01.12.2022
Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet zum ersten Mal verbindlich den Einsatz oder die Androhung des Einsatzes, die Entwicklung, das Testen und die Lagerung von Atomwaffen. Die Schweiz hat ihn bis heute nicht unterzeichnet, obwohl sie für seine Entwicklung gestimmt hat. Dutzende von Persönlichkeiten fordern die Bundesbehörden auf, Atomwaffen zu ächten, um ein starkes Signal für eine Friedenspolitik zu setzen.
Kommentar von ICAN Switzerland
Der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW), der im Juli 2017 von der UNO-Generalversammlung genehmigt wurde und 2021 in Kraft getreten ist, wurde von mehreren Dutzend Ländern unterzeichnet - nicht aber von der Schweiz. Er ist heute der einzige rechtsverbindliche Vertrag, der Atomwaffen analog zu den chemischen und biologischen Waffen verbietet.
Vertrag notwendig, um den Einsatz von Atomwaffen zu verbieten
Weit davon entfernt, Sicherheit und Stabilität aufrechtzuerhalten, dienen Atomwaffen dazu, zu nötigen und einzuschüchtern, Aggressionen zu erleichtern, Reaktionsmöglichkeiten zu beschränken und Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu decken. Multilaterale Verhandlungen zur nuklearen Abrüstung befinden sich aufgrund des Widerstands der Atomwaffenstaaten seit über zwei Jahrzehnten in einer Sackgasse.
Der TPNW ergänzt und konsolidiert das internationale Rechtssystem zur Bekämpfung von Massenvernichtungswaffen, zu dem auch der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) gehört. Mit der Ratifizierung des NVV im Jahr 1977 hat sich die Schweiz verpflichtet, Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in absehbarer Zeit und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle zu führen (Art. VI). Der TPNW stellt somit eine konkrete Maßnahme zur Umsetzung dieser Bestimmung dar.
Die widersprüchliche Haltung der Schweiz
Die Schweiz hat stets erklärt, dass sie die humanitären und abrüstungspolitischen Ziele des TPNW teilt, und gehörte zu den Initiatoren des TPNW in der UNO, wobei Schweizer Diplomaten aktiv an den Verhandlungen beteiligt waren. Im Jahr 2019 lehnte es der Bundesrat jedoch ab, sich dem Vertrag anzuschließen, wie es eine vom Parlament angenommene Motion forderte. Er beschloss, dass die Schweiz an künftigen Konferenzen der TPNW-Vertragsstaaten als Beobachterin teilnehmen und ihre Haltung gegenüber dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffen neu bewerten werde. Die diesem Thema gewidmete interdepartementale Arbeitsgruppe schätzte in einem 2018 veröffentlichten Bericht den Beitrag des TPNW zur Abrüstung als ungewiss ein. Dennoch stellt er einen neuen Impuls für die Bemühungen um nukleare Abrüstung dar.
Auf dem ersten Treffen der TPNW-Vertragsstaaten erklärten diese, dass sie den NPT als Eckpfeiler des Abrüstungs- und Nichtverbreitungssystems anerkennen und Drohungen oder Aktionen zu seiner Destabilisierung beklagen, während sie gleichzeitig die Komplementarität der beiden Verträge bekräftigten. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages bestätigte, dass TPNW und der NPT weder unvereinbar seien noch rechtlich oder politisch miteinander konkurrierten.
Ein dringender Appell von Politik und Zivilgesellschaft
Die Konferenz der TIAN-Vertragsstaaten ist bis heute das einzige multilaterale Forum, das jede nukleare Bedrohung verurteilt. Das IKRK hat sich von Anfang an für den TPNW eingesetzt. Zum ersten Mal verfügen die Staaten über ein formelles völkerrechtliches Instrument, das den Besitz und den Einsatz von Atomwaffen als völkerrechtswidrig erklärt.
Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates (APK-N) hat sich für die Ratifizierung des UNO-Vertrags über das Verbot von Atomwaffen ausgesprochen. Mit großer Mehrheit und parteiübergreifend fordern der National- und der Ständerat sowie mehrere Schweizer Städte den Bundesrat auf, den NATO-Vertrag zu unterzeichnen und zu ratifizieren.
In einem am 28. November 2022 veröffentlichten Aufruf fordern Dutzende von Schweizer Persönlichkeiten die Bundesbehörden auf, dem TPNW unverzüglich beizutreten.
Die nukleare Abrüstung ist entscheidender denn je, sowohl aus humanitären Gründen als auch für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Schweiz und in Europa. Die Schweiz muss ihre Bemühungen um die vollständige Abschaffung von Atomwaffen erneuern und verstärken, indem sie den TPNW unverzüglich unterzeichnen.