16.11.2020
Das Zusatzprotokoll zur Schaffung eines Afrikanischen Menschenrechtsgerichtshofs wurde 1998 in Ouagadougou, Burkina Faso, verabschiedet und bis Januar 2004 von einer ausreichenden Anzahl der Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union ratifiziert. Der Gerichtshof nahm im Juni 2006 seine Arbeit auf und hat seinen Sitz in Arusha im Nordosten von Tansania. Durch die Einführung dieser Institution sollte die Arbeit der Kommission ergänzt und gestärkt werden. Der Gerichtshof setzt sich aus elf Richterinnen und Richtern zusammen, die im Januar 2006 von der Vollversammlung der AU gewählt wurden.
Die Wahl der Richter und Richterinnen
Die Vertragsstaaten des Protokolls können bis zu drei Kandidaten aus den Mitgliedstaaten der AU für die zu besetzenden Richterämter vorschlagen. Aus diesen nominierten Personen werden die Richter von der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der AU mit einer Zweidrittels-Mehrheit gewählt. Dies soll die Legitimität des Gerichtshofes stärken und hat den Vorteil, dass sich diejenigen Staaten, die das Protokoll nicht ratifiziert haben, regelmässig mit dem Gerichtshof und dessen Institutionen auseinandersetzen müssen. Die für sechs Jahre gewählten Richter arbeiten Teilzeit, was auf die knappen finanziellen Mittel des Gerichtshofs zurückzuführen ist. Dies beeinflusst sowohl die Verfahrensdauer als auch die persönliche Unabhängigkeit der Richter, die durch nebenberufliche Tätigkeiten im Umfeld des Gerichtshofs beeinträchtigt werden kann. Einzig der auf zwei Jahre gewählte Präsident des Gerichtshofs arbeitet Vollzeit.
Die Unabhängigkeit der Richter und Richterinnen
Die Unabhängigkeit der Richter soll durch verschiedene Massnahmen gewährleistet werden. So sind ihre Entsendestaaten nicht weisungsbefugt. Des Weiteren leisten die Richter einen Eid, dass sie ihr Amt unparteiisch und gewissenhaft ausüben und geniessen während ihrer Amtszeit diplomatische Immunität. Zudem müssen sie in den Ausstand treten, falls sie vorgängig in einer anderen als ihrer richterlichen Funktion mit dem Fall befasst waren. Im Zweifelsfall entscheidet das Gericht. Dieser Entscheid kann allerdings von der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der AU wieder aufgehoben werden.
Zuständigkeit des Menschenrechtsgerichtshofs
Durch das Protokoll sind dem Gerichtshof zwei Zuständigkeitsbereiche zugewiesen: Die streitige Gerichtsbarkeit und die Erstellung von Rechtsgutachten.
- Die streitige Gerichtsbarkeit beinhaltet alle dem Gerichtshof vorgelegten Fälle und Streitigkeiten, die die Interpretation und Anwendung des Protokolls, der Banjul-Charta und jedes anderen Menschenrechtsinstruments, das von den betreffenden Staaten ratifiziert wurde, zum Gegenstand haben. Beschwerdeberechtigt sind unter bestimmten Voraussetzungen Vertragsstaaten, internationale Organisationen, die Kommission, NGOs und Individuen. Ein Vertragsstaat kann nur dann eine Beschwerde vor dem Gerichtshof einreichen, wenn er bereits ein Mitteilungsverfahren (vgl. Menschenrechtskommission unter «Schutzfunktion») gegen einen anderen Staat vor der Kommission initiiert hat, wenn gegen diesen Staat selbst durch einen anderen ein Mitteilungsverfahren angestrengt wurde, oder wenn dessen Bürger Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden sind. Die Kommission kann sowohl die Behandlung von Staaten- als auch von Individualbeschwerden an den Gerichtshof überstellen. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs bezüglich Klagen von NGOs und Individuen ist fakultativ für die Vertragsstaaten und somit davon abhängig ob der betreffende Staat eine Erklärung abgegeben hat, dass er sich diesbezüglich dem Gerichtshof unterwirft.
- Der Gerichtshof hat die Kompetenz über jede rechtliche Frage, die die Banjul-Charta oder jedes andere relevante Menschenrechtsinstrument beinhaltet ein Gutachten zu erstellen. Dies geschieht auf Antrag der AU selbst, eines ihrer Organe, einer anderen von der AU anerkannte afrikanische Organisation oder auf Antrag eines Mitgliedstaates der AU. Somit ist der Gerichtshof auch für die Klärung blosser Rechtsfragen zuständig. Im Unterschied zur streitigen Gerichtsbarkeit ist die Ratifikation des jeweils betroffenen Menschenrechtsinstruments nicht notwendig, um ein Gutachten zu beantragen.
Verhältnis zwischen Kommission und Menschenrechtsgerichtshof
Die Kommission und der Gerichtshof sind gleichgestellt und ergänzen sich im Bereich der streitigen Gerichtsbarkeit. Betreffend der Rechtsgutachten hingegen überschneiden sich ihre Kompetenzen, wobei die Bearbeitung durch die Kommission im Konfliktfall immer vorgeht. Ein weiterer Überschneidungspunkt ist die Interpretationskompetenz von Gerichtshof und Kommission. Der Kommission kommt die Aufgabe zu, die Banjul-Charta zu interpretieren und für die praktische Anwendung zu konkretisieren. Die Interpretationskompetenz der Gerichtshofs ist einerseits weiter, in dem sie nicht nur die Banjul-Charta, sondern darüber hinaus auch alle übrigen relevanten Menschenrechtsinstrumente umfasst. Andererseits ist sie dadurch begrenzt, dass der Gerichtshof, im Gegensatz zur Kommission, nicht aus eigenem Antrieb Bestimmungen der Banjul-Charta interpretieren oder konkretisieren darf, sondern sich auf die ihm vorgelegten Fälle zu beschränken hat.
Weitere Informationen
- African Court on Human and Peoples’ Rights: Ten years on and still no justice
George Mukundi Wachira, (pdf, englisch, 40 S.)