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Politische Rechte für Ausländer/innen in der Schweiz

12.08.2015

Ausländerinnen und Ausländer sind in der Schweiz von der politischen Partizipation weitgehend ausgeschlossen. Sie können weder an eidgenössischen Abstimmungen noch an eidgenössischen Wahlen teilnehmen. Kantone und Gemeinden können jedoch eigene Regelungen zur politischen Partizipation erlassen. Ob Personen ohne Schweizer Pass ein Stimm- oder Wahlrecht haben, hängt deshalb stark von ihrem Wohnort ab. Wichtige Informationen zum Thema Ausländerstimmrecht bietet die Website der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen (EKM).

Romandie: Ausländer/-innen gestalten mit

In den Kantonen Jura und Neuenburg können Ausländerinnen und Ausländer auf kantonaler Ebene abstimmen und wählen. Sie können jedoch nicht gewählt werden. Das volle Stimm- und Wahlrecht haben Ausländer/-innen in diesen Kantonen jedoch auf Gemeindeebene. Auch in den Kantonen Waadt und Fribourg haben Ausländer/-innen auf Gemeindeebene unter gewissen Bedingungen das Stimm- und Wahlrecht.

In den Gemeinden des Kantons Genf dürfen Ausländerinnen und Ausländer nur abstimmen und wählen; sich für eine Wahl zur Verfügung stellen dürfen sie nicht. Drei Kantone in der Deutschschweiz erlauben es ihren Gemeinden, das Ausländerstimmrecht einzuführen. Es sind dies die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Basel-Stadt. Allerdings haben nur wenige Gemeinden in diesen Kantonen bisher die Chance genutzt und der ausländischen Bevölkerung den Weg an die Urnen geöffnet (AA 3 von 20 Gemeinden, GR 23/125, BS 0/3).

Sehr unterschiedlich sind auch die Bedingungen, die mit dem Wahl- und Stimmrecht verbunden sind. In der Regel verlangen die Kantone eine minimale Aufenthaltsdauer und/oder eine Niederlassungsbewilligung. Während etwa im Kanton Neuenburg 1 Jahr Wohnsitz im Kanton die einzige Bedingung ist, sind die anderen Kantone mehrheitlich strenger und verlangen in der Regel 10 Jahre Wohnsitz in der Schweiz und 1 bis 5 Jahre im Kanton.

Bindung an die Staatsangehörigkeit muss nicht sein

Die Mitgestaltung der Politik, die Meinungsäusserung bei Abstimmungen und das Recht zu wählen sind die Grundlage einer demokratischen Rechtsordnung. «Die politischen Rechte sind gewährleistet» hält die Schweizer Bundesverfassung (Art. 34 BV) fest. In der Schweiz haben gemäss dem Bundesgesetz über die politischen Rechte (BPR) alle Staatsbürger/innen ab dem 18. Altersjahr das Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer Ebene, sofern sie nicht unter umfassender Beistandschaft stehen (Art. 2 BPR). Der UNO-Bürgerrechtspakt bezieht das Recht auf politische Teilnahme sowie das aktive und passive Wahlrecht ebenfalls auf die Staatsbürger/innen (Art. 25). Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält keinen diesbezüglichen Hinweis. Zum Stimm- und Wahlrecht ist das 1. Zusatzprotokoll heranzuziehen, welches von der Schweiz nicht ratifiziert wurde. Dieses formuliert die Adressaten etwas offener und spricht in Art. 3 von der freien «Äusserung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Körperschaften».

In der Regel binden die Staaten die politische Partizipation an die Staatsangehörigkeit. Diese Praxis ist allerdings nicht zwingend und auch nicht überall historisch gewachsen. Der Kanton Neuenburg etwa kennt seit 1849 das Ausländerstimmrecht. In der EU ist die Bindung an die Staatsangehörigkeit nur noch begrenzt gegeben, denn Angehörige von EU-Staaten können auf kommunaler Ebene wählen und abstimmen, sofern sie in einem andern EU-Staat Wohnsitz haben.

Die Bedeutung der politischen Partizipation

Die Bindung der politischen Partizipation an die Staatsangehörigkeit geriet in den vergangenen Jahren in der Schweiz vermehrt unter Druck. Seit 2001 ist schweizweit auf kantonaler Ebene 17 Mal über die Einführung des Ausländerstimmrechts abgestimmt worden, wie der Dokumentation der EKM entnommen werden kann. Mit dem Resultat, dass heute immerhin rund ein Drittel der Kantone das Ausländerstimmrecht auf kantonaler und/oder kommunaler Ebene eingeführt haben oder diese Möglichkeit vorsehen.

