02.04.2012
Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, hat vom 20. bis 24. Februar 2012 die Schweiz besucht. In Gesprächen mit zwei Bundesräten, mehreren Chefbeamten und Parlamentariern/-innen sowie Vertreter/innen der Zivilgesellschaft hat sich Hammarberg ein Bild über die Menschenrechtssituation in der Schweiz verschafft. In einem Statement zum Abschluss des Besuchs rückte der Menschenrechtskommissar die Ausländerfeindlichkeit in der Politik sowie Lücken im Diskriminierungsschutz ins Zentrum.
Appell an die Politiker/innen
Es brauche entschiedenere Bemühungen, um rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen in der schweizerischen Gesellschaft zu bekämpfen. Diesen Appell richtete Hammarberg mit Blick auf die Abstimmungen zur Minarett- und zur Ausschaffungsinitiative an die politischen Leader.
Ombudsstellen in allen Kantonen
Ausserdem betonte der Menschenrechtskommissar die Notwendigkeit einer Verstärkung des Diskriminierungsschutzes in der Schweiz. Es gebe einen klaren Bedarf für ein neues, umfassendes Gesetz gegen die Diskriminierung in Verbindung mit einem unabhängigen und wirksamen Mechanismus zur Überwachung, Wiedergutmachung und Prävention. Folgerichtig forderte Hammarberg eine Stärkung der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR und der Eidgenössischen Migrationskommission. Ausserdem forderte Hammarberg Ombudsstellen in allen Kantonen.
Schliesslich empfahl Hammarberg der Schweiz, die Europäische Sozialcharta sowie die Behindertenrechtskonvention zu ratifizieren.
Briefwechsel mit Bundesrat Burkhalter
In einem Briefwechsel haben sich Thomas Hammarberg und Bundesrat Didier Burkhalter im März 2012 zu einigen Themen, die der Besuch aufgeworfen hat, ausgetauscht. Am 12. März 2012 hatte der Menschenrechtskommissar einige Punkte seiner Besorgnis konkretisiert. Aussenminister Didier Burkhalter nahm zu diesen Punkten in einem Brief vom 23. März 2012 kurz Stellung. Unter anderem informiert der Bundesrat darüber, dass die Kantone weitere Abklärungen im Zusammenhang mit dem Bericht zur Ratifizierung der Sozialcharta verlangt haben. Dieser Bericht erarbeitet der Bundesrat derzeit im Auftrag des Parlaments. Es ist noch unklar, wann er zuhanden des Parlaments verabschiedet wird.
- Massnahmen gegen Diskriminierung, Schutz der Menschenrechte von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern und institutioneller Rahmen für Menschenrechte
Brief (mit Anhang) von Thomas Hammarberg an Bundesrat Didier Burkhalter (deutsche Übersetzung) - Conclusions de votre visite en Suisse du 20 au 23 fevrier 2012
Brief von Didier Burkhalter an den Menschenrechtskommissar des Europarates, 23. März 2012 (pdf, 3 S.)
Ausnahmsweise kein Bericht
Es gehört zu den Pflichten des Menschenrechtskommissars, allen Mitgliedsländern des Europarats periodisch einen Besuch abzustatten, dessen Ergebnisse in einem Bericht festgehalten werden. Der letzte Besuch in der Schweiz wurde im Jahre 2004 vom Amtsvorgänger Álvaro Gil-Robles durchgeführt und mit einem Bericht im Juni 2005 dokumentiert. Der Besuch von 2012 in der Schweiz hatte ausnahmsweise keinen Bericht, sondern nur den dokumentierten Briefwechsel zur Folge.
Dokumentation
- Schweiz immer noch schwach bei der Bekämpfung von Diskriminierung
Communiqué des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 28. März 2012 - Switzerland: Political leaders should stress that xenophobic propaganda is unacceptable
Communiqué des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 23. Feb. 2012 - Schweiz soll laut Hammarberg stärker gegen Diskriminierung vorgehen
Swissinfo vom 23. Feb. 2012 - «Asylverfahren lassen sich stark verkürzen – ohne die Menschenrechte zu verletzen»
Interview des Schweizer Fernsehehens SF1 mit Thomas Hammarberg vom 23. Feb. 2012