausserdem wird darüber diskutiert, wie wichtig die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Kollektiven und Organisationen ist, damit ein solches Verfahren von der Betroffenen Person überhaupt durchgestanden werden kann. Bei Polizeigewalt – und dies gilt im Besonderen Masse für rassistische Polizeigewalt – haben die Rassismusopfer in der Regel keine Aussicht auf Erfolg. Die Strafverfolgungsbehörden glauben in der Regel der Polizei und sind vielfach nicht bereit, die nötigen Untersuchungen mittels rascher Befragungen und dem Erstellen von Gutachten vorzunehmen. Der Fall von Wilson A. ist dabei ein Beispiel unter vielen, das jedoch an Bekanntheit erlangte, weil die Allianz gegen Racial Profiling diesen als strategischen Fall definiert. Auch über die Bedeutung von strategischen Rechtsverfahren diskutiert Christoph Keller mit seinem Gast Tarek Naguib.
«Artikel Sieben» wird herausgegeben von humanrights.ch und produziert von podcastlab.ch. Die einzelnen Folgen sind in allen Podcastkanälen zu hören oder können auf dieser Seite direkt abgespielt werden.