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Zwangsmassnahmen gegen Kinder - Unnötiger Bericht mit fragwürdigem Fazit

17.12.2009

 

Der Bundesrat hat am 16. Dezember 2009 einen Bericht über die Kinderrechtskonformität der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht verabschiedet. Er gelangt darin zur Ansicht, dass die Garantien der Kinderrechtskonvention im Bereich der Zwangsmassnahmen gegenüber Minderjährigen im Ausländerrecht eingehalten werden. Das sehen Menschenrechtsorganisationen auch nach Vorliegen des jüngsten Berichts anders: Unbegleitete minderjährige Asylsuchende - vor allem gegen sie richten sich die Zwangsmassnahmen - sollten grundsätzlich nicht in Ausschaffungshaft genommen werden.

Worum geht es?

In der Schweiz können die Behörden nicht nur Erwachsene, sondern auch Minderjährige ohne gültige Aufenthaltsbewilligung mit Hilfe von Zwang ausschaffen. Dies bedeutet, dass die Polizei Kinder und Jugendliche in Haft nimmt, ohne dass sie ein Delikt begangen hätten. 2006 hielt ein Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK) fest, dass diese Bestimmungen in Konflikt mit der Kinderrechtskonvention stehen. Der Bericht der GPK hatte insbesondere darauf hingewiesen, dass die Ausschaffungshaft bei Minderjährigen im Durchschnitt länger ist als bei Erwachsene.

Nach Veröffentlichung des GPK-Berichts reichte Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi (SP, GE) eine parlamentarische Initiative ein, welche den Bundesrat aufforderte einen Entwurf zu erarbeiten, der diesen Punkt korrigieren würde. Gleichzeitig forderte sie, dass jeder inhaftierte Minderjährige sofort Zugang zu einem rechtskundigen Beistand erhält. Anfang 2008 entschied die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-NR), anstelle die störenden Bestimmungen zu revidieren einen weiteren Bericht dazu ausarbeiten zu lassen - diesmal durch den Bundesrat.

71 Kinder waren in Ausschaffungshaft

Nun - drei Jahre später - hat der Bundesrat diesen Bericht vorgelegt. Darin stehen gemäss Pressemitteilung die folgenden Facts: Im Zeitraum zwischen 1. Januar 2008 und 30. Juni 2009 seien schweizweit insgesamt (...) 71 Personen im Alter zwischen 15 und 17 Jahre inhaftiert worden. «Die maximale Haftdauer bei den 15 bis 17-Jährigen beträgt in einem Fall 376 Tage und in einem anderen 297 Tage, wobei beide Personen während der Inhaftierung volljährig wurden. Die Haftdauer bei den übrigen 69 Fällen inhaftierter Minderjähriger bewegt sich zwischen 1 Tag und 116 Tagen. Die durchschnittliche Haftdauer bei Minderjährigen beträgt 19 Tage und ist 3 Tage länger als der Gesamtdurchschnitt aller in Administrativhaft versetzten Personen. Werden allerdings die beiden überdurchschnittlich langen Haftfälle nicht berücksichtigt, fällt die durchschnittliche Haftdauer von Minderjährigen auf 9 Tage, gegenüber 16 Tagen im Gesamtdurchschnitt aller in Administrativhaft versetzten Personen.»

Humanrights.ch bleibt dabei: Die Zwangsmassnahmen widersprechen der UNO-Kinderrechtskonvention

Über dieser Rechnerei ging im Bundesrat offenbar vergessen, dass Personen, welche in Ausschaffungs- und Beugehaft genommen werden, keine Kriminellen sind. Das Vergehen dieser Kinder ist unter Umständen einzig, dass sie versuchten, ohne Papiere in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Da stellt sich die Frage, wie verhältnismässig ein solcher Freiheitsentzug ist. Dieser stellt für einen Jugendlichen einen besonders schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar und ist bei der gleichzeitig relativ geringen Schwere der Haftgründe zu unterlassen, bzw. nur als letztes Mittel vorzusehen. Menschenrechtsorganisationen wie Humanrights.ch/MERS, die Flüchtlingshilfe und das Netzwerk Kinderrechte fordern deshalb seit Jahren, dass Minderjährige nicht in Ausschaffungshaft genommen werden.

Die Kinder erhalten in der Regel keine Rechtsvertretung

Zu Kritik Anlass gibt auch der Punkt der Rechtsvertretung: Der Bundesrat ist der Meinung das Einsetzen einer Vertrauensperson (welche nicht rechtskundig sein muss) genüge den Anforderungen durch die Kinderrechtskonvention. Dem hält die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) in einer Medienmitteilung entgegen: «In den meisten Kantonen werden für unbegleitete minderjährige Asylsuchende nur ausnahmsweise vormundschaftliche Massnahmen angeordnet. Das verletzt die Kinderrechtskonvention und das Zivilgesetz. Die beigeordnete 'Vertrauensperson', welche den Asylsuchenden im Asylverfahren begleitet, ist kein genügender Ersatz für Vormund oder Beistand. Die meist einer Amtssprache nicht mächtigen, nicht rechtsunkundigen und oft mittellosen Zwangsmassnahmenhäftlinge sind ohne amtlichen Rechtsbeistand in der Regel nicht in der Lage, ihre Rechte wirklich geltend zu machen. Dies gilt insbesondere auch für die UMA (Unbegleiteten Minderjährigen Asylsuchenden). Sie sollten sofort unentgeltliche rechtliche Unterstützung erhalten.»

Dokumentation

Weiterführende Informationen: