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Wirksamkeit der Interventionen von UNO-Sonderberichterstatter*innen

14.11.2024

Die Sonderberichterstatter*innen der Vereinten Nationen fungieren als wichtige Akteur*innen, um auf Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen. Da sie jedoch keine Durchsetzungsbefugnisse haben und ihre Empfehlungen nicht rechtsverbindlich sind, stellt sich die Frage, ob ihre Interventionen sichtbare Wirkungen in der Schweiz haben.

UNO-Sonderberichterstatter*innen sind unabhängige Expert*innen, die ein Mandat für themenspezifische Menschenrechtsfragen oder bestimmte geographische Regionen haben und bei Menschenrechtsverletzungen intervenieren können. Es ist auch für Einzelpersonen oder NGOs möglich, Bedenken hinsichtlich einer menschenrechtlichen Situation zu melden.
Anhand verschiedener Praxisbeispiele zeigen wir auf, dass die Interventionen der UNO-Sonderberichterstatter*innen zur Verbesserung der Menschenrechtslage in der Schweiz beitragen können:

Intervention des UNO-Sonderberichterstatters für Folter im Fall Brian

Ein prominentes Beispiel für eine Intervention von UNO-Sonderberichterstatter*innen ist die Kritik des damaligen Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer, am Umgang der Behörden im Fall Brian. Melzer kritisierte die Bedingungen, unter welchen Brian Keller im Kanton Zürich inhaftiert war und machte auf die Verstösse gegen das völkerrechtliche Folterverbot aufmerksam.

Dies führte zu einer erheblichen medialen Reaktion, die in der Öffentlichkeit ein verstärktes Bewusstsein für die menschenrechtswidrigen Haftbedingungen von Brian schuf (siehe etwa den Bericht der Republik). Auch das Bundesgericht rügte anschliessend verschiedentlich das Vorgehen der Zürcher Behörden und Gerichte (eine Übersicht bietet das Urteil 6B_882/2021 / 6B_965/2021). Zuletzt hielt das Bundesgericht im Sommer 2024 fest, dass die Zürcher Justiz die Genugtuung für die rechtswidrigen Haftbedingungen von Brian zu tief angesetzt habe (Urteil 2C_900/2022).

Strafrechtliche Verfolgung von Klimaaktivist*innen

Eine weitere Intervention betrifft den Umgang mit Klimaaktivist*innen in der Schweiz. Fünf UNO-Sonderberichterstatter*innen äusserten in einem Schreiben an die Schweiz ihre Bedenken zur strafrechtlichen Sanktionierung der friedlichen Proteste von Klimaaktivist*innen auf der Quaibrücke und in der Uraniastrasse in Zürich in den Jahren 2020 und 2021.

In der Berichterstattung wurde verschiedentlich auf diese Intervention hingewiesen. Auch das Zürcher Obergericht vertagte in einem der Strafprozesse gegen die genannten Klimaaktivist*innen seinen Entscheid, um die Intervention der UNO-Sonderberichterstatter*innen berücksichtigen zu können. Allerdings erachtete das Obergericht die Intervention in seinem Urteil schliesslich als nicht relevant. Mittlerweile ist eine Beschwerde beim Bundesgericht hängig, in der erneut auch auf das Schreiben der UNO-Sonderberichterstatter*innen hingewiesen wird.

Einschüchterungsklagen gegen Umweltschützer*innen

Vor Kurzem wandte sich der UNO-Sonderberichterstatter für Umweltschützer*innen mit einem Schreiben an die Schweizer Regierung. Darin machte er darauf aufmerksam, dass malaysische Unternehmen und Geschäftsleute mit strategischen Klagen und Strafanzeigen (sog. SLAPPs) ungerechtfertigterweise gegen den Bruno Manser Fonds und dessen Mitarbeitende vorgehen.

Auch hier kam es in der Folge zu diversen Medienberichten, welche die Intervention des Sonderberichterstatters hervorhoben. Weiter kam es im Nationalrat zu einer Anfrage an den Bundesrat, wie die Schweizer Zivilgesellschaft künftig besser vor derartigen Klagen geschützt werden könne. Darin wurde explizit auf die Intervention des UNO-Sonderberichterstatters Bezug genommen. Der Bundesrat wollte in seiner Antwort zwar keinen Handlungsbedarf zugestehen. Allerdings ist erkennbar, dass die Verhinderung von strategischen Klagen gegen Akteur*innen der Zivilgesellschaft immer mehr in das öffentliche Bewusstsein rückt (siehe etwa die Allianz gegen SLAPP).

Fazit

Insgesamt kann festgestellt werden, dass Interventionen der Sonderberichterstatter*innen jeweils zu einer erhöhten medialen und öffentlichen Wahrnehmung von Menschenrechtsproblematiken führen. Während ein direkter Zusammenhang zwischen den Interventionen und dem Ausgang der jeweiligen Einzelfälle nur schwer nachzuweisen ist, so ist doch immerhin erkennbar, dass die verschiedenen Akteur*innen die Überlegungen der Sonderberichterstatter*innen reflektieren bzw. dass die Position der Betroffenen durch die Intervention an Gewicht gewinnt. Dies kann sowohl hinsichtlich des betroffenen Einzelfalls als auch auf genereller politischer Ebene positive Folgen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen haben.

kontakt

Marianne Aeberhard
Leiterin Projekt Zugang zum Recht / Geschäftsleiterin

marianne.aeberhard@humanrights.ch
031 302 01 61
Bürozeiten: Mo/Di/Do/Fr

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