19.02.2024
Im Oktober 2009 landete Wilson A. nach einer Polizeikontrolle im Krankenhaus. Noch im selben Jahr erhebt er – unterstützt durch seinen Rechtsvertreter – gegen die drei Beamt*innen Anklage. Laut seiner Rechtsvertretung und seinen persönlichen Ausführungen wurde er in der Vorfallsnacht Opfer von rassistischer Polizeigewalt. Was folgt ist ein jahrelanger Spiessrutenlauf mit Versuchen, das Verfahren einzustellen, Ablehnen zahlreicher Beweisanträge, Ausstandsgesuchen sowie Strafanzeigen gegen Individuen der Strafverfolgung und Rechtsprechung, Entlassung von Rechtsverteidiger, Freispruch der drei Polizeibeamt*innen und Involvierung aller nationalen rechtsprechenden Behörden, inklusive des Einreichens einer Beschwerde beim EGMR. Gegen den Freispruch der drei Polizeibeamt*innen wurde Berufung eingelegt. Am 15.2.2024 wird – nachdem die Berufung gegen zwei der drei Polizist*innen widerrufen wurde – vor der ersten Kammer des Obergerichts des Kantons Zürich (OGZ) die Berufungsverhandlung gegen das freisprechende Urteil des Bezirksgerichts Zürich (BGZ) geführt.
Bildquelle: Ennio Leanza, Keystone
1. Der Vorfall (19.10.2009)
Am frühen Morgen des 19. Oktobers 2009 befinden sich Wilson A. und sein Begleiter B. nach einem Restaurantbesuch in der Stadt Zürich in einem Tram auf dem Nachhauseweg. Bei einer Haltestelle steigen zwei Polizist*innen zu, die die beiden direkt ansteuern und künden Ihnen an, eine Personenkontrolle durchzuführen. Zu diesem Zweck sollen Wilson A. und B. an der nächsten Haltestelle aussteigen. Auf die Frage, warum unter all den Fahrgästen gerade sie kontrolliert werden sollen, erhalten Wilson A. und sein Freund B. keine Antwort.
Stattdessen wird Wilson A. von einem der Polizist*innen am Arm gepackt. Dieser macht die Beamten darauf aufmerksam, dass er gerade eine Herzoperation hinter sich habe und sie ihn nicht anfassen sollen. Ausserdem erklären sich Wilson A. und B. bereit, an der nächsten Haltestelle auszusteigen und sich kontrollieren zu lassen.
An der Haltestelle wartet bereits ein dritter Beamter. Beim Verlassen des Trams erhält Wilson A. durch die Polizistin einen Stoss Pfefferspray in die Augen, der zweite Polizist reisst ihn nach vorne und versetzt ihm einen Faustschlag in den Unterleib und einen Kniestoss in den Brustbereich. Dort befindet sich der implantierte Defibrillator, der im Rahmen der von Wilson A. erwähnten Herzoperation eingesetzt wurde. Die Beamten traktieren ihn weiterhin mit Stockschlägen, bis Wilson A. zu Boden geht. In Todesangst versucht er schreiend, wieder aufzustehen und sich aus den Griffen der Polizisten zu befreien. Daraufhin erhält Wilson A. wieder einen Stoss Pfefferspray ins Gesicht und wird beleidigt mit «Scheiss-Afrikaner, geh zurück nach Afrika!». Es folgen weitere Kniestösse, Schläge in den Unterleib und Brustbereich, und einer der Beamten drückt ihm den Daumen ins linke Auge. Nachdem Wilson A. von hinten in den Würgegriff genommen wird, sinkt er halb ohnmächtig wieder zu Boden und versucht dabei, seinen Defibrillator mit den Händen zu schützen. Diese werden ihm allerdings kurz darauf gewaltsam auf den Rücken gerissen, um ihm Handschellen anzulegen.
Wilson A.’s Freund und Begleiter B. wird wenige Meter entfernt gefesselt und abgeschirmt. In Panik und im Wissen um Wilson A.’s geschwächtes Herz schreit er immer wieder auf Englisch, dass die Polizisten ihn töten werden. Die ihn abschirmende Beamtin bringt ihn mit Stockschlägen zum Schweigen. Nachdem die Verstärkung eingetroffen ist, werden Wilson A. und B. auf den Polizeiposten gebracht.
2. Die unmittelbaren Folgen
Wilson A. erleidet Quetschungen und Prellungen an Hals, Nacken und Kiefer, einen Bruch des rechten Knochenfortsatzes am zweiten Lendenwirbelkörper, eine Oberschenkelzerrung, einen Meniskusriss (muss später operiert werden), Schürfungen und Prellungen an beiden Knien resp. Kniescheiben, Quetschungen an den Handgelenken, Augenentzündungen aufgrund des Pfeffersprays sowie eine Unterblutung der Bindehaut im linken Auge, Schwellungen und Druckdolenzen im Bereich von Unterbauch, Nieren, neben der Wirbelsäule, an den beiden seitlichen Bauchregionen, hinter dem rückseitigen Bauchfell und unterhalb des Zwerchfells, starke Schwellungen und Blutergüsse im Bereich des Brustbeins und seines implantierten Herzschrittmachers. Wie ein Bericht seines Arztes später zeigen wird, hätten die Schläge, Würgegriffe und der Einsatz von Pfefferspray für Wilson A. aufgrund seines fragilen Herzens und des eingesetzten Defibrillators fatal ausgehen können.
