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In Kinderarbeit gebrochene Steine in der Schweiz

01.09.2008

Granit aus Indien, China, Brasilien - das hört sich für ein steinreiches Land wie die Schweiz seltsam an, ist jedoch Realität in vielen Städten und in privaten Haushalten der Schweiz. Immer häufiger werden Steine aus diesen Ländern auf Schweizer Strassen, Plätzen, Friedhöfen und im privaten Bereich etwa in Küchen eingesetzt, da sie trotz der enormen Transportstrecken billiger sind als einheimische Produkte. Verschwiegen werden dabei die Umstände, unter denen diese Steine gebrochen werden: In Indien zum Beispiel wird ein grosser Teil dieser unglaublich harten und gefährlichen Arbeit von Kindern verrichtet. In vielen Fällen werden ganze Familien in den Steinbrüchen wie Leibeigene gehalten. Oft hatten sie sich vorher von den Besitzern Geld geliehen und müssen dafür nun ihr Leben lang unter härtesten Bedingungen arbeiten. Viele der dort arbeitenden Kinder sind schwerhörig, weil sie täglich mit schweren Presslufthammern, die sie oft zu zweit oder zu dritt halten müssen, zu tun haben. Die Lebenserwartungen sind gering, der Staub zerstört die Lungen der Kinder und Unfälle sind an der Tagesordnung.

Deutsches Label Xertifix 

In Deutschland existiert bereits seit mehreren Jahren ein Label, das Steine garantiert, die frei sind von Kinder- und Sklavenarbeit. Auch Schweizer Importeure können sich an das Label Xertifx wenden, wenn sie wissen möchten, woher die von ihnen importierten Steine stammen. Seit 2006 kontrolliert Xertifix Granitsteinbrüche in Indien und überprüfen sie auf Kinderarbeit. Im Parlament wurde von der SP-Nationalrätin Barbara Marty im Dezember 2006 eine Motion eingereicht, in der ein entsprechendes Label für die Schweiz gefordert wird. Sie wurde vom Bundesrat zur Ablehnung vorgeschlagen. Er befürchtet, dass durch ein solches Label neue Handelshemmnisse mit der EG entstehen würden. Die Motion ist von den Eidgenössischen Räten bisher noch nicht behandelt worden.

Arbeiterhilfswerk nimmt Gemeinden, Kantone und Bund in die Pflicht

Offenbar fehlte es bisher am politischen Willen das Problem rasch anzugehen. Deshalb lancierte das Schweizerische Arbeiterhilfswerks (SAH) im Mai 2008 die Kampagne Kehrseite. «Keine Ausbeutung mit unseren Steuergeldern» lautet der Slogan der Kampagne, mit welcher das SAH an Bund, Kantone und Gemeinden appelliert, nur noch fair produzierte Güter einzukaufen. Nicht nur ein möglichst tiefer Preis dürfe ausschlaggebend sein für den Einkauf eines Produkts, fordert das SAH. Gerade die öffentliche Hand müsse darauf achten, dass die Güter auch unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurden. Die eigens für die Kampagne eingerichtete Website kehrseite.ch bietet im übrigen vielfältige Informationen, einen Leitfaden und die Möglichkeit, die Forderungen der Kampagne zu unterzeichnen.

Mittlerweile haben sich bereits einige Gemeinden und Kantone verpflichtet, zukünftig nur noch Materialien aus fairen Produktionsbedingungen zu kaufen, darunter auch der Kanton Bern. Von den Jungsozialisten und der SP wurde eine Motion dazu ausgearbeitet, die Ende 2008 vom Kantonsrat angenommen wurde. 

  • Faire Beschaffung in der Schweiz (online nicht mehr verfügbar)
    Landkarte mit allen Gemeinden und Kantonen, die sich für diese Kampagne engagieren

Schweizer Händler reagieren nicht

Unterdessen haben verschiedene Medien das Thema aufgenommen und bereits mehrmals auf den Import von Steinen, die durch Kinderhand gebrochen wurden, hingewiesen. Zu erwähnen ist etwa ein Beitrag der «Rundschau» von SF DRS, der Anfang Mai 2008 am Beispiel der Gemeinde Uitikon-Waldegg im Kanton Zürich zeigte, wie in Schweizer Gemeinden mit billigen Exporten Geld gespart wird. Die erwähnte Gemeinde liess einen Platz mit Steinen bepflastern, die asiatische Kinder in Steinbrüchen gemeisselt hatten.

Das Problem besteht allerdings bei weitem nicht nur im Bereich der öffentlichen Beschaffung. Wie der «Kassensturz» bereits mehrmals berichtete, werden Steine aus den Problemländern auch im Küchenbau verarbeitet. Im August 2008 zeigte die Konsumentensendung, dass Schweizer Händler nicht gewillt sind, gegen die Kinderarbeit vorzugehen und sich dem Label Xertifix anzuschliessen. Die Sendung wies darauf hin, dass auch zwei Jahre nach der ersten Sendung über das Thema, Schweizer Küchenbauer immer noch tonnenweise Granit aus Indien und andern Problemländern importieren und an Private weiter verkaufen. Die Küchenbauer, Steinhändler und Produzenten könnten weiterhin nicht ausschliessen, dass sie Granit aus Steinbrüchen verkaufen, in denen Kinder arbeiten, lautete das Fazit der Kassensturz-Sendung.