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Klimaseniorinnen: Beschwerde beim Bundesveraltungsgericht

31.05.2017

Am 25. Oktober 2016 hat der Verein KlimaSeniorinnen der Öffentlichkeit die erste Schweizer «Klimaklage» präsentiert und diese beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eingereicht. Die «Klimaklage» wird damit begründet, dass die Anstrengungen des Bundes, der Klimaerwärmung entgegenzuwirken, unzureichend seien. Die erhöhten Temperaturen und Hitzewellen würden die Grundrechte der Bevölkerung im Allgemeinen und im Speziellen der älteren Menschen akut gefährden und könnten bis zum Tod führen. Demensprechend verlangen die KlimasSeniorinnen, dass der Staat seine Schutzpflicht wahrnimmt und sich verstärkt für die Reduktion von Treibhausgasen einsetzt.

In einem ersten Schritt haben die KlimaSeniorinnen im Herbst 2016 ein Gesuch beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eingereicht. Am 25. April 2017 verfügte das UVEK, dass auf das Gesuch der KlimaSeniorinnen nicht eingetreten wird.

Am 23. Mai 2017 haben die KlimaSeniorinnen an einer ausserordentlichen Generalversammlung entschieden, gegen den Entscheid von UVEK beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde einzureichen.

Am 26. Mai 2017 hat eine Delegation der KlimeSeniorinnen ihre Beschwerde persönlich dem Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen übergeben.

Unzureichende Massnahmen gegen die Klimaerwärmung verletzt Grundrechte

Der Verein KlimaSeniorinnen besteht aus 459 Seniorinnen und wurde explizit mit dem Ziel gegründet, die genannte „Klimaklage“ einzureichen. Anlass für das Vorhaben ist die Tatsache, dass in Jahren mit ungewöhnlichen Hitzewellen im Sommer ein starker Zuwachs an hitzebedingten Todesfällen zu verzeichnen ist. Dabei sind speziell ältere Menschen durch die erhöhten Temperaturen gefährdet.

Im Visier der Klage steht die Klimapolitik des Bundes, welche u.a. das Ziel verfolgt, die Klimaerwärmung auf 2°C gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung zu beschränken. Gemäss des Vereins KlimaSeniorinnen ist jedoch die im Schweizer CO2-Gesetz verbriefte Reduktion der Treibhausgase um mindestens 20% bis 2020 nicht ausreichend, um dieses Ziel zu erreichen. Die Reduktion müsse mindestens 25% - 40% betragen.

Das unzulängliche staatliche Handeln in Bezug auf die Klimapolitik und die Reduktion der Treibhausgase verletze das in Art. 10 BV verankerte Recht auf Leben, argumentiert das Rechtsbegehren. Des Weiteren wird eine Verletzung des Nachhaltigkeitsprinzips (Art. 73 BV) sowie des Vorsorgeprinzips (Art. 74 Abs. 2 BV) gerügt. Gestützt auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK machen die KlimaSeniorinnen zudem ihr Recht auf eine allfällige gerichtliche Beurteilung ihres Begehrens sowie das Recht auf Beschwerde geltend.

Die «Klimaklage» könnte bis vor den EGMR gezogen werden

Die «Klimaklage» stellt in ihrer aktuellen Form ein Gesuch (Rechtsbegehren) dar und richtet sich zunächst an die Bundesverwaltung. Im Gesuch wird die Exekutive dazu aufgefordert, verstärkt Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu ergreifen. Da gemäss Einschätzung der Rechtsanwältin des Vereins KlimaSeniorinnen Ursula Brunner die «Klägerinnen» als durch die Klimaerwärmung besonders betroffene Personen gelten würden, seien sie zu dem Gesuch berechtig. Somit sei die Bundesverwaltung zum Erlass einer Verfügung gezwungen, welche vor dem Bundesverwaltungsgericht anfechtbar wäre. Ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts könnte sodann an das Bundesgericht und sogar an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergezogen werden, da sich die KlimaSeniorinnen auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention berufen.