Die Verletzungsbilder der Beamt*innen bezeugen ihre eigene Gewaltanwendung: Ein Beamter trägt eine kaum sichtbare Abschürfung am linken Arm davon (mit dem er Wilson A. im Würgegriff hatte) und eine leichte Schürfung an seinem rechten Knie. Ein weiterer Beamter trägt an beiden Knien kleine und leichte Schürfungen davon.
Die Polizist*innen erstatten noch in derselben Nacht eine Strafanzeige gegen Wilson A. und seinen Freund und Begleiter B. wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte. In ihren Wahrnehmungsberichten, welche sie auf dem Revier verfassen, legen sie ausserdem gleich noch einen Grund für die Kontrolle dar: Aufgrund einer Fahndungsmeldung hätten sie angenommen, dass es sich bei Wilson A. um einen gesuchten Straftäter handeln könnte. Allerdings zeigt das entsprechende, später in den Akten auftauchende Dokument weder eine hohe Ähnlichkeit zwischen dem Gesuchten und Wilson A., noch können die Beamt*innen belegen, dass sie die angebliche Fahndungsmeldung bereits vor der Kontrolle zu Gesicht bekommen hatten.
3. Erste Anklage wird erhoben (23.12.2009)
Der Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner erhebt im Namen von Wilson A. Anklage wegen Amtsmissbrauch, Körperverletzung, Gefährdung des Lebens und unterlassener Hilfeleistung.
4. Beauftragung durch Obergericht, Strafverfahren zu eröffnen (23.2.2010)
Die Staatsanwaltschaft «Besondere Untersuchungen» wird – wie üblich bei Verfahren gegen Polizeibeamt*innen – aktiv. Ihre Aufgabe ist es, dem Gericht alle für die Beurteilung von Schuld und Strafe wesentlichen Grundlagen zu liefern. Am 23. Februar nach dem Vorfall wird die besondere Staatsanwältin durch das Obergericht beauftragt, das Strafverfahren gegen die drei Polizist*innen zu eröffnen und die Voruntersuchungen durchzuführen. Im Falle der Strafanzeige von Wilson A. und RA Steiner sind folgende Vorwürfe zu untersuchen: versuchte schwere Körperverletzung und Gefährdung des Lebens; Amtsmissbrauch und Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot (Racial-Profiling-Personenkontrolle); falsche Anschuldigung (Strafanzeige gegen Wilson A. wegen Gewalt und Drohung).
5. Einvernahme der Beamt*innen (Mai 2010)
Im Mai 2010 werden die Beamt*innen vernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme erhalten Wilson A. und RA Steiner keine Mitwirkungsmöglichkeit – was an sich verfahrensmässig widerrechtlich ist. Wilson A. und B. werden erst nach den Polizist*innen vernommen, bei ihrer Befragung sind acht respektive 13 Monate seit dem Vorfall vergangen.
6. Erster Versuch, das Verfahren einzustellen (6.12.2010)
Knapp 14 Monate nach dem Vorfall unternimmt die Staatsanwältin einen ersten Versuch, das Verfahren gegen die Beamt*innen einzustellen. Sie will die Polizist*innen ohne richterliches Urteil freisprechen. Hierbei missachtet sie gleich zwei gesetzliche Bestimmungen: Weder informiert sie Wilson A. und RA Steiner vorgängig über ihr Einstellungsvorhaben, noch setzt sie eine Frist zum Stellen von Beweisanträgen.
7. Beschwerde gegen Versuch, das Verfahren einzustellen (11.1.2011)
Am 11. Januar 2011 legen Wilson A. und RA Steiner Beschwerde ein gegen den Versuch, das Verfahren einzustellen. Ausserdem rügen sie die Verweigerung der ihnen zustehenden elementaren Rechte zur Teilnahme und Mitwirkung.
8. Gutheissung der Beschwerde (12.4.2011)
Die Beschwerde wird im April 2011 vom Obergericht gutgeheissen. Das Verfahren wird jedoch durch die Staatsanwältin nicht zurückgesetzt. Lediglich gewährt sie Wilson A. und RA Steiner bei den folgenden drei Einzelvernahmen von Ende September bis Anfangs Dezember ein Fragerecht. Die Beamt*innen verweigern auf sämtliche Fragen die Aussage.
9. Zweiter Versuch, das Verfahren einzustellen (13.12.2011)
Nach der Aussageverweigerung durch die drei Beamt*innen werden keine weiteren Schritte durch die Staatsanwältin unternommen. Viel mehr kündigt sie am 13. Dezember die erneute Einstellung des Verfahrens an. Dieses Mal setzt sie eine Frist zur Einreichung von Beweisanträgen. RA Steiner beantragt neben einem medizinisch-forensischen Gutachten unter vielem anderem die Einvernahme weiterer Zeug*innen sowie die Befragung des behandelnden Arztes und der Hausärztin.
10. Ablehnung der Beweisanträge (6.2.2012)
Die eingereichten Beweisanträge werden von der Staatsanwältin allesamt abgelehnt, ohne im Einzelnen eine nachvollziehbare Begründung zu formulieren.
11. Dritter Versuch, das Verfahren einzustellen (8.2.2012)
Zwei Tage nach der Ablehnung der eingereichten Beweisanträge verfügt die Staatsanwältin ein weiteres Mal die Einstellung des Verfahrens gegen die Beamt*innen. Dagegen reichen Wilson A. und RA Steiner erneut Beschwerde ein.
