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Empfehlungen des UNO-Ausschusses gegen Rassismus von 2008

15.08.2008

Am 8. und 11. August 2008 hat der UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung (CERD) den vierten, fünften und sechsten Bericht der Schweiz zur UNO-Antirassismuskonvention behandelt. In seinen abschliessenden Empfehlungen vom 15. August 2008 formuliert der Ausschuss zahlreiche kritische Anregungen an die Schweiz. Diese sind teilweise mit den Ratschlägen identisch, welche der Ausschuss bereits vor sechs Jahren in seiner letzten Stellungnahme zur Schweiz geäussert hatte. 

Die Concluding Observations enthalten unter anderem folgende Empfehlungen:

  • Verstärkung der Sensibilisierungsarbeit des Bundes
  • Wahrnehmung der Verantwortung des Bundes zur Umsetzung der Antirassismus-Konvention in den Kantonen und Gemeinden
  • Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit; Aufstockung der finanziellen Mittel
  • Stärkung der Eidg. Kommission gegen Rassismus und Schaffung einer unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution
  • Einführung einer rechtlich verbindlichen Definition von rassistischer Diskriminierung
  • Berichterstattung zur Umsetzung der Konvention in den Kantonen
  • Verbot von rassistischen Organisationen
  • Anpassung der Ausländer- und Asylgesetze an die Standards der Konvention
  • Gewährleistung der sozialen und kulturellen Rechte der Fahrenden in der Schweiz

Anhörung der Schweizer Delegation in Genf

Bei Gelegenheit der Anhörung der Schweizer Delegation am 11. Aug. 2008 in Genf betonte der US-Amerikaner Pierre-Richard Prosper als Berichterstatter des Ausschusses, der Bundesrat müsse die Führung übernehmen, um eine Änderung der Einstellung zum Thema Rassismus in der Bevölkerung und bei den Kantonen zu erreichen. Zuvor hatte er festgehalten, dass die Schweiz jedes Mal, wenn der Ausschuss etwas erwähne, was der UNO-Konvention widerspreche, darauf hinweise, dass die Bevölkerung dies so wolle. Dann müsse der Bundesrat den Ton angeben und darauf hinwirken, dass sich dies ändere, forderte Prosper. In seinen ersten Schlussfolgerungen sagte er weiter, die Schweiz habe seit 2002 insbesondere im Bereich Strafrecht und Ausbildung von Polizisten Fortschritte gemacht, könnte aber insgesamt noch besser sein.

Kritisch bleibt auch das Urteil der NGO-Koalition nach der Befragung der Schweiz in Genf. Christina Hausammann, Co-Geschäftsleiterin von Humanrights.ch/MERS, die in Genf anwesend war, ortet nur in wenigen Bereichen tatsächliche Fortschritte. Die meisten der früheren Empfehlungen des CERD seien von den Schweizer Behörden nicht befolgt worden. Als positiv erwähnte sie etwa die Diskussion über Integrationsmassnahmen und die Einberufung von kantonalen Integrationsbeauftragten. Demgegenüber bemängelte sie, dass die Schweiz über keine effektiven Instrumente oder Strukturen verfüge, welche die Umsetzung der Antirassismuskonvention sichern. Bedauerlich sei auch das Fehlen einer adäquaten Anti-Diskriminierungsgesetzgebung.

NGO-Schattenbericht: Zahlreiche Mängel in der Umsetzung

Zum Überprüfungsverfahren liegt neben dem offiziellen Bericht der Schweiz ein sogenannter «Schattenbericht» einer NGO-Koaliton vor. Ausserdem hat sich die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) mit einer Stellungnahme zuhanden des Ausschusses am Berichtsverfahren beteiligt.  

Der NGO-Schattenbericht von 2008 wurde von Christina Hausammann (Humanrights.ch / MERS) und Ruedi Tobler (Schweizer Friedensrat) koordiniert. Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Empfehlungen des Ausschusses von 2002 bis heute nur mangelhaft oder gar nicht umgesetzt wurden. Die Mängelliste umfasst folgende Punkte:

