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Nationale Menschenrechtsinstitution

Chronologie

23.05.2023

Nachdem die UNO-Generalversammlung im Jahr 1993 allen Staaten nahelegte, eine Nationale Menschenrechtsinstitution zu etablieren, setzte sich die Schweizer Zivilgesellschaft seit 2001 aktiv für die Schaffung einer solchen Institution in der Schweiz ein. Nach unzähligen Etappen und Wendungen im politischen Prozess verabschiedete das Parlament am 1. Oktober 2021 die gesetzliche Grundlage zur Schaffung der schweizerischen NMRI. Am 23. Mai 2023 wurde die Schweizerische Menschenrechtsinstitution SMRI in Bern gegründet. 

Im Folgenden bietet humanrights.ch einen chronologischen Überblick über den Entstehungsprozess.

23. Mai 2023 – Gründung der Schweizerischen Menschenrechtsinstitution

Die Schweizerische Menschenrechtsinstitution (SMRI) wird in Anwesenheit von rund 100 Gründungsmitgliedern als öffentlich-rechtliche Körperschaft gegründet. Die Gründungsversammlung verabschiedet Statuten und wählt einen Vorstand. Dieser besteht aus Raphaela Cueni (Präsidentin), Véronique Boillet, Antonio Hautle, Matthias Hui, Marianne Hochuli und Xenia Rivkin. Als unabhängiges Organ wird die SMRI zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte für alle Bewohner*innen und auf allen staatlichen Ebenen der Schweiz beitragen. Mehr dazu im Interview mit Matthias Hui.

27. Januar 2023 – Kritik im UNO-Menschenrechtsrat

In zahlreichen Staatsempfehlungen im Rahmen der universellen periodischen Überprüfung (UPR) der Schweiz wird die Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Schweiz der künftigen NMRI ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen muss, damit sie sein Mandat erfüllen kann. Diese Empfehlungen schliessen sich an die kritischen Haltungen gegenüber der Schweiz zahlreicher UNO-Vertragsorgane aus jüngster Zeit an wie dem Menschenrechtsausschuss (CCPR), dem Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD), dem Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC), dem Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) und dem Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR).

19. August 2022 – Kritik des European Network of National Human Rights Institutions ENNHRI

Das European Network of National Human Rights Institutions ENNHRI weist in einer Stellungnahme auf die Wichtigkeit einer ausreichenden Finanzierung der künftigen nationalen Menschenrechtsinstitution der Schweiz hin. Es ruft die nationalen Behörden und das Parlament auf, der nationalen Menschenrechtsinstitution angemessene Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre Aufgaben unabhängig und wirksam erfüllen kann.

13. April 2022 – Arbeitsgruppe zur Konstituierung der Schweizerischen Menschenrechtsinstitution SMRI

Um die Gründung der Schweizerischen Menschenrechtsinstitution SMRI vorzubereiten nimmt die Arbeitsgruppe zur Gründung der Nationalen Menschenrechtsinstitution ihre Arbeit auf. Sie besteht aus Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, ausserparlamentarischer Kommissionen, verschiedener Bundesstellen, der Konferenz der Kantonsregierungen sowie einem Vertreter der Wirtschaft. Unter der koordinierenden Leitung der Abteilung für Frieden und Menschenrechte des EDA beruft sie die Gründungsversammlung der SMRI ein; konkret erarbeitet sie Statuten, kümmert sich um den künftigen Standort der SMRI und schlägt Mitglieder für den künftigen Vorstand vor.

1. Oktober 2021 – Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen

Mit 142 zu 54 Stimmen (Nationalrat) und mit 38 zu 5 Stimmen (Ständerat) verabschiedet das Parlament in der Schlussabstimmung das Bundesgesetz über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und zum Schutz der Menschenrechte. Die Gesetzesvorlage für die Nationale Menschenrechtsinstitution ist damit unter Dach und Fach.