12. Verweigerung der unentgeltlichen Prozessführung (15.5.2012)
Während die Beschwerde gegen den erneuten Versuch, das Verfahren einzustellen, noch hängig ist, muss Wilson A. unterstützt durch RA Steiner vor dem Bundesgericht zusätzlich die unentgeltliche Prozessführung erstreiten. Am 15. Mai wird diese vom Obergericht mit der Begründung verweigert, Wilson A. brauche keine Rechtsvertretung; er könne seine allfälligen Schadenersatz- oder Genugtuungsforderungen selbst formulieren, und im Übrigen untersuche die Staatsanwältin den Fall selbstverständlich professionell und engagiert. Die Beschwerde von Wilson A. und RA Steiner wird am 12. Juni beim Bundesgericht eingereicht.
13. Bestätigung BGer → unentgeltliche Rechtspflege muss gewährt werden (12.10.2012)
Die Beschwerde von Wilson A. und RA Steiner im Zusammenhang mit der Gewährleistung unentgeltlicher Rechtspflege wird am 12. Oktober 2012 vom Bundesgericht gutgeheissen.
14. Ablehnung der Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung (5.6.2013)
Am 5. Juni 2013 lehnt das Obergericht die Beschwerde gegen den dritten Versuch der Staatsanwältin, das Verfahren gegen die Polizist*innen einzustellen, ab. Dagegen reichen Wilson A. und RA Steiner im August Beschwerde beim Bundesgericht ein.
15. Aufhebung des Einstellungsentscheids durch BGer (24.6.2014)
Im darauffolgenden Jahr entscheidet das Bundesgericht, dass sehr wohl Anklage erhoben werden müsse und hebt somit den Einstellungsentscheid des Obergerichts auf. Die Anklage soll sogar um den Anklagepunkt Gefährdung des Lebens ausgeweitet werden.
16. Ausstandsgesuch Beschwerdekammer Obergericht (29.8.2014)
Nachdem Anklage erhoben wird, hat die Staatsanwaltschaft die Anklage zu vertreten. Wilson A. und RA Steiner gehen jedoch aufgrund des bisherigen Verhaltens der Staatsanwältin nicht mehr davon aus, dass sie gegen die Beamt*innen Anklage führen wird. Der Aufforderung, aus eigenen Stücken abzugeben und sich als befangen zu erklären, kommt die Staatsanwältin nicht nach. Deshalb stellt RA Steiner am 29. August 2014 Antrag bei der Beschwerdekammer des Obergerichts, dass die Staatsanwältin in den Ausstand treten müsse.
17. Ablehnung Ausstandsgesuch durch Obergericht (29.10.2014)
Exakt zwei Monate später lehnt das Obergericht das Ausstandsgesuch ab. Begründet wird der Entscheid damit, dass der Antrag zu spät eingereicht worden sei. RA Steiner zieht das Ausstandsbegehren weiter ans Bundesgericht.
18. Beschwerde gegen Entscheid OGZ durch BGer abgewiesen (12.5.2015)
Das Befangenheitsgesuch wird auch vom Bundesgericht abgewiesen. Es drückt das Vertrauen aus, dass alles im üblichen Rahmen abgelaufen sei und dass die Staatsanwältin die Untersuchung nun zügig und zeitnah abschliessen werde.
19. Einreichung Beschwerde EGMR (9.12.2015)
Parallel zum Verfahren in der Schweiz wird gegen den Entscheid des Bundesgerichts vom 12. Mai beim EGMR Klage eingereicht. Im Konkreten soll untersucht werden, ob das Recht von Wilson A. auf ein unabhängiges, unparteiisches und faires Verfahren verletzt worden ist (Art. 6 EMRK). Ausserdem soll überprüft werden, wann eine Untersuchungsbehörde – in dem Falle die Staatsanwaltschaft Zürich aufgrund der symbiotischen Zusammenarbeit mit der Polizei – aufgrund ihrer Befangenheit in den Ausstand zu treten habe.
20. Erhebung Anklage (5.2.2016)
Im Februar des darauffolgenden Jahres erhebt die Staatsanwältin Anklage – fast sechseinhalb Jahre nach dem Vorfall. Sie beantragt eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen, lediglich wegen unspezifischem Amtsmissbrauch und einfacher Körperverletzung. Entgegen dem Bundesgerichtsentscheid hat sie die Tatvorwürfe des rassistischen Profilings sowie der exzessiven Gewaltanwendung und lebensbedrohlicher Würgegriffe per Aktennotiz aus der Anklage entfernt. Die Verjährung, die bei einfacher Körperverletzung sieben Jahre beträgt, würde bevorstehen, sollte der Richter auf einfache Körperverletzung beschliessen, was die Staatsanwältin wohl erwartet.
