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Beratungsstelle Freiheitsentzug: Zielführende Reorganisation im 2023: Um- und Aufbruch in der Beratungsstelle Freiheitsentzug

26.06.2024

Unsere Beratungsstelle bleibt bis heute das einzige unabhängige, kostenlose und niederschwellige Rechtsberatungsangebot für inhaftierte Personen und ihre Angehörigen in der Schweiz. Dank personellem Ausbau und interner Umstrukturierung hat sich die Beratungstätigkeit im Jahr 2023 weiterentwickelt und das Angebot konnte spürbar erweitert werden.

 

Arbeitsweise und Reorganisation der Beratungsstelle

Durch Briefpost oder über die Telefonhotline erhalten Menschen im Straf- und Massnahmenvollzug von humanrights.ch juristische Hilfeleistung. Die Telefonhotline wird einmal pro Woche, jeweils donnerstags zwischen 14 – 18 Uhr betrieben. Seit Mai 2023 stehen für die komplexe Fälle drei engagierten Rechtsanwält*innen - Lena Reusser, Julian Imfeld und Stephan Bernard – im rotierenden Pikettdienst zur Verfügung. Pro Woche nimmt eine(r) der erfahrenen Strafverteidiger*innen für eineinhalb Stunden die weitergeleiteten Anrufe unentgeltlich entgegen und zeigt den Ratsuchenden ihre Handlungsmöglichkeiten auf.

Die Erfahrungen des ersten Jahres mit dem Pikettdienst spiegeln die Realität der Schweizer Strafjustiz wider. Laut dem Bundesamt für Statistik verhängen die Gerichte zunehmend mehr Massnahmen zur Behandlung von psychischen Störungen als Sanktionen. Als Massnahmen können grundsätzlich eine Verwahrung, stationäre oder ambulante Behandlung von psychischen Störungen oder eines Suchtverhaltens verhängt werden. Für die betroffenen Personen sind diese Sanktionen oft mit viel Unsicherheiten und langen Freiheitsentzügen verbunden. Im Massnahmenvollzugsrecht stellen sich juristisch und forensisch-psychiatrisch schwierige Fragen, die die Ressourcen der Beratungsstelle sprengen und vom spezialisierten Pikettdienst schneller geklärt werden können.

Der Pikettdienst erweist sich auch im Bereich der strafrechtlichen Landesverweisung als wertvolle Unterstützung. Seit der Annahme der Ausschaffungsinitiative 2017 gibt es im schweizerischen Strafgesetzbuch einen Katalog von Straftaten, die zu einer Landesverweisung führen können. Bei Begehung einer solchen Katalogtat sind die Gerichte (mit Ausnahme von Härtefällen) verpflichtet, eine obligatorische Landesverweisung auszusprechen. Ratsuchende mit einem Landesverweis leiden oft unter quälenden Zukunftsängsten und der absehbaren Trennung von Freund*innen, Partner*innen und Familienangehörigen in der Schweiz. Neben der psychischen Belastung hat die Ausschaffung unmittelbare Konsequenzen für die Gestaltung des Haftvollzugs, wie z.B. die Verunmöglichung eines Arbeitsexternates. Der Pikettdienst versucht, die straf- und migrationsrechtliche Situation der Rechtssuchenden einzuordnen.

Erweiterungen im Team

Im August 2023 konnte die Jusstudentin Nina Müller als wertvolle wissenschaftliche Mitarbeiterin gewonnen werden. Sie unterstützt die Beratungsstelle hauptsächlich bei der Bearbeitung der Korrespondenz und führt Rechtsabklärungen durch. Darüber hinaus bedient sie regelmässig die Telefonhotline. Nina Müller studiert im Master Rechtswissenschaften an der Universität Bern und wirkt dort auch bei der Human Rights Law Clinic mit.

Die letzte personelle Änderung ergab sich im Oktober 2023, als die Rechtsanwältin Livia Schmid die Leitung der Beratungsstelle von Dr. jur. Alexandra Hansen übernahm. Die personellen Wechsel sowie die Einführung des Pikettdienstes wurden durch regelmässige Supervisionen von Stephan Bernard eng begleitet. Neben den festen Supervisionen stand der erfahrene Anwalt und Mediator der Beratungsstelle für Rücksprachen und Inputs jederzeit zur Verfügung.

Das Bestreben nach Unterstützen, Beobachten, Sensibilisieren

Mit dem vielversprechenden personellen Ausbau und der Reorganisation verfolgt die Beratungsstelle das Ziel, Rechtsauskünfte zu erteilen, systemisch bedingte Grundrechtsverletzungen aufzudecken und sich strukturell zu verankern. Sie soll sich als Organisation gegenüber den involvierten Akteuren, Vollzugsbehörden und Haftanstalten etablieren und sich überzeugt und konstruktiv für einen menschenrechtskonformen Freiheitsentzug in der Schweiz einsetzen.

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des Beitrags zur Reorganisation der Beratungsstelle im Jahresbericht 2023 von humanrights.ch zum Thema Freiheitsentzug. Den ganzen Beitrag sowie einen Einblick in den Beratungsalltag finden Sie im Jahresbericht 2023.

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kontakt

Livia Schmid
Leiterin Beratungsstelle Freiheitsentzug

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