14. September 2021 – ein Ja zur NMRI

Nach dem Ständerat stimmt auch der Nationalrat der Vorlage über eine nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI) mit 136 zu 52 Stimmen zu. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmung. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz begrüsst den Entscheid, bedauert jedoch, dass sich der Rat gegen einen zukunftsoffenen Aufgabenkatalog entschieden hat und für den Moment keine ausreichende Grundfinanzierung vorgesehen sei.

6. August 2021 – Kritik des UNO-Menschenrechtsausschusses

Der UNO-Menschenrechtsausschuss bezweifelt, dass die geplante Schweizerische Nationale Menschenrechtsinstitution den Pariser Prinzipien genügen wird. In einem Follow-Up-Bericht zur Umsetzung von UNO-Pakt II in der Schweiz kritisiert er das fehlende explizite Mandat zum Schutz der Menschenrechte und die geplante universitäre Angliederung der NMRI. Ausserdem zeigt sich der Ausschuss besorgt darüber, dass die vorgesehene Finanzierung wohl keine unabhängige Funktionsweise der NMRI gewährleisten kann.

25. Juni 2021 – Zustimmung der APK-N

Als vorberatende Kommission des Zweitrats ist die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates mit 19 zu 5 Stimmen auf die Gesetzesvorlage des Bundesrates eingetreten. In Abweichung vom Beschluss des Ständerates hat sie mit 14 zu 10 Stimmen beschlossen, die Aufgaben der nationalen Menschenrechtsinstitution gesetzlich nicht abschliessend aufzulisten. In der Gesamtabstimmung hat sie der Vorlage mit 19 zu 5 Stimmen zugestimmt.

8. Juni 2021 - Der Ständerat will eine NMRI

Der Ständerat nimmt die Gesetzesvorlage des Bundesrates mit 34 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz begrüsst diesen deutlichen Entscheid, bedauert jedoch das bescheidene Mandat, welches der NMRI erteilt wurde. Sie fordert, dass ein offener Aufgabenkatalog im Gesetz verankert wird. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.

16. April 2021 – Annahme der Gesetzesvorlage durch die zuständige Kommission

Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats (APK-S) hat den Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates (SPK-S) zur Kenntnis genommen und teilt deren Ansicht, wonach der Entwurf des Bundesrates keine Überwachungsfunktion der NMRI vorsieht. Die APK-S legt Wert darauf, dass die Kompetenzen dieser Institution nicht zu überdehnen sind, auch im Hinblick auf die Wahrung der kantonalen Zuständigkeiten. Die APK-S ist mit 7 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen auf den Entwurf eingetreten und ergänzte ihn in verschiedenen Punkten, bevor die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 9 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen wurde.

31. März 2021 – Empfehlungen des Europarates

Das Ministerkomitee des Europarats verabschiedet eine Empfehlung an seine Mitgliedstaaten zur Entwicklung und Stärkung einer wirksamen, pluralistischen und unabhängigen nationalen Menschenrechtseinrichtung (NMRI). Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz verfasst dazu ein Factsheet.

29. März 2021 – Beginn des parlamentarischen Verfahrens zur Gesetzesvorlage 

Die Vorberatung der Gesetzesvorlage obliegt der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (APK-S). Die APK-S behandelt das Geschäft am 29. März 2021, tritt aber nicht auf die Vorlage ein: Sie bestellt bei der Staatspolitischen Kommission des Ständerats einen Mitbericht. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz hat zur Frage des Mitberichts der SPK-S, ob die NMRI mit den Kompetenzen der Kantone kompatibel sei, ein Factsheet erstellt.

13. Dezember 2019 – Der Bundesrat verabschiedet die Gesetzesvorlage für eine NMRI

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung eine Botschaft und eine Gesetzesvorlage zur Schaffung einer «Nationalen Menschenrechtsinstitution» (NMRI) verabschiedet. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz begrüsst den bundesrätlichen Vorschlag in weiten Teilen. Der vorgesehene Budgetrahmen von einer Million Franken pro Jahr wird jedoch als ungenügend betrachtet.