21. EGMR-Beschwerde für unzulässig erklärt (26.5.2016/2.6.2016)
Rund sieben Monate nach der Einreichung der Beschwerde beim EGMR wird diese als unzulässig erklärt. Die in Art. 34 (Individualbeschwerden) und 35 (Zulässigkeitsvoraussetzungen) der Konvention niedergelegten Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
22. Verhandlung BGZ, Einzelrichter (21.11.2016)
Die Verhandlung vor dem Einzelrichter am BGZ findet am 21. November 2016 statt – allerdings ohne Vertretung der Anklage durch die Staatsanwältin. Sie bleibt der Verhandlung fern. Nach den ersten Befragungen beschliesst der Bezirksrichter den Unterbruch des Prozesses. Er weist darauf hin, dass aufgrund des Arztberichts sehr wohl Lebensgefahr bestanden haben könnte und dass das Interesse der Öffentlichkeit an einer umfassenden richterlichen Beurteilung im vorliegenden Fall hoch sei, gerade angesichts der Tatsache, dass Polizist*innen angeklagt sind und der Geschädigte eine Schwarze Person ist. Letztlich gehe es um die Glaubwürdigkeit der Justiz und um die Gewährleistung eines fairen Verfahrens. Er weist die Anklageschrift an die Staatsanwältin zurück und beauftragt sie, die Anklage um Gefährdung des Lebens zu ergänzen.
23. Ergänzung der Anklage um Gefährdung des Lebens (29.11.2016)
Ungefähr eine Woche nach der Verhandlung vor dem BGZ kommt die Staatsanwältin der Anweisung des Einzelrichters nach und ergänzt die Anklage um Gefährdung des Lebens. Allerdings verzichtet sie weiterhin auf die Einholung jeglicher Beweismittel, stellt keine Unrechtmässigkeit der Kontrolle zur Diskussion und beantragt genau dasselbe Strafmass von 100 Tagessätzen.
Der zuständige Bezirksrichter ist anderer Meinung. Da er als Einzelrichter lediglich Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr sprechen kann und die Obergrenze bei Gefährdung des Lebens bei fünf Jahren Freiheitsentzug liegt, erklärt er sich als nicht zuständig und überweist den Fall an ein Kollegialgericht.
24. Ansetzung Hauptverhandlung (20.1.2017)
Per Verfügung wird die Hauptverhandlung gegen die drei Polizist*innen auf den 13. Juni (Zusatztag 17. Juni) 2017 angesetzt. Zur Anklage steht Amtsmissbrauch und Körperverletzung, jedoch nicht Gefährdung des Lebens.
25. Zweites Ausstandsgesuch an Staatsanwältin (27.1.2017)
Wilson A. und RA Steiner befürchten nach wie vor, dass die Staatsanwältin die Anklage in einen Freispruch münden lassen will. Sie sehen sich in ihrer Haltung durch das jüngst an den Tag gelegte Verhalten der Staatsanwältin bestätigt. Deshalb fordern die beiden sie noch einmal auf, wegen Befangenheit in den Ausstand zu treten. Erneut lehnt sie ab und überweist den Antrag an den verfahrensleitenden Richter des Kollegialgerichts, obwohl nicht er, sondern die Beschwerdekammer des Obergerichts zuständig wäre. Die Staatsanwältin bezieht keine Stellung zum Ausstandsgesuch, da kein Austandsgrund nach Art. 56 StPO (Ausstandsgründe) vorgebracht worden sei.
26. Einreichung Honorarnote RA Steiner und Rückmeldung (8.2.2017)
An Silvester reicht RA Steiner eine Honorarnote ein, um einen Kostenvorschuss für seine bisherige Tätigkeit zu erhalten. Der Fall läuft mittlerweile bereits acht Jahre, jedoch erhielt er bisher einmalig eine Akontozahlung, die seinem Wortlaut nach seinen Aufwand in keinster Weise zu decken vermag. Per Verfügung des BGZ wird ihm ein um einen tiefen fünfstelligen Betrag geringerer Kostenvorschuss ausbezahlt, als dies von RA Steiner in seiner Honorarnote ersucht wurde.
27. Einreichung Beweisantrag medizinischer Sachverständiger (16.2.2017)
Nachdem die Frist zur Einreichung von weiteren Beweisanträgen verlängert wurde, stellt RA Steiner pünktlich den Antrag, einen medizinischen Sachverständigen zur mündlichen Befragung und Berichterstattung anlässlich des Beweisverfahrens im Rahmen der Hauptverhandlung vorzuladen. Ihm seien drei Fragen vorzulegen: Welche Folgen können Schläge auf einen Defibrillator – wie die in der Vorfallsnacht an Wilson A. verübten – haben? Wie gefährlich (oder allenfalls lebensgefährlich) ist eine solche Handlung einzustufen? Mit welchen Folgen wären infolge der Blutverdünnung (welche bei Wilson A. damals aufgrund der Einsetzung der Herzklappe nötig war) und inneren Blutungen von Wilson A. allenfalls zu rechnen gewesen? Welche Gefährdung oder allenfalls Lebensgefährdung war oder hätte mit dem Würgegriff, der bei Wilson A. ausgeübt wurde, verbunden sein können?
28. Beweisantrag medizinischer Sachverständiger abgelehnt (16.3.2017)
Einen Monat nach Einreichung des Beweisantrags von RA Steiner, einen medizinischen Sachverständigen vorzuladen, wurde dieser abgelehnt. Ein Sachverständiger könne nur Aussagen allgemeiner Natur machen und mögliche Folgen nur aufzählen, jedoch nicht die Wahrscheinlichkeit deren Verwirklichung benennen. Insgesamt verspräche der Beizug eines Sachverständigen in diesem Bereich keinen Erkenntnisgewinn. Zuletzt folgt noch der Hinweis, dass abgelehnte Beweisanträge an der Hauptverhandlung erneut gestellt werden können.