  • Es fehlen immer noch effiziente Instrumente, welche es erlauben würden, die Umsetzung der Antirassismuskonvention auf allen Ebenen der föderalistischen Schweiz – Bund, Kantone und Gemeinden – nachhaltig und rechtsgleich zu sichern.
  • Die Datenlage lässt kaum abschliessende Beurteilungen über das Ausmass des Rassismus beziehungsweise der rassistischen Diskriminierung in der Schweiz zu.
  • Das Ausmass der feindlichen Stimmung insbesondere gegenüber Schwarzen, Muslimen, Personen aus Südosteuropa und Asylbewerbern hat sich nicht vermindert, sondern ist im Gegenteil grösser geworden. Trotz gegenteiliger Beteuerungen sind die Mittel zur Bekämpfung rassistischer Haltungen und Handlungen auf Bundesebene gekürzt worden. Es fehlt ein flächendeckendes Angebot an Anlauf- und Beratungsstellen und die bestehenden Stellen erhalten zum Teil aus Spargründen weniger Unterstützung.
  • Die Schweiz verbreitet ein nicht den Tatsachen entsprechendes Bild ihrer Beziehungen zum Apartheidsregime in Südafrika.
  • Obwohl das öffentliche Bildungswesen keine formellen rassistischen oder diskriminierenden Bestimmungen mehr kennt, entfaltet es – insbesondere durch die frühe Selektion und durch das ausgebaute Sonderschulwesen – in der überwiegenden Anzahl der Kantone eine diskriminierende Wirkung, welche sich an den schlechteren Bildungsschancen und schliesslich an der Jugendarbeitslosigkeit fremdsprachiger und ausländischer Kinder ablesen lässt.
  • Die Polizeigewalt – insbesondere gegen Schwarze und Asylsuchende – gibt immer noch Anlass zu grösster Besorgnis. Es werden keine unabhängigen Ermittlungen im Falle von Polizeigewalt gewährleistet. Klagen gegen die Polizei werden statistisch nicht erfasst.
  • Problematisch ist die Situation für Personen, welche sich in Ausschaffungshaft befinden. Sie sind rassistischen Übergriffen weitgehend schutzlos ausgeliefert. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass Jugendliche im Durchschnitt länger in Ausschaffungshaft festgehalten werden als Erwachsene und dass sie während dieser Zeit keine besondere Betreuung erhalten.
  • Das Mandat der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus wurde nicht ausgebaut und die Forderung nach einer Schweizerischen Menschenrechtsinstitution nicht erfüllt.
  • Personen ausländischer Staatsangehörigkeit sehen sich, sofern sie aus nicht-EU-Staaten stammen, verschiedenen Hindernissen gegenüber. So ist zum Beispiel das Recht auf Ehe und Familie für sie aufgrund verschiedener Massnahmen zur Missbrauchbekämpfung zunehmend schwieriger einzulösen.
  • Die Situation der Jenischen, Sinti und Romas hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert, sondern, was zum Beispiel die Frage der räumlichen Ressourcen betrifft, eher noch verschlechtert. Besondere Sorge bereitet die zunehmende Schürung von Vorurteilen und Hass gegenüber der Bevölkerungsgruppe der Roma im Zusammenhang mit der Ausweitung der Bilateralen Freizügigkeitsabkommen mit der EU (Bulgarien und Rumänien).
  • Es wurden keine Massnahmen ergriffen, um die rassistische Diskriminierung im Privatsektor effektiver bekämpfen zu können, wie dies der Ausschuss bereits 1998 empfahl. Die Forderung nach Schaffung eines allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes ist hängig.
  • Zu besonderer Besorgnis Anlass gibt die Tatsache, dass die Schweiz kein Vorgehen vorsieht, wie die Empfehlungen des Ausschusses wie auch anderer internationaler Gremien geprüft und umgesetzt werden sollen.
  • Und einen Punkt hat die Schweiz tatsächlich erfüllt; sie hat 2003 das Individualbeschwerderecht gemäss Antirassismuskonvention anerkannt.

Die NGO weisen darauf hin, dass sowohl der UNO-Sonderberichterstatter über zeitgenössische Formen des Rassismus, Doudou Diène und der Menschenrechtskommissar des Europarates, Alvaro Giles-Robles, welche die Schweiz 2006 beziehungsweise 2004 besuchten, als auch die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) in ihrem Dritten Bericht über die Schweiz vom 27. Juni 2003 zu ähnlichen Einschätzungen gekommen sind. Und auch im Periodischen Überprüfungsverfahren des Menschenrechtsrates wurde der Umgang mit Migranten/-innen in Frage gestellt und insbesondere Vorfälle und Tendenzen im Bereich der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus angesprochen.

Dokumente 

Ausgewählte Medienberichterstattung 

Hintergrundsinformationen

Zum Schweizer Staatenbericht

Weitere Informationen

Die Schweiz vor dem UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung

(Artikel vom 20.05.2002)

Am 4. und 5. März 2002 wurden die Nachfolgeberichte der Schweiz über die
Umsetzung des Internationalen Übereinkommens von 1965 zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung vom UNO-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung begutachtet. Eine Delegation aus Vertretern der Bundesverwaltung, der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus sowie kantonaler Behörden haben den Bericht in Genf präsentiert und Fragen der Ausschussmitglieder beantwortet.