August 2018 – Stillstand

Statt wie angekündigt die Vorlage mit einer Botschaft an das Parlament vom Bundesrat verabschieden zu lassen, stellt Bundesrat Cassis das Geschäft zurück. Die Öffentlichkeit erfährt praktisch nichts über die Entwicklung der erneuten Abklärungen zum gesetzlichen Rahmen, zum A-Status oder zu anderen Strukturen (Kommissionsmodell). Das EDA übernimmt die alleinige Federführung.

21. Februar 2018 – Annahme der Empfehlung des UNO-Menschenrechtsrats

Der Bundesrat nimmt die Empfehlungen des UNO-Menschenrechtsrats vom 7. November 2017 zur NMRI an die Schweiz an. Sie fordern die Implementierung einer NMRI unter Berücksichtigung der Pariser Prinzipien.

Nebst Gremien des Europarats und der OSZE forderten auch anderen Menschenrechtsorgane der UNO wiederholt die Schaffung einer NMRI, so der Ausschuss für bürgerliche und politische Rechte CCPR, der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte CESCR, der Ausschuss gegen Folter CAT, der Ausschuss gegen die Diskriminierung der Frau CEDAW, der Ausschuss gegen Rassismus CERD und der Ausschuss für die Rechte des Kindes CRC.

28. Juni 2017 – Eröffnung des Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat schickt den Vorentwurf für ein Gesetz als Grundlage der künftigen NMRI in die Vernehmlassung. Auch der Verein humanrights.ch nimmt Stellung. Die Sammlung aller Stellungnahmen zeigt kein einheitliches Gesamtbild. Einzelne Vernehmlassungsteilnehmer/innen äussern sich ablehnend, es gibt jedoch breite Zustimmung und zahlreiche Forderungen nach einer Schärfung des Profils.

29. Juni 2016 – Grundsatzentscheid des Bundesrates

Der Bundesrat fällt einen Grundsatzentscheid zur Schaffung einer NMRI auf gesetzlicher Grundlage. Er beauftragt die Bundesverwaltung, eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Währenddessen läuft das SKMR weiter.

1. Juli 2015 – Verlängerung des Pilotbetriebs

Der Bundesrat schiebt den fälligen Grundsatzentscheid zur Schaffung einer NMRI hinaus. Alle Optionen sollen erneut geprüft werden. Das bestehende Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte SKMR wird um nochmals maximal fünf Jahre weitergeführt. Ende 2020 wird das SKMR definitiv aufgelöst. Im besten Fall können Know-How und einzelne Arbeitsbereiche in die neue NMRI überführt werden.

23. April 2015 – Schlussbericht zu ersten Pilotphase

Die vom Bund in Auftrag gegebene externe Evaluation des SKMR wird abgeschlossen. Die Bilanz zeigt, dass das SKMR mit beschränkten Mitteln wichtige Beiträge zur Stärkung der Menschenrechtspolitik der Schweiz leisten konnte, jedoch nicht in der Lage war, einen signifikanten Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu leisten. Zudem konnte es sich nicht –  wie in den Pariser Prinzipien vorgesehen – eigenständig strategisch ausrichten und auf aktuelle Entwicklungen reagieren.

7. Juli 2014 – NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz entwickelt Modell

Im Hinblick auf den Abschluss der Pilotphase verabschiedet die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz ein Modell für eine NMRI, das von 84 Organisationen unterstützt wird. Es benennt die Anforderungen, Aufgaben, Kompetenzen und Organisationsstruktur.

6. Mai 2011 – Start der Pilotphase

Nach dem Ausschreibungsverfahren nimmt das Schweizerische Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) den Betrieb einer fünfjährigen Pilotphase auf. Dem SKMR als Dienstleistungszentrum für Bund, Kantone und Private fehlt das zentrale Merkmal einer NMRI, die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit. Der Bund finanziert das SKMR mit maximal einer Million Schweizerfranken pro Jahr.

