07.01.2025
Bereits seit 2011 fordert eine breite NGO-Koalition Bund und Parlament auf sicherzustellen, dass Schweizer Konzerne Menschenrechte und Umwelt respektieren. Was mit der Kampagne «Recht ohne Grenzen» begann, mündete 2015 in die Einreichung einer ersten Initiative KVI 1.0. Die Initiative wurde im November 2020 von 50.7% der Bevölkerung angenommen, scheiterte aber am Ständemehr. Ende 2022 trat ein abgespeckter und zahnloser Gegenvorschlag in Kraft, während die EU strengere Regelungen beschloss. Aus diesem Grund kündigten die Initiant*innen Ende 2023 eine KVI 2.0 an. Diese Initiative wird heute lanciert. humanrights.ch ist Mitglied der Koalition für Konzernverantwortung und unterstützt die Initiative.
Die 2015 lancierte Konzernverantwortungsinitiative (KVI 1.0) verlangte, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz Menschenrechte und Umweltstandards zukünftig verbindlich in die Geschäftsabläufe integrieren müssten. Denn immer wieder verletzen Schweizer Grosskonzerne bei ihren Tätigkeiten im Ausland – meist im globalen Süden – grundlegende Menschenrechte wie das Verbot von Kinderarbeit oder das Recht auf sauberes Trinkwasser. Mit der Initiative sollten die Unternehmen basierend auf den UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte verpflichtet werden, eine Sorgfaltsprüfung durchzuführen. Sie hätten dabei die potentiellen Risiken, die durch ihre Geschäftstätigkeit entstehen können, zu analysieren und Massnahmen zu ergreifen, wenn es zu Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards kommt. Ebenso müssten sie transparent über die getroffenen Massnahmen informieren. Um die Einhaltung dieser Pflichten zu stärken, müssten die Unternehmen für Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards haften, die sie selber oder ihre Tochterfirmen und weitere von ihnen kontrollierte Unternehmen begehen. Opfer solcher Verletzungen könnten vom Schweizer Unternehmen vor Schweizer Gerichten Schadenersatz verlangen. Die Beweislast läge dabei auf der Seite des Unternehmens. Das Unternehmen hätte die Möglichkeit, sich von einer Haftung zu befreien, wenn es nachweist, dass es alle nötigen Massnahmen getroffen hat, um eine solche Verletzung zu verhindern.
Die am 7. Januar 2025 von der Koalition für Konzernverantwortung präsentierte KVI 2.0 orientiert sich an dem im Mai 2024 verabschiedeten Lieferkettengesetz der EU. Damit wird dem Hauptargument der Gegner*innen aus dem ersten Abstimmungskampf den Wind aus den Segeln genommen, die vor einem Alleingang der Schweiz gewarnt und auf international abgestimmte Richtlinien gepocht haben. Anders als vor 10 Jahren ist heute die Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne verbindliche Regulierung der Konzernverantwortung.
Wie in der KVI 1.0 verlangt die KVI 2.0, dass Schweizer Konzerne bei ihren Geschäften im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards einhalten müssen, dass für Grossunternehmen Sorgfaltspflichten gelten und diese bei Nichteinhalten dieser Pflichten gebüsst werden können. Zusätzlich sollen Betroffene in der Schweiz Schadenersatz fordern können.
In drei Punkten kommen die Initiant*innen den Gegner*innen entgegen: In der EU-Richtlinie umfasst die Haftungsbestimmung die gesamte Lieferkette, also auch Zulieferer. Dies war in der Debatte um die erste Initiative KVI 1.0 umstritten. Deswegen wird in der Neuauflage KVI 2.o nur noch eine Haftung für Schäden von Firmen unter hauptsächlicher Kontrolle durch den Hauptkonzern («Tochterfirmen») verlangt. Weiter sind neu alle KMU von der Initiative ausgenommen, während in KVI 1.o. in bestimmten Sektoren auch KMU betroffen gewesen wären. Die KVI 2.0 betrifft analog zur EU-Richtlinie Grosskonzerne ab 1000 Mitarbeitende und 450 Millionen Euro Umsatz, wobei jedoch der Bund in Hochrisikosektoren wie dem Rohstoffhandel spezifische Regelungen auch für mittelgrosse Unternehmen erlassen kann. Schliesslich verzichtet man in der neuen Initiative auf die sogenannte Beweislast-Umkehr, das heisst Konzerne müssen nicht mehr nachweisen, dass sie die geforderte Sorgfaltspflicht erfüllt haben, um sich von der Haftung zu befreien.
Zusätzlich und analog zur EU-Richtlinie enthält die KVI 2.0 Verpflichtungen zum Klima: Die Konzerne müssen einen Absenkungspfad zur Reduktion von klimaschädlichen Emissionen festlegen, um die Geschäftstätigkeiten in Einklang mit den internationalen Klimaabkommen zu bringen. Mit der Option, dass Konzerne mit geringen Emissionen von dieser Verpflichtung befreit werden können, soll möglichem Widerstand die Stirn geboten werden.
Die Koalition hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Die 100’000 Unterschriften sollen in nur 30 Tagen nach der Lancierung der Initiative gesammelt werden, um die Dringlichkeit des Anliegens sichtbar zu machen. Dafür braucht es jede Unterstützung: