31.03.2025
Das Bundesgericht stellt klar und deutlich fest, dass die Dauer einer Vergewaltigung bei der Strafzumessung in keinem Fall zu Gunsten der Tatperson berücksichtigt werden darf. Dabei kritisiert es seine eigene Formulierung zur «relativ kurzen Dauer» einer Vergewaltigung als unangemessen und stellt fest, dass diese für die Rechtsprechung keinerlei Bedeutung zukommt.

In seinem Urteil vom 18. September 2024 weist das Bundesgericht die Klage des Beschwerdeführers ab, der geltend macht, dass das kantonale Gericht seine Schuld aufgrund der Kürze der Tat hätte mildern müssen. Dabei stützt sich der Beschwerdeführer auf einen Entscheid des Bundesgericht vom Vorjahr. Das Bundesgericht kritisiert seine eigene Formulierung zur «relativ kurzen Dauer» der Vergewaltigung als unangemessen und stellt klar fest, dass die Dauer der Vergewaltigung in keinem Fall bei der Strafzumessung zu Gunsten des Täters berücksichtigt werden darf. Umgekehrt kann es aber sein, dass sich die Dauer der Tat erschwerend auf die Schuld des Täters auswirkt, wenn diese auf eine erhöhte kriminelle Energie schliessen lässt.
Im vorliegenden Fall geht es um eine Frau B., die am 1. Juli 2023 gegen 23 Uhr eine Bar besuchte und dort A. kennenlernte. Gegen 2 Uhr morgens machte sich B. auf den Weg nach Hause. A. bot ihr an, sie nach Hause zu begleiten, was sie ablehnte. A folgte ihr trotzdem. Als B. in der Nähe ihres Hauses ankam, ging A. zu ihr und versuchte sie auf den Mund zu küssen, was sie jedoch ablehnte, indem sie ihn mit den Händen zurückdrängte. Daraufhin warf A. das Opfer auf den Rasen und legte sich auf sie. B. versuchte, ihn wegzustossen und zu schreien, aber er legte seine Hand auf ihren Mund, sodass sie nicht aufschreien konnte und drang in sie ein. Nach einigen Minuten gelang es B. um Hilfe zu rufen. A. zog sich zurück und ergriff die Flucht.
Antrag auf Strafmilderung aufgrund früherer Rechtsprechung
Aufgrund der Klage von B. erkennt das Bezirksgericht der Bezirke Martigny und St-Maurice A. der Vergewaltigung für schuldig und verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 15 Monate unbedingte Freiheitsstrafe. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilt das Strafgericht des Kantonsgerichts Wallis den Mann zu einer Freiheitsstrafe von 42 Monaten. A. legt daraufhin beim Bundesgericht eine Beschwerde in Strafsachen ein, das über die schuldangemessene Strafe (Art. 47 StGB) im Falle einer Vergewaltigung entscheiden muss. Konkret macht B. geltend, dass das kantonale Gericht seine Schuld aufgrund der kurzen Dauer der Tat hätte mildern müssen. Er bezieht sich dabei auf ein Urteil aus Basel aus dem Jahr 2020. Das Basler Kantonsgericht reduzierte damals in einem anderen Vergewaltigungsfall das Strafmass unter anderem mit der Begründung, dass die Tat nur elf Minuten gedauert habe. Das Bundesgericht korrigierte daraufhin das Basler Gericht zwar in anderen Punkten, bestätigte aber die Strafmilderung mit folgender Formulierung: «So ist bundesrechtskonform, dass die Vorinstanz die (im Vergleich relativ kurze) Dauer der Vergewaltigung berücksichtigt.» Deswegen rügt A. im vorliegenden Fall eine Verletzung von Art. 47 StGB. Gemäss Art. 47 StGB setzt das Gericht die Strafe nach der Schuld des Täters fest. Dabei berücksichtigt es die Vorgeschichte und die persönlichen Verhältnisse des Täters sowie die Auswirkungen der Strafe auf die Zukunft des Täters. Die Schuld bestimmt sich insbesondere nach der Schwere der Verletzung des geschützten Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den Umständen in der Lage gewesen war, die Verletzung zu vermeiden.
Das Walliser Gericht hingegen beurteilt die Tat, die der Beschwerdeführer mit vollem Bewusstsein und Willen begangen hat, als schwerwiegend. Der Beschwerdeführer hatte sich über die Weigerung des Opfers hinweggesetzt und sie zu einer sexuellen Handlung gezwungen. Obwohl das Opfer klar Abwehr gezeigt hatte, nutzte er seine körperliche Überlegenheit aus und führte seine Absichten aus. Diese Umstände zeugten gemäss Kantonsgericht von einer sehr hohen kriminellen Energie.
«Kurze Dauer» einer Vergewaltigung ist kein Strafmilderungsgrund
Der Beschwerdeführer macht im vorliegenden Fall geltend, dass das kantonale Gericht seine Strafe nicht hätte erhöhen dürfen. Das Gericht hätte die Kürze der Tat schuldmildernd berücksichtigen müssen. Dabei stützt sich der Beschwerdeführer auf das Urteil des Bundesgerichts vom 19. September 2023. Dieses Urteil hatte jedoch für Empörung gesorgt und wurde sehr kontrovers diskutiert.
Im Gegensatz hierzu stellt das Bundesgericht im aktuellen Fall klar fest, dass die Dauer einer Vergewaltigung nie zu Gunsten des Täters berücksichtigt werden darf. Das Bundesgericht kritisiert seine eigene Formulierung zur «relativ kurzen Vergewaltigung» als «non-sens», was auf Deutsch «unangemessen» heisst. Das Bundesgericht stellt klar fest, dass die Formulierung im letzten Urteil als unangemessen zu erachten ist und bringt deutlich zum Ausdruck, dass diese in der Rechtsprechung keine Bedeutung findet.
Das Bundesgericht ruft allgemein und anders als im letzten Urteil in Erinnerung, dass die Dauer eines sexuellen Übergriffs in keinem Zusammenhang mit der Schwere der Verletzung des betroffenen Rechtsguts steht. Die Bezeichnung «kurzzeitige Vergewaltigung» sei unsinnig, da die Verletzung des geschützten Rechtsguts bereits in den ersten Augenblicken der sexuellen Handlung bewirkt wird. Der Täter einer Vergewaltigung soll unter dem Gesichtspunkt der Schuld nie aufgrund der Schnelligkeit seiner kriminellen Tätigkeit belohnt werden. Die «relativ kurze» Dauer einer Vergewaltigung kann in keinem Fall zu Gunsten des Täters gewürdigt werden. Umgekehrt darf jedoch die Dauer der Tat in einem schuldschärfenden Sinne berücksichtigt werden, wenn die Länge der Tat auf eine höhere kriminelle Energie des Täters schliessen lässt.
Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass das kantonale Gericht die relevanten Kriterien für die Strafzumessung in Sinne von Art. 47 StGB genügend berücksichtigt hat. Weiter stellt es fest, dass die Dauer der Vergewaltigung keine Rolle für seine Schuld darstellt. Das kantonale Gericht hätte die Dauer der Vergewaltigung nicht strafmildernd berücksichtigen müssen. Die Dauer einer Vergewaltigung ist für Strafzumessung völlig irrelevant. Damit weist das Bundesgericht die Klage ab.
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