Die Handhabe, das Wahl- und Stimmrecht an die Staatsbürgerschaft zu binden, wird insbesondere in Frage gestellt, weil sie in Staaten mit einem hohen Ausländeranteil wenig Sinn macht. Zum einen ist es für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern von Vorteil, wenn sie bei politischen Entscheiden involviert sind. Schliesslich zahlen sie Steuern und übernehmen sonstige Pflichten gegenüber dem Staat.

Ein Viertel der Bevölkerung kann nicht abstimmen und wählen

Zum andern ist das demokratietheoretische Argument zentral: Das Wahl- und Stimmrecht an die Staatsbürgerschaft zu knüpfen, macht keinen Sinn, weil die Schweiz gleichzeitig eine prohibitive Einbürgerungspolitik verfolgt. Selbst Nachfahren der dritten und vierten Generation von eingewanderten Ausländern/-innen müssen ein aufwändiges Einbürgerungsverfahren durchlaufen, um die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Das führt dazu, dass heute rund ein Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung nicht über die Staatsbürgerschaft verfügt und damit von der politischen Mitgestaltung ausgeschlossen ist.

Politische Partizipation von möglichst allen Erwachsenen in einem Staat ist ein Indiz, das die Politikwissenschaft anführt, wenn es darum geht, die Qualität einer Demokratie zum bemessen. Auch Organisationen wie Freedom House greifen auf Indikatoren der politischen Partizipation zurück, um die Demokratiequalität eines Staates zu bewerten. Der fehlende Zugang zu politischen Rechten für Ausländerinnen und Ausländer in Kombination mit einer rigiden Einbürgerungspolitik beeinträchtigt auf lange Sicht die Qualität der demokratischen Ordnung in der Schweiz. Nüchtern betrachtet, ist das allgemeine und gleiche Recht zu wählen und abzustimmen in der Schweiz unter den heutigen Voraussetzungen nur teilweise garantiert.

Dokumentation

Weiterführende Informationen

Migranten/-innen wollen politische Integration

(Artikel vom 15.05.2008)

Das Forum für die Integration der Migrantinnen und Migranten (FIMM) hat an der ersten nationalen Migrantenversammlung in Olten seine Charta vorgestellt. Der Dachverband der MigrantInnen-Organisationen wollte damit zeigen, dass AusländerInnen ein Teil der Schweizer Gesellschaft sind.

«Es gibt eineinhalb Millionen von uns. Wir werden sicher da bleiben und unsere Kinder auch», sagte FIMM-Präsident Antonio Cunha. «Wir sind also ein aktiver Teil dieser Bevölkerung und ihrer Zukunft.» Die Charta sei nicht ein Katalog von Forderungen, es gehe vielmehr um Prinzipien, die der Aktivität von FIMM zugrunde liegen sollen. Erwähnt werden darin unter anderem das Recht auf Grundeigentum, Stimm-, Wahl- und Wählbarkeitsrecht, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz und bei der Ausbildung oder soziale Rechte. Die Charta der FIMM, der rund 50 Nationalitäten angeschlossen sind, betont zudem «die Vorrangstellung der Menschenrechte über ethnische und religiöse Partikularinteressen».

Anlässlich der Veranstaltung des FIMM sprach auch Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Sie sagte, die Migration habe der Schweiz unschätzbare Vorteile gebracht. Dauerhaft zugelassene Ausländer stellten in der Schweiz einen Viertel der Erwerbstätigen. Über diese millionenfach erfolgreiche Integration werde kaum gesprochen - ganz im Gegensatz zum Dauerthema Asylbereich.

Erstes Migranten/-innenparlament in Aarau

(Artikel vom 07.01.2004)

180 MigrantInnen haben am ersten MigrantInnenparlament der Schweiz teilgenommen. Sie beurteilten insbesondere die „massiven Unterschiede“ bei den Einbürgerungsverfahren als nicht akzeptabel. Neben der Einbürgerung sei die politische Gleichstellung das entscheidende Grundproblem der Integration. Die Teilnehmenden wünschen ausserdem bessere Integration von Ausländerkindern in den Schulen durch Förderung der deutschen Sprache sowie durch Tagesschulen.