03.06.2019
National- und Ständerat haben sich in den Neunzigerjahren den Bestrebungen verweigert, verbindliche und justiziable Sozialrechte in der revidierten Bundesverfassung von 2000 festzuschreiben.
Sozialziele statt Sozialrechte
In der parlamentarischen Schlussdebatte wurde die Frage, ob Sozialrechte oder Sozialziele in der Bundesverfassung verankert werden sollen, nicht einmal mehr gestellt. Es ging nurmehr um einzelne Aspekte der Sozialziele, insbesondere um die Betonung der Eigenverantwortung des Individuums und die Hervorhebung der Nicht-Justiziabilität von Sozialzielen.
Schliesslich wurden mit der relativierenden Formel, dass Sozialziele nur im Rahmen der verfügbaren Mittel angestrebt würden, im Art. 41 BV bloss programmatische Sozialziele in die Verfassung aufgenommen. Der Art. 41 BV liest sich vor allem als Katalog von gezielten Relativierungen der Sozialrechte, gipfelnd in Ziffer 4: «Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden.»
Die Wirkung dieser gekappten Sozialrechte ist bescheiden: Im besten Falle gelten sie als gewichtiges Argument in der sozialpolitischen Auseinandersetzung.
Anerkannte Sozialrechte
Immerhin finden sich unter den Grundrechten der Bundesverfassung einige Garantien, welche den WSK-Rechten zugeordnet werden können, insbesondere:
- Art. 12 Recht auf Hilfe in Notlagen
- Art. 19 Anspruch auf Grundschulunterricht
- Art. 27 Wirtschaftsfreiheit
Das Recht auf Hilfe in Notlagen
Art. 12 BV, eines der wenigen in der schweizerischen Verfassung festgeschriebenen Sozialrechte, wurde in der Parlamentsdebatte zur revidierten Bundesverfassung vom vorgeschlagenen «Recht auf ein soziales Existenzminimum» auf das heutige «Recht auf Hilfe in Notlagen» reduziert.
Die Rolle des Art. 12 BV in der Affaire um die versuchte Streichung der Nothilfe für nicht-kooperative abgewiesene Asylsuchende hat exemplarisch aufgezeigt, wie wirksam ein anerkanntes Sozialrecht in der politischen Auseinandersetzung sein kann.
- Bundesgericht begründet Entscheid zur Nothilfe
humanrights.ch, 27. April 2005
Allerdings ist die Rechtsprechung des Bundesgerichts in der Gewichtung des justiziablen Sozialrechts des Art. 12 BV schwankend und in systemrelevanten Fällen wie bei der Aberkennung des Anspruchs auf Sozialhilfe gar zuungunsten der Betroffenen:
- Sanktionen in der Sozialhilfe: Wo sind die Grenzen?
humanrights.ch, 16. August 2013 - Bundesgerichtsentscheide zu Nothilfe / Sozialhilfe
Sammlung auf humanrights.ch
Veraltete Doktrin des Bundesgerichts
Überhaupt ist die Rechtsprechung des Bundesgerichts noch weit davon entfernt, die Sozialrechte in ihren justiziablen Teilgehalten anzuerkennen. In der Regel beharrt das Gericht auf der veralteten Lehrmeinung, bei den Sozialrechten handle es sich um blosse programmatische Vorgaben für die Sozialpolitik.
- Ablehnung der Justiziabilität
Themendossier auf humanrights.ch