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Ungerechtfertigte Registrierung als Prostituierte

27.06.2012

Urteil Khelili gegen die Schweiz vom 18. Oktober 2011 (Nr. 16188/07)

Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK); Registrierung als Prostituierte in der Datenbank der Polizei

  • Urteil
    auf der Webseite des des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (französisch)

Zusammenfassung des Bundesamtes für Justiz:

«Bei der Beschwerdeführerin wurden 1993 bei einer Polizeikontrolle in Genf Visitenkarten mit der Aufschrift «Nette, hübsche Dame Ende dreißig wartet auf einen Freund, der ab und zu mal ein Glas mit ihr trinkt oder mit ihr ausgeht. Tel. Nr. [...]» vorgefunden. Sie wurde daraufhin von der Polizei als Prostituierte registriert. Die Beschwerdeführerin bestreitet bis heute, der Prostitution nachgegangen zu sein und beklagt sich vor dem Gerichtshof darüber, dass sie bis zum heutigen Tag in der Datenbank der Polizei als Prostituierte geführt werde.

Der Gerichtshof akzeptiert zwar, dass die Aufbewahrung von persönlichen Daten der Beschwerdeführerin die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen und den Schutz der Rechte anderer zum Ziel hatte. Jedoch hatte die Beschwerdeführerin ein erhebliches Interesse an der Löschung der Bezeichnung «Prostituierte», da diese geeignet ist, ihrem guten Ruf zu schaden und ihr Alltagsleben schwieriger zu gestalten. Ferner vermag der Gerichtshof zwischen der Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen eines geringfügigen Delikts (Beleidigung und Telefonterror) und der Aufrechterhaltung der strittigen Maßnahme keinen kausalen Zusammenhang zu erkennen. Die jahrelange Aufrechterhaltung der Bezeichnung «Prostituierte» in der Datenbank der Polizei aufgrund eines Verdachts ist weder mit der Unschuldsvermutung vereinbar noch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig.
Verletzung von Art. 8 EMRK (einstimmig).»