29. Zweites Ausstandsgesuch abgewiesen (17.5.2017)
Der verfahrensleitende Bezirksrichter lehnt im Mai 2017 das zweite Ausstandsgesuch gegen die Staatsanwältin ab. Die reine Mutmassung, dass die Staatsanwältin anlässlich der Hauptverhandlung auf Freispruch plädieren würde, stelle keinen Ausstandsgrund dar. Die Frage der Befangenheit könne, wenn, dann an der Hauptverhandlung erörtert werden.
30. Befangenheitsklage gegen Bezirksrichter durch OGZ abgelehnt (16.8.2017)
Der verfahrensleitende Bezirksrichter lehnt alle weiteren von RA Steiner eingereichten Beweisanträge mit der Begründung ab, sie würden keinen Erkenntnisgewinn versprechen. Daraufhin reichen Wilson A. und RA Steiner beim Obergericht eine Befangenheitsklage gegen den vorsitzenden Bezirksrichter ab. Das Obergericht lehnt diese am 16. August 2017 ab: Es sei keine Befangenheit zu erkennen.
31. Hauptverhandlung; erste Instanz (Kollegialgericht) (10./11.4.2018)
Über achteinhalb Jahre nach dem Vorfall erfolgt die Hauptverhandlung vor der ersten Instanz. Die Staatsanwältin – deren Rolle eigentlich die Vertretung der Anklage gegen die Polizist*innen wäre – tritt als Chefverteidigerin auf und plädiert auf vollumfänglichen Freispruch. Das Gericht lehnt alle Beweisanträge ohne Begründung ab. Die Lücken und Unterlassungen der Voruntersuchung werden nicht beachtet. Ausserdem werden weder die Aussagen der Beamt*innen noch die der beiden Geschädigten einer seriösen Analyse hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit, Vollständigkeit und Realitätsnähe unterzogen. Am 17. April erfolgt die Urteilseröffnung: Alle drei Beamt*innen werden vollumfänglich freigesprochen.
32. Veröffentlichung Pressemitteilung (18.4.2018)
Entgegen den Gepflogenheiten veröffentlicht das BGZ am Folgetag eine Pressemitteilung. Darin steht geschrieben, dass Wilson A. sich im Tram aggressiv verhalten habe und sich nicht ausweisen wollte. Ausserdem habe er nicht auf seinen Defibrillator hingewiesen. Beim Aussteigen seien er und die Beamt*innen verletzt worden. Das Gericht erachte die Aussagen des Privatklägers (Wilson A.) als wenig glaubhaft, ganz im Gegensatz zu den Aussagen der beschuldigten Polizist*innen.
33. Schriftliche Begründung des Urteils, Berufung (1.10.2018)
Fünfeinhalb Monate nach dem Urteil trifft die schriftliche Begründung ein. Normalerweise wird eine schriftliche Begründung innerhalb von drei Monaten erwartet. RA Steiner legt Berufung ein.
34. RA Walder übernimmt das Mandat (23.10.2018)
Da RA Steiner mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, übernimmt RA Walder das Mandat als amtlicher Vertreter für die zweite Instanz; Steiner unterstützt kostenlos als Berater und Zweitanwalt. Mit Verfügung des OGZ vom 29. Oktober wir RA Walder per 23. Oktober 2018 als unentgeltlicher Rechtsbeistand des Privatklägers (Wilson A.) eingesetzt. RA Steiner bleibt als erbetener Verteidiger im Verfahren drin.
35. Vorladung Berufungsverhandlung (28.8.2019)
Im August des darauffolgenden Jahres werden Angeklagte sowie die Anklägerschaft zur Berufungsverhandlung, die auf den 2. Dezember 2019 festgelegt wird, vorgeladen.
36. Widerrufung der Berufung gegen zwei Polizist*innen (11.11.2019)
Im November 2019 widerruft RA Walder die Berufung gegen die beiden untergebenen Beamt*innen; der Gruppenleiter soll als Verantwortlicher allein unter Anklage stehen. Unter anderem war er es, der Wilson A. durch seine Würgegriffe in Lebensgefahr gebracht hatte. Für die Anklage ergibt sich die Chance, dass die beiden untergebenen Beamt*innen als Zeug*innen vernommen werden können. Im Rahmen dieser Einvernehmung dürften die beiden Beamt*innen weder die Aussage verweigern noch lügen.
37. Verweigerung Einvernahme der freigesprochenen Polizist*innen (21.11.2019)
Der neue Verfahrensleiter vor Obergericht verweigert die Einvernahme der beiden freigesprochenen Beamt*innen als Zeug*innen. Die Beweislage sei klar und die Befragung werde keine weiteren Erkenntnisse bringen. Die Abschreibung der Anklage gegen die beiden soll zudem erst an der Berufungsverhandlung erfolgen – das bedeutet, dass sie formell im Verfahren bleiben und nicht gezwungen werden können, die Wahrheit über die Gewalttätigkeiten zu sagen.