1. Juli 2009 – Entscheid für ein Universitäres Dienstleistungszentrum

Der Bundesrat entscheidet sich für ein universitäres Dienstleistungszentrum statt für eine unabhängige NMRI. Er lanciert die Ausschreibung. Der Förderverein Menschenrechtsinstitution kommentiert den Entscheid in einer Medienmitteilung.

10. Mai 2008 – Bericht der Arbeitsgruppe des Bundes

Der Bericht der vom Bundesrat eingesetzten Arbeitsgruppe «Nationale Menschenrechtsinstanz» erscheint. Die Idee eines Kompetenzzentrums als Dienstleistungsinstitution steht im Vordergrund.

6. Juni 2006 – Aufruf des Fördervereins Menschenrechtsinstitution Schweiz

Menschenrechtsexperten/innen, NGOs, Vertreter/innen der Wirtschaft und Politiker/innen gründen den «Förderverein Menschenrechtsinstitution Schweiz» und veröffentlicht einen Aufruf zur Schaffung einer NMRI. Er bleibt bis 2010 aktiv und wird dann in die NGO-Arbeitsgruppe Menschenrechtsinstitution integriert. Daraus entsteht 2013 die Arbeitsgruppe NMRI der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz.

September 2005 – Positionspapier der Zivilgesellschaft

Eine Arbeitsgruppe verschiedener Nichtregierungsorganisationen – darunter humanrights.ch – fasst in einem Positionspapier die aus ihrer Sicht wichtigsten Punkte zur Ausgestaltung einer zukünftigen nationalen Menschenrechtsinstitution zusammen. 

12. September 2003 – Grundlagenstudie

Eine Grundlagenstudie zur NMRI in der Schweiz, verfasst im Auftrag der Politischen Abteilung IV des EDA, zeigt die Möglichkeiten zur Schaffung einer NMRI in der Schweiz auf. Die NGO-Arbeitsgruppe Menschenrechtsinstitution nimmt kurz darauf Stellung zur Studie.

3. Oktober 2002 – Postulat «Eidgenössische Kommission für Menschenrechte»

Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates will der parlamentarischen Initiative von Ständerat Eugen David (CVP/SG) keine Folge leisten, überweist jedoch ein Postulat «Eidgenössische Kommission für Menschenrechte» (02.3394).

10. Dezember 2001 – Das Parlament schaltet sich ein

Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi (SP/ZH) (mit über hundert Mitzunterzeichnenden) und Ständerat Eugen David (CVP/SG) reichen in den eidgenössischen Räten je eine parlamentarische Initiative (01.461/01.463) ein, in der sie die Schaffung einer eidgenössischen Kommission für Menschenrechte verlangen.

12. Juli 2001 – Medienkonferenz der Zivilgesellschaft

Über hundert NGOs, Gewerkschaften, kirchliche Institutionen und Persönlichkeiten fordern die Schaffung einer unabhängigen NMRI.

2000 – Diverse NGOs bilden eine Arbeitsgruppe

Eine NGO-Arbeitsgruppe für die Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution in der Schweiz nimmt ihre Arbeit auf.

20. Dezember 1993 – Pariser Prinzipien

Die UNO-Generalversammlung verabschiedet eine Resolution zu NMRI. Darin hält sie die Pariser Prinzipien fest: Diese verlangen als minimale Kriterien für eine NMRI eine gesetzliche Verankerung, ein umfassendes Mandat, eine ausreichende Infrastruktur und Finanzierung, eine garantierte Unabhängigkeit gegenüber der Regierung, eine pluralistische Vertretung der gesellschaftlichen Kräfte sowie eine Zugänglichkeit für besonders verletzliche Gruppen.

25. Juni 1993 – Wiener Erklärung und Aktionsprogramm

Eines der zentralen Ergebnisse der sogenannten Wiener Weltmenschenrechtskonferenz ist die weltweite Schaffung unabhängiger NMRI. Die Schweiz trägt die Erklärung mit.