Ablehnender Entscheid des UVEK

Mit einer Verfügung vom 25. April 2017 antwortete das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) auf das Begehren der KlimaSeniorinnen. Gemäss UVEK müssen für das Eintreten auf ein Gesuch gemäss Art.25a VwVG mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Verlangt wird unter anderem die Partei- und Prozessfähigkeit, das Bestehen eines schutzwürdigen Interessens, das Betroffen-sein von einer Handlung, die sich auf das öffentliche Recht des Bundes stützt und dass die handelnde Behörde eine Bundesverwaltungsbehörde ist. Weiter zu beachten ist der Grundsatz der Subsidiarität und dass es sich um einen Realakt handeln muss, welcher Rechte und Pflichten berührt.

Die Voraussetzung von Art.25 VwVG eines Realaktes, welcher Rechte und Pflichten berührt, wird vom UVEK als nicht erfüllt erachtet. Denn dazu müsste ein Eingriff in die persönliche Rechtssphäre der betroffenen Person vorliegen, was vom UVEK verneint wird. In diesem Zusammenhang erwähnt das UVEK den Bezug auf die Rechtsweggarantie von Art.29 BV, zu deren Verwirklichung Art.25 VwVG beiträgt. Die Rechtsweggarantie gewährt eine gerichtliche Beurteilung bei Rechtsstreitigkeiten. Eine Rechtsstreitigkeit liegt vor, wenn eine individuelle, schützenswerte Rechtsposition in Frage steht.

Die KlimaSeniorinnen verlangen in ihrem Begehren, dass das UVEK rechtssetzende Erlasse für die Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen erarbeitet. Diese Handlung entspricht laut der ablehnenden Begründung weder einer individuell-konkreten Verfügung noch einer generell-konkreten Allgemeinverfügung. Da laut dem Begehren generell Kohlendioxid-Emissionen in der Atmosphäre vermindert werden sollen und dies weltweit geschehen soll, zielt das Rechtsbegehren auf den Erlass generell-abstrakter Regelungen ab. Damit sei keine individuelle Rechtsposition betroffen.

Blick auf die EMRK

Das UVEK erläutert weiter das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Gemäss Art.13 der EMRK besteht für Personen, die in ihren durch die EMRK gewährten Rechten oder Freiheiten verletzt wurden, ein Individualbeschwerderecht. Überprüft wird ein konkretes staatliches Verhalten in Bezug auf eine individuelle Person. Eine Voraussetzung dieses Beschwerderechts ist die Eigenschaft als Opfer einer EMRK Verletzung, welche dann erfüllt ist, wenn eine hinreichend direkte Verbindung zwischen dem Beschwerdeführer/-in und dem eingetretenen Nachteil besteht. Vom Beschwerderecht ausgeschlossen werden Personen, die ein öffentliches Interesse verfolgen. Beschwerden, die im Namen einer unbestimmten Vielzahl von Personen gegen ein Gesetz oder eine Politik erhoben werden, seien mit Berufung auf EMRK Garantien nicht wirksam, lautet das Fazit des UVEK.

Ähnliche Fälle weltweit

In verschiedenen Ländern weltweit ist es zu ähnlichen Klagen im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung gekommen. In Holland z.B. hat eine Stiftung namens Urgenda gegen den Staat geklagt und in erster Instanz Recht bekommen. Das Gericht hat sodann vom Staat gefordert, bis 2020 die CO2-Imissionen stärker einzudämmen: Ursprünglich angesetzt war eine Reduktion von 17% gegenüber 1990; neu verlangt das Gericht eine Eindämmung von 25% – 40 %. Jedoch hat der niederländische Staat Berufung eingelegt. Weitere Aktionen der Zivilbevölkerung zum Schutz der Grundrechte vor klimaschädlichen Handlungen oder Unterlassungen finden in Belgien (Klimaatzaak), den USA (Our Children’s Trust), in Norwegen und in den Philippinen statt.