38. Ausstandsbegehren gegen vorsitzenden Oberrichter (25.11.2019)
RA Walder stellt kurz nach der Verweigerung der Einvernahme der freigesprochenen Beamt*innen ein Ausstandsbegehren gegen den vorsitzenden Oberrichter. Begründet wird dies mit der aus Sicht der Klägerschaft offensichtlichen Voreingenommenheit und Befangenheit des Oberrichters. Da die Beamt*innen nicht aus dem Verfahren entlassen werden, erhalten sie weiterhin alle Korrespondenz und haben Zugang zu den neu produzierten Akten. Somit mache sich laut RA Walder der zuständige Oberrichter mit seiner Entscheidung, die beiden nicht als Zeug*innen zuzulassen, ausserdem der Amtsgeheimnisverletzung verdächtig.
39. Ablehnung der Befangenheitsklage gegen Oberrichter (3.3.2020)
Drei Monate nachdem RA Walder ein Ausstandsbegehren gegen den vorsitzenden Oberrichter gestellt hat, wird dieses vom Oberrichter einer anderen Strafkammer des Obergerichts abgelehnt. Es würden sich keinerlei Anzeichen dafür ergeben, dass der Oberrichter als befangen betrachtet werden könnte. Das Abweisen aller Beweisanträge und die Tatsache, dass die freigesprochenen Beamt*innen nicht aus dem Verfahren entlassen worden seien, sei rechtens.
40. Fragestellungen RA Steiner an Oberrichter (14.4.2021)
Hinsichtlich der Berufungsverhandlungen im November 2021 werden von RA Steiner einige Fragen an den vorsitzenden Oberrichter gestellt (wird es eine Redezeitbeschränkung geben? Können die freigesprochenen Beamt*innen befragt werden?). Dieser geht nicht auf die Fragen ein und fordert die beiden Rechtsvertreter auf, sich zu entscheiden, wer Wilson A. vertreten wolle (Walder ist Pflichtverteidiger; Steiner hat sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen und unterstützt unentgeltlich). Entgegen dieser Forderung ist es das Recht jedes*r Angeklagten – so auch Wilson A. – sich bei Bedarf von mehreren Anwält*innen vertreten zu lassen.
41. Klarstellung Situation Pflichtverteidigung durch RA Steiner (1.6.2021)
RA Steiner wiederholt gegenüber dem vorsitzenden Oberrichter, dass er das Mandat aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen könne (Chemotherapien, Hörverlust). Deshalb bleibe RA Walder nach wie vor amtlicher Verteidiger und RA Steiner würde kostenlos unterstützen und einen kleinen Teil des Plädoyers übernehmen. Dies wird von Walder gegenüber dem vorsitzenden Oberrichter vollumfänglich bestätigt.
42. Verfügung des Oberrichters, RA Walder zu entlassen (13.7.2021)
Eineinhalb Monate nach der erneuten Klarstellung der Situation der Rechtsvertretung von Wilson A. durch RA Walder und RA Steiner verfügt der zuständige Oberrichter, dass Walder als amtlicher Vertreter entlassen werde und Steiner das Mandat kostenlos zu übernehmen habe. Aus Sorgfaltspflicht gegenüber Wilson A. sieht sich Steiner gezwungen, sein Mandat niederzulegen, wodurch Wilson A. ohne Rechtsvertretung dasteht.
43. Präsidialverfügung betreffend amtliche Vertretung Wilson A. (3.9.2021)
In einer nicht erstreckbaren Frist von fünf Tagen (inklusive eines Wochenendes) verlangt der vorsitzende Oberrichter von Wilson A., dass er einen neuen amtlichen Vertreter benennen solle; falls es dies nicht tue, werde davon ausgegangen, dass er definitiv auf amtliche Rechtsvertretung verzichte. Obwohl Wilson A. in der Folge bestätigt, dass er RA Walder weiterhin als amtlichen Vertreter wünsche und RA Steiner ihn kostenlos unterstütze, wird der vorsitzende Oberrichter am 14. und 28. September wiederholt eine Präsidialverfügung mit demselben Wortlaut wie die erste verschicken.
44. Beschluss Oberrichter → Verzicht von Wilson A. auf amtliche Rechtsvertretung (19.10.2021)
Nach über einem Monat des Schriftenwechsels verfügt der vorsitzende Oberrichter, dass für Wilson A. kein amtlicher Vertreter zur Verfügung stehe. Es sei keine konkrete Person genannt worden, die das Mandat führen könne. Demnach habe Wilson A. auf seine amtliche Vertretung verzichtet. Weiter lädt der vorsitzende Oberrichter ohne Rechtsvertretung zur Berufungsverhandlung vom 22. November vor.
45. Aufforderung an Oberrichter, in den Ausstand zu treten (13.11.2021)
Aufgrund der jüngsten Ereignisse und des Verhaltens des Oberrichters fordert RA Steiner ihn auf, in den Ausstand zu treten. Begründet wird dieser Antrag mit der Feindseligkeit und Befangenheit, die der Oberrichter an den Tag lege. RA Steiner sieht in dessen Verhalten Amtsmissbrauch und Nötigung vorliegen. Gleichzeitig wird auch beantragt, die Berufungsverhandlung vom 22. November zu verschieben.
46. Abweisen Ausstandsbegehren durch Oberrichter (16.11.2021)
Drei Tage später lehnt der Oberrichter, welcher wiederholt von RA Steiner aufgefordert wurde, in den Ausstand zu treten, das Gesuch um Verschiebung der Verhandlung ab – mit der Begründung, es sei im Schreiben vom 13. November gar kein Ausstandsgesuch gegen den Verfahrensleiter beantragt worden und somit keine Begründung vorliegt, die eine Verschiebung der Berufungsverhandlung rechtfertigen würde. Ausserdem erklärt der zuständige Oberrichter RA Steiner zu Wilson A.’s Vertreter – gegen Steiners Willen, der sich aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht mehr in der Lage sieht, diese Position zu übernehmen. Weiter wird RA Steiner für sein Plädoyer eine Redezeitbeschränkung von zwei Stunden auferlegt.
