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A.Y. gegen die Schweiz

27.02.2023

Mitteilung Nr. 887/2018, Entscheid vom 22. Juli 2022.

Der Ausschuss gegen Folter (CAT) ist der Ansicht, dass die Schweiz mit der Rückführung einer eritreischen Frau, die ihren Militärdienst leisten muss, gegen Artikel 3 der Anti-Folter-Konvention verstösst.

2014 floh A.Y. aus ihrem Land, weil sie befürchtete, zum Militärdienst beordert zu werden. Im Jahr 2015 stellte sie in der Schweiz einen Asylantrag, der vom Sekretariat für Migration (SEM) und 2016 vom Bundesverwaltungsgericht (BVGer) als unglaubwürdig abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin reichte 2018 eine Individualbeschwerde beim CAT ein.

Der Ausschuss erklärte zunächst, dass die Schweiz den Antrag von A.Y. nicht umfassend beurteilt habe. Die Migrationsbehörden waren der Ansicht, dass ihr Erstinterview repräsentativ für ihren Antrag war, und wiesen die Informationen, die sie später lieferte, zurück. Da das Erstinterview jedoch sehr kurz war, waren die Fragen und die für ihre Beantwortung eingeräumte Zeit unzureichend. Die Beschwerdeführerin verwies auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (M.A. gegen die Schweiz), wonach der unterschiedliche Charakter der beiden Anhörungen vor den Migrationsbehörden bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit einbezogen werden muss.

Der Ausschuss stellte außerdem fest, dass die Schweizer Behörden keine objektiven Informationen über Eritrea bereitgestellt hatten, um das Folterrisiko der Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr zu beurteilen. Weiter kritisierte der Ausschuss die Bewertung der Lage in Eritrea durch die Schweiz. Diese reflektiere nicht die reellen Gefahren, welche einer Person in der Situation von A.Y. drohen mögen. Auch die Argumentation, dass sowohl Grossbritannien als auch Dänemark die Lage in Eritrea gleich wie die Schweiz beurteilten, wurde kritisiert, da diese Schlussfolgerungen nicht objektiv wären. Der CAT betonte, dass viel eher Zeugenaussagen vor Ort sowie Lagebeurteilungen von Staatsangehörigen, die im Exil leben, einbezogen werden sollten. Diese würden ein verlässliches und unzensiertes Bild der Situation im Land darstellen.

Ausserdem wird vom CAT festgehalten, dass der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau seine Besorgnis über die Auswirkungen der nationalen Wehrpflicht auf die Rechte der eritreischen Frauen zum Ausdruck gebracht hat. Er stützt sich auch auf die Feststellungen des Sonderberichterstatters für Eritrea, wonach es kein geregeltes Verfahren für die Festnahme und Inhaftierung von Kriegsdienstverweigerern gibt. Wehrpflichtige werden regelmässig über die gesetzliche Höchstgrenze hinaus unter extrem harten Lebensbedingungen inhaftiert, sexuell missbraucht und hart bestraft. Deserteur*innen und Asylsuchenden, die nach Eritrea zurückgeschickt werden, drohen lange Haftzeiten, Folter und andere Formen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Inhaftierten Frauen droht Missbrauch, einschliesslich sexueller Gewalt.

Daher ist der CAT der Ansicht, dass A.Y. einem realen und nachweislichen Risiko ausgesetzt ist, gefoltert zu werden, wenn sie nach Eritrea zurückgeschickt wird.