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Fehlender Zugang zum Recht für trans Sexarbeitende

31.03.2023

Trans Personen sind in verschiedenen Lebensbereichen mit Diskriminierung konfrontiert. Sind sie dazu noch in der Sexarbeit tätig, ist ihr Zugang zu grundlegenden Rechten besonders schwierig. Dies zeigt abermals die Notwendigkeit einer intersektionalen Perspektive auf Menschenrechte und Diskriminierungsschutz auf, um flächendeckende Rechte für alle trans Personen zu garantieren.

Gastbeitrag anlässlich des International Transgender Day of Visibility am 31. März von Fabienne Bieri von ProCoRe zum Magazin «Trans Sexarbeiter*innen»

Trotz vereinzelter Verbesserungen in den Rechten von trans Personen in der Schweiz, beispielsweise die Vereinfachung in der Änderung des Personenstandsregisters, gibt es aus menschenrechtlicher Perspektive für trans Personen nach wie vor grosse Defizite beim Zugang zu ihren Rechten. Trans Personen erfahren Diskriminierung im Gesundheitswesen, in der Arbeitswelt, bei der Wohnungssuche, aber auch im öffentlichen wie im privaten Raum. Der Zugang zu grundlegenden Rechten erschwert sich weiter für trans Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind. Denn sie sind mehrfach diskriminiert und stigmatisiert: aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, ihres Aussehens, ihres Berufs oder ihres Aufenthaltsstatus. So bleibt ihnen der Zugang zu Gesundheitsleistungen, Diskriminierungsschutz, Gewaltprävention und Sozialleistungen in vielen Fällen verwehrt.

Doppeltes Stigma

Laut Amnesty International sind zwar die meisten Sexarbeitenden cis Frauen, proportional zum Bevölkerungsanteil arbeiten jedoch mehr trans als cis Personen in der Sexarbeit. Denn die Sexarbeit bietet vielen marginalisierten Personen einen niederschwelligen Zugang zu einem Einkommen. Für trans Sexarbeitende gibt es jedoch hohe Hürden beim Zugang zu medizinischen Leistungen, wie Flores Real, Verantwortlicher des Projekts «Male and Trans Sex Work» der Stadt Zürich im ProCoRe-Magazin erklärt. Dazu gehören gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen, HIV-Prävention und geschlechtsaffirmative medizinische Leistungen. Dies betrifft trans Personen generell, doch trans Sexarbeitende erleben ein doppeltes Stigma, und müssen nicht nur trans- sondern auch sexarbeitsfreundliche Behandlungsorte finden. Besonders hoch sind die Barrieren für migrantische trans Sexarbeitende, wenn sie nicht über eine funktionierende Krankenkasse verfügen. Für Personen, die eine Hormontherapie in Anspruch nehmen möchten, hat dies schwerwiegende Folgen. Viele fühlen sich gezwungen, auf gesundheitsschädliche Substanzen auf den Schwarzmarkt zurückzugreifen, oder sie müssen unter erheblicher Beeinträchtigung für die psychische Gesundheit auf eine geschlechtsaffirmative Versorgung verzichten. Vereinzelt gibt es legale Angebote im Ausland, dies ist aber aufgrund verschiedener Restriktionen wie Nationalität, Kosten und Reisemöglichkeiten nur in sehr seltenen Fällen eine Option.

Rassismus, Trans- und Sexarbeitsfeindlichkeit

Auch in Bezug auf Gewalt mangelt es an Schutz. Laut dem «Hate Crime Bericht 2022» ist die Zahl an transfeindlichen Übergriffen in der Schweiz gegenüber den Vorjahren stark gestiegen. Doch der Vorschlag, bei der Erweiterung der Rassismusstrafnorm 2020 auch Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität aufzunehmen, wurde parlamentarisch abgelehnt. Obwohl es in der Schweiz keine statistischen Daten zu Übergriffen nach Beruf gibt, sind global gesehen trans Sexarbeitende Gewalt besonders ausgesetzt. Das Monitoringprojekt «Trans Murder Monitoring» zeigt auf, dass weltweit fast jede zweite ermordete trans Person Sexarbeiter*in ist, wovon wiederrum eine grosse Mehrheit nicht weiss ist. Dies zeigt die verheerenden Auswirkungen der Verschränkung von Rassismus, Trans- und Sexarbeitsfeindlichkeit auf. Verstärkt wird der mangelnde Schutz vor Gewalt durch Diskriminierung und Fehlpraktiken seitens der Polizei. Im Magazin erzählt Sexarbeiterin Diabla von ihren Erfahrungen mit der Polizei als trans Frau, Latina und Sexarbeiterin. Sexarbeiter*innen, trans Personen, Migrant*innen und rassifizierte Personen sind polizeilicher Diskriminierung besonders ausgesetzt, mit der Konsequenz, dass im Falle von Gewalt die Polizei oft nicht aufgesucht wird (mehr dazu im Buch «Ich bin Sexarbeiterin - Portraits und Texte»). 

Intersektionaler Schutz vor Diskriminierung

Weitere Beispiele sind Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum und auf dem Arbeitsmarkt. Laut dem Transgender Network Switzerland (TGNS) sind in der Schweiz trans Personen im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung wesentlich häufiger und länger von Arbeitslosigkeit betroffen. Für trans Sexarbeitende, die sich einen Berufswechsel wünschen, kann dies eine grosse Herausforderung darstellen. Aber auch innerhalb der Sexarbeit führt Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zu einer zusätzlichen Prekarisierung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für trans Personen. Denn für Sexarbeitende ist es ohnehin schwierig, bezahlbare und sichere Räume zum Leben und Arbeiten zu finden.

Diesen Problemen kann nur entgegengewirkt werden, in dem Diskriminierungsschutz intersektional gedacht wird. Rechte und Schutz für trans Personen in der Schweiz müssen ausgebaut werden und dabei die Situationen sowie Perspektiven von Migrant*innen, Personen mit Rassismuserfahrungen und Sexarbeiter*innen einbezogen werden. Dies bedeutet beispielsweise einen verbesserten Zugang zur Hormontherapie für alle in der Schweiz lebenden und/oder arbeitenden trans Personen. Es muss eine Entstigmatisierung und Entkriminalisierung der Sexarbeit stattfinden, damit der Zugang zu Gesundheitsleistungen, Wohnraum, Arbeit, und zur Justiz für alle Sexarbeitende verbessert wird.