47. Wiederholte Aufforderung an den Oberrichter, in den Ausstand zu treten (17.11.2021)
RA Steiner wiederholt tags darauf in einem Schreiben an den Verfahrensleiter die Aufforderung an ihn, in den Ausstand zu treten. Erneut wird der Antrag ausführlich begründet.
48. Berufungsverhandlung abgesagt (22.11.2021)
In Anbetracht der Umstände und der Tatsache, dass der Vorsitzende davon absieht, die Berufungsverhandlung vor dem Obergericht abzusagen, reicht RA Steiner zusammen mit dem Ausstandsbegehren vom 17. November ein Arztzeugnis ein. Dieses belegt seine 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Chemotherapie in der Zeit vom 15. November bis zum 8. Dezember. Nach der Preisgabe dieser sehr persönlichen Informationen sieht sich der vorsitzende Oberrichter nun doch dazu veranlasst, die Verhandlung vom 22. November abzusagen.
49. Strafanzeige gegen vorsitzenden Oberrichter (16.11.2021/28.1.2022)
Wilson A. zeigt den vorsitzenden Oberrichter mit Unterstützung von RA Steiner wegen Amtsmissbrauchs, allenfalls Nötigung und Begünstigung bei der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich an. Für dieses Verfahren – aber nicht für das Hauptverfahren – übernimmt Steiner offiziell wieder die Vertretung von Wilson A. Damit ein Strafverfahren gegen den Oberrichter tatsächlich eingeleitet werden kann, muss das Kantonsparlament zuerst seine Immunität aufheben.
50. Beschwerde betreffend Entschädigung RA Walder (9.12.2021)
Nachdem RA Walder am 13. Juli mit der Präsidialverfügung der Vorinstanz als unentgeltlicher Rechtsvertreter von Wilson A. entlassen wurde, forderte das OGZ ihn auf, eine Ausfertigung seines Plädoyers für die Berufungsverhandlung gemäss seiner Honorarnote einzureichen. Dies habe in einer nicht erstreckbaren Frist von drei Tagen zu erfolgen. Ansonsten würde die Entschädigung in Form einer Pauschale erfolgen. RA Walder kam dem nach und reichte die Plädoyernotizen in geschwärzter Form ein, was er mit seinen Berufspflichten begründete. Daraufhin entschied das OGZ, RA Walder habe seinen Aufwand für die Vorbereitung des Verhandlungsplädoyers nicht belegt und sei daher mit einer Summe zu entschädigen, die um einen fünfstelligen Betrag tiefer ist als das zuvor ausgewiesene Honorar.
Nach mehreren Fristverlängerungsgesuchen von RA Walder (die alle genehmigt wurden) beantragt er Ende Februar des darauffolgenden Jahres die Sistierung des Verfahrens, bis im Ausstandsverfahren gegen den zuständigen Oberrichter (der über das Honorar von RA Walder entschieden hat) befunden wird. Der Antrag wird bewilligt.
51. Entscheid Strafkammer II OGZ: Keine Befangenheit zu erkennen (15.6.2022)
Sieben Monate nachdem RA Steiner im Namen von Wilson A. erneut ein Gesuch zur Befangenheitserklärung des vorsitzenden Oberrichters gestellt hatte, entscheidet die Strafkammer II des OGZ, dieses abzulehnen. Es fänden sich keine Anzeichen dafür, dass der Oberrichter befangen wäre. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er fähig sei, im Berufungsverfahren unabhängig und unvoreingenommen zu entscheiden. Die Kosten werden Wilson A. auferlegt. RA Walder reicht gegen den Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde ein (erfolgt am 23. August).
52. Erneute Sistierung des Beschwerdeverfahrens betreffend Entschädigung (25.7.2022)
Durch den Entscheid des Obergerichts, das Gesuch zur Befangenheitserklärung des zuständigen Oberrichters abzulehnen, wird auch das Beschwerdeverfahren im Zusammenhang mit der Entschädigung von RA Walder wieder aktiv. Nach der Aufforderung durch das Bundesstrafgericht, eine Beschwerdereplik einzureichen, beantragt RA Walder eine erneute Sistierung des Verfahrens, da er gegen den Entscheid des OGZ am Bundesgericht Beschwerde einlegen wird. Der Antrag wird bewilligt.
53. Entscheid der Geschäftsleitung des Zürcher Kantonsrats (5.10.2022)
Die Immunität des vorsitzenden Oberrichters wird nicht aufgehoben. So entscheidet die Geschäftsleitung des Zürcher Kantonsrats. Kein einziges der in der Strafanzeige aufgeführten Vorkommnisse könne für sich beanspruchen, eine kriminelle Intention des vorsitzenden Oberrichters zu zeigen. Jeder verfahrensrechtliche Entscheid hätte der Anzeigeerstatter im Rahmen des ordentlichen Verfahrens oder mit dem Endentscheid anfechten und auf seine Rechtmässigkeit überprüfen lassen können. Ausserdem seien viele der hier unter strafrechtlichem Aspekt eingebrachten Fragen bereits unter dem Aspekt der Befangenheit im Rahmen eines fast drei Jahre zurückliegenden Ausstandsbegehrens zum Nachteil der Klägerschaft erklärt worden. Ausserdem sei kaum nachvollziehbar, wie die antragstellende Oberstaatsanwaltschaft unter diesen Umständen zum Schluss kommt, dass ein Anfangsverdacht nicht von vornherein von der Hand zu weisen sei. Die Geschäftsleitung des Zürcher Kantonsrats lässt somit keine strafrechtliche Untersuchung zu, kommuniziert wird der Entscheid am 5. Oktober. Die Kosten muss Wilson A. übernehmen.
