01.10.2008
Das Pilotprojekt «smart selection» vom Kaufmännischen Verband Schweiz (KV) ist nach einem Jahr erfolgreich abgeschlossen worden. Die Resultate zeigen: Wenn die Bewerbungsdaten der Jugendlichen anonym sind, hat die Herkunft keinen Einfluss auf die Erfolgschancen. Dementsprechend kommt der KV in einer Medienmitteilung zum Schluss, dass anonymisierte Bewerbungen geeignet sind, allen Jugendlichen faire Chancen für den Zugang zu Lehrstellen zu bieten. Denn unter diesen Bedingungen seien Motivation und Kompetenzen ausschlaggebend.
Beide Seiten profitieren
Auch die Lehrbetriebe, die am Projekt teilgenommen haben, zeigen sich laut dem KV zufrieden mit den Erfahrungen. Das Bewerbungsverfahren konnte dank der Internetplattform schneller und objektiver durchgeführt werden. Viele dieser Betriebe werden das Online-Instrument auch zukünftig nutzen. Der KV fordert die Kantone nun dazu auf, anonymisierte Bewerbungsprofile in bereits bestehende Online-Lehrstellennachweise zu integrieren.
Auf der Website www.we-are-ready.ch können von Schulabgängern/-innen anonyme Online-Bewerbungsprofile ausgefüllt werden. Auch die registrierten Lehrbetriebe schalten ihr Profil dort auf. Ausserdem gibt die Plattform Klassenlehrpersonen die Gelegenheit, ihre Schülerinnen und Schüler zu begleiten und den Stand der Bewerbungsverfahren zu verfolgen. Daneben enthält die Seite viele Informationen rund um die verschiedenen Berufe.
Diskriminierung wissenschaftlich belegt
Mehrere Studien haben belegt, dass ausländische Jugendliche bei Bewerbungsverfahren diskriminiert werden. Unabhängig von ihren schulischen Leistungen haben sie Mühe, nach der obligatorischen Schulzeit einen Ausbildungsplatz zu finden. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Mit der Lancierung von «smart selection» konnte nun ein Instrument geschaffen werden, das zumindest einige Faktoren der Benachteiligung ausmerzt.
Seit November 2008 können interessierte Lehrbetriebe auf der Website zukunftstattherkunft.ch wichtige Informationen zu fairen Auswahlverfahren finden.
Weitere Informationen
- Schlussbericht zum Projekt (online nicht mehr verfügbar)
Präsentation der Ergebnisse und Hintergründe der Studie - Mehr Chancengleichheit dank anonymer Lehrstellenbewerbung (pdf, 1 S.) (online nicht mehr verfügbar)
Medienmitteilung des KV, 29. September 2008 - we-are-ready.ch
Website für interessierte Jugendliche - Sinnvolle Massnahme des Kaufmännischen Verbands Schweiz gegen Ausgrenzung von Lehrstellensuchenden (pdf, 1 S.)
Medienmitteilung der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, 18. Oktober 2007 - zukunftstattherkunft.ch
Informationen zu fairen Auswahlverfahren für Lehrbetriebe, bereitgestellt vom KV und von Travail Suisse (Gewerkschaftsdachverband)
Thema im Parlament
Im Übrigen hat sich dank einer Interpellation von Anita Fetz (SP, BS) Ende Mai 2007 auch der Bundesrat zum Thema geäussert. In ihrer Antwort auf die Eingabe schrieb die Regierung, sie halte gesetzliche Vorschriften zuhanden der Arbeitgeber in dieser Sache nicht für die geeignete Reaktion. In der Folge kam es im Ständerat zu einer kurzen Diskussion, in der sich die Beteiligten einig waren, dass Aktionen mit anonymisierten Bewerbungen ein sinnvoller Weg zur Sensibilisierung sind.
- Verhinderung von Diskriminierung von Jugendlichen mit ausländischen Namen auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt
(07.3265 - Interpellation von Anita Fetz) Dokumentation auf der Website der Parlamentsdienste, mit Links zum Wortprotokoll der erwähnten Sitzung
Genfer Projekt
Im Sommer 2006 hatten in Genf drei Unternehmen im Rahmen eines ersten Pilotprojekts des Genfer Integrationsbeauftragten Bewerbungen mit anonymisierten Lebensläufen entgegengenommen. Die Erfahrungen nach dem dreimonatigen Versuch wiesen daraufhin, dass Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht und Alter der Kandidaten häufiger sind, als aufgrund der Nationalität. Allerdings birgt diese Interpretation der Resultate einige Probleme, wie etwa der Beobachter schreibt. Die Zeitschrift kritisiert, der Versuch sei aufgrund der geringen Anzahl von ausgeschriebenen Stellen wenig repräsentativ.
Die Genfer Unternehmer haben sich leider entschieden, nicht weiter mit anonymisierten Lebensläufen zu arbeiten. Gemäss den Beteiligten ist es jedoch dank dem Versuch gelungen, die Arbeitgeber für das Problem der Diskriminierungen zu sensibilisieren.
- Keine anonymisierten Lebensläufe nach Test in Genf
Swissinfo, 22. August 2006 - Dank Zensur zum neuen Job
Die Wochenzeitung, 31. August 2006 - Trois entreprises à Genève testent le curriculum anonyme
Ausführlichere Informationen dazu auf unserer franz. Website