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Rassistisches Profiling: Kritisches Hinterfragen einer Polizeikontrolle führt zu Busse

28.02.2018

Am Dienstag, 6. März 2018 hat das Strafgericht Basel-Stadt Marc O. zu einer Busse verurteilt, weil dieser eine rassistische Polizeikontrolle kritisch hinterfragt hatte. Der Fall zeigt exemplarisch, wie die Justiz im Zweifelsfalle ihre schützende Hand über die Polizei legt.

Sachverhalt

Marc O. beobachtete am 7. Januar 2017 um 20.35 Uhr an der Klybeckstrasse in Basel, wie eine Polizistin und zwei Polizisten einen schwarzen Mann kontrollierten. Weil Marc O. der Aufforderung eines Polizisten weiterzugehen nicht Folge leistete, sondern nach den Gründen der Kontrolle fragte, wurde er wegen einer Diensterschwerung im Sinne von §16 des Baslers Übertretungsstrafgesetzes gebüsst.

Die juristische Konstellation ist damit ähnlich gelagert wie im Fall von Mohamed Wa Baile (Vgl. unseren Artikel hierzu): Das Gericht musste nämlich darüber befinden, ob man sich einer Amtshandlung widersetzen darf, wenn diese selbst rechtswidrig ist. Konkret stellte sich die Frage, ob sich Marc O. zu Recht der polizeilichen Anordnung weiterzugehen widersetzt hatte, weil die Polizeikontrolle rassistisch und damit offensichtlich rechtswidrig war.

Ein wichtiger Unterschied zum Fall Wa Baile liegt darin, dass die Polizei in diesem Fall keinen sachlichen Grund für die Kontrolle vorschiebt. Während bei Wa Baile auf das «Abwenden des Blickes» abgestellt wurde, beschreibt der kontrollierende Polizist im Fall Marc O. die Situation wie folgt: «Im Bereich Kaserne entschlossen wir uns, eine dunkelhäutige Person zu kontrollieren wegen dem Verdacht des illegalen Aufenthaltes.». Auf Nachhaken der Staatsanwältin, blieb der Polizist bei seiner Aussage: «Wir sahen einen dunkelhäutigen Schwarzafrikaner. Wir kontrollierten ihn wegen des Verdachtes von illegalem Aufenthalt.»

Schützende Hand der Justiz

Der Fall zeigt exemplarisch, mit welchen vielschichtigen Widerständen im Justizsystem gerechnet werden muss, wenn man sich gegen polizeiliches Fehlverhalten zur Wehr setzen möchte.

In einem ersten Schritt wurde der Sachverhalt durch die zuständige Staatsanwältin in einer parteiischen Art und Weise festgestellt. So übernahm sie in ihrem Strafbefehl etwa die wertenden Aussagen des Polizisten aus dem Polizeirapport, dass der Beschuldigte und seine Ehefrau die Polizeibeamten «von hinten grob angesprochen» und diese «angewettert» hätten und dass sie sich «aufdringlich und aufbrausend» verhalten hätten. Marc O. gab hingegen bei der späteren Einvernahme zu Protokoll gab, dass er und seine Ehefrau weder von hinten, sondern von der Seite kamen und die Polizisten/-innen in einem ruhigen Tonfall ansprachen. Das Ganze sei sehr ruhig und unaufgeregt abgelaufen.

Bei widersprüchlichen Aussagen der Befragten müssten die Strafbehörden bemüht sein, die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu prüfen und den Sachverhalt möglichst objektiv zu ermitteln (Art. 6 StPO). Die Staatsanwältin hätte also bei der Einvernahme beispielsweise mit entsprechenden Fragen erörtern müssen, inwiefern sich dieses «grobe Ansprechen» und das «Anwettern» manifestiert hat. Vorliegend hatte sie dies unterlassen, vielmehr hat sie dem Polizisten die alleinige Definitionsmacht bei der Erstellung des Sachverhalts überlassen, indem sie den Strafbefehl – welcher der Einvernahme vom 28. Juni 2017 in vielen Punkten diametral widerspricht - telquel bestätigte. Bezeichnend für die unzulängliche Sachverhaltsermittlung durch die Staatsanwältin ist zudem die Ablehnung des Antrags Marc O.'s, seine Ehefrau als weitere Zeugin zu befragen.

Richter als verlängerter Arm der Polizei

In einem zweiten Schritt legte nun am 6. März 2018 der Einzelrichter am Strafgericht Basel-Stadt seine schützende Hand über die Staatsanwältin und die Polizei, indem er den Strafbefehl bestätigte.

Der Richter gründete sein Urteil primär auf der Tatsache, dass Marc O. mit seiner Intervention eine Amtshandlung behindert habe. Die dahinterliegende Frage der Legitimität der ursächlichen Personenkontrolle sei gar nicht das relevante Thema. Trotzdem führte er noch an, «dass die Polizei keinen Tatverdacht für eine Personenkontrolle benötige» und dass «ausländisches Aussehen neben Tageszeit und Ort ein Faktor für den Verdacht auf illegalen Aufenthalt ist». Vor dem Hintergrund, dass die Polizisten/-innen die Kriterien von Ort und Zeit gar nie als Motiv genannt hatten, sondern einzig die Hautfarbe, muss diese Argumentation geradezu als abenteuerlich bezeichnet werden.

Kommentar

In einem Rechtsstaat muss sich ein Bürger gegen widerrechtliche Amtshandlungen wehren können, ohne dafür belangt zu werden. Die Polizei hat es vorliegend ausnahmsweise unterlassen, einen sachlichen Grund für eine rassistische Personenkontrolle vorzuschieben. Die Widerrechtlichkeit liegt damit offen zutage, weshalb sich Marc O. mit Fug und Recht der polizeilichen Anordnung weiterzugehen, widersetzt hat.

Dass es das Gericht trotzdem unterlassen hat, sich vertieft mit der rassistischen Personenkontrolle als Ursache für die festgestellte «Diensterschwerung» durch Marc O. auseinanderzusetzen, lässt tief blicken und beschädigt die Glaubwürdigkeit der Justiz. Es bleibt zu hoffen, dass der Fall weitergezogen und der angerichtete Schaden von einer höheren Instanz korrigiert werden kann.