54. Tod von Rechtsanwalt Steiner (13.3.2023)
Im März des darauffolgenden Jahres verstirbt RA Dr. Bruno Steiner.
55. Entscheid BGer betreffend Ausstands-/Strafverfahren gegen Oberrichter (26.6.2023)
Zehn Monate nachdem Wilson A. und RA Walder Beschwerde gegen den Beschluss des OGZ beim BGer eingereicht haben, entscheidet dieses, die Beschwerde abzuweisen und dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen. Bei objektiver Betrachtung sämtlicher Vorbringen bestünden keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit des zuständigen Oberrichters. Insbesondere seien keine Anzeichen einer feindlichen Gesinnung gegenüber Wilson A. oder RA Walder zu erkennen. Das Urteil wird am 24. August versendet.
56. Präsidialverfügung betreffend Rechtsbeistand Wilson A.’s (29.8.2023)
Auf den Entscheid des Bundesgerichtes folgt eine Präsidialverfügung des zuständigen Oberrichters, in dem Wilson A. aufgefordert wird, in einer Frist von zehn Tagen anzugeben, ob er erneut einen unentgeltlichen Rechtsbeistand wünscht und durch welche*n Rechtsanwält*in er im weiteren Verfahren vertreten werden möchte. Ausserdem wird er darauf aufmerksam gemacht, dass ein erneutes Bestehen auf eine Mehrfachvertretung als Verzicht auf einen unentgeltlichen Rechtsvertreter gewertet würde und dass nach wie vor an der Berufungsverhandlung die festgelegte Redezeitbeschränkung von zwei Stunden gelten wird.
57. RA Walder wird wieder Rechtsvertreter von Wilson A. (12.9.2023)
Nachdem tags zuvor RA Walder beim zuständigen Oberrichter per Schreiben ersucht hatte, sich erneut (wie von ihm gewünscht) als Wilson A.’s amtlichen Rechtsvertreter zu bestellen, wird er am 12. September per Präsidialverfügung wieder als Wilson A.’s RA eingesetzt.
58. Entscheid Bundesstrafgerichtshof betreffend Entschädigung RA Walder (26.10.2023)
Durch die Wiedereinsetzung von RA Walder als amtlichen Rechtsvertreter von Wilson A. erachtet Walder das Verfahren gegen den Entscheid des Obergerichts, ihm einen viel tieferen Betrag als das ausgewiesene Honorar zu überweisen, als gegenstandslos. Dies deshalb, weil die Prüfung der Honorierung für die gesamte Dauer der unentgeltlichen Rechtsvertretung nun wiederum beim Obergericht liegen würde. Diese Ansicht teilt auch das Bundesstrafgericht und schreibt die Beschwerde zufolge Gegenstandslosigkeit als erledigt ab. Es werden keine Gerichtsgebühren erhoben.
59. Vorladung zur Berufungsverhandlung (31.10.2023)
Nachdem der Entscheid um Wilson A.’s Rechtsvertretung gefällt worden ist, wird am 31. Oktober der Termin der Berufungsverhandlung gegen das Urteil des BGZ vom 17. April 2018 – in dem die drei Polizist*innen freigesprochen wurden – festgelegt. Die Berufungsverhandlung vor der I. Strafkammer des OGZ wird am 15. Februar 2024 durchgeführt.
60. Entscheid OGZ: Freispruch des Gruppenleiters (15.02.2024)
Am 15. Februar 2024 wird die Berufungsverhandlung vor der I. Strafkammer des OGZ abgehalten. Sie endet mit dem Freispruch des Gruppenleiters inklusive 5000 CHF Genugtuung für den Angeklagten. Der Richter erklärt, RA Walder habe komplett an der Aktenlage vorbeiargumentiert. Es habe sich nicht um Racial Profiling gehandelt, als sich die Polizist*innen entschieden, Wilson A. und sein Begleiter B. zu kontrollieren. Sie hätten in dieser Nacht eine Schwarze Person gesucht und auch eine Schwarze Person kontrolliert. Ausserdem habe Wilson A. durch sein eigenes Verhalten die Situation eskalieren lassen. Zu guter Letzt gäbe es auch keinerlei Indizien für ein 10-minütiges «Blutwürgen», wie dies von RA Walder geschildert wurde. Wilson A. und seine Rechtsvertretung haben bereits vor der Verhandlung angekündigt, dass sie bei einem Freispruch das Urteil an das BGer weiterziehen werden.
In unserem Podcast «Artikel Sieben» wird in der fünften Folge das Thema Rassistisches Profiling im Zusammenhang mit dem Fall von Wilson A. aufgegriffen.
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Nora Riss
Leiterin Beratungsnetz für Rassismusopfer
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