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Die Grenzen der Privatisierung von Sicherheitsaufgaben in der Schweiz

26.01.2017

Immer mehr schweizerische Gemeinden beauftragen private Sicherheitsunternehmen mit sicherheitspolizeilichen Aufgaben und mit der Wahrung von Ruhe und Ordnung. Doch welche Tätigkeiten dürfen die Angestellten von privaten Sicherheitsfirmen im Auftrag von Gemeinden überhaupt ausüben und welche nicht? Und was ist ihr Handlungsspielraum, wenn sie von privater Seite wie z.B. Hauseigentümern oder Firmen beauftragt wurden?

Oft wissen Betroffene nicht, was eine private Sicherheitskraft darf und welche Kompetenzen der Polizei vorbehalten sind. Diese Ungewissheit betrifft insbesondere auch grundrechtsrelevante Situationen wie Anhaltungen und Durchsuchungen. Die Rechtssicherheit, d.h. die klare, einfache und voraussehbare Regelung rechtlicher Verhältnisse, ist in einem Rechtsstaat aber von eminenter Bedeutung. Ohne Rechtssicherheit gibt es kein Vertrauen der Bürger/innen in die Rechtsordnung.

Das Fehlen von schweizweiten Minimalstandards für  private Sicherheitsfirmen, welche gewisse Eckpunkte wie die Bewilligung für den Betrieb von Sicherheitsfirmen, die Ausbildung von Sicherheitspersonal sowie die Befugnisse der unterschiedlichen Akteure regeln, schwächt die Rechtssicherheit in der Schweiz empfindlich.

Fakten und Zahlen zu privaten Sicherheitsfirmen

Heute gibt es in der Schweiz mehr als 800 private Sicherheitsfirmen mit total über 20‘000 Angestellten. Somit gibt es aktuell mehr private Sicherheitskräfte als Polizisten/-innen (ca. 18’000).

Die berühmteste und grösste Sicherheitsfirma ist die Securitas AG. Nebst weiteren bekannten Firmen wie der Certas und der Protectas existieren zahlreiche Klein- bzw. Kleinstunternehmen. In der heutigen Zeit werden knapp 40% aller Sicherheitsaufgaben von Privaten übernommen. Mehr als die Hälfte ihrer Mandate betreffen die Bewachung von privaten Gebäuden und Arealen. Des Weiteren werden private Sicherheitsdienste für die Gewährleistung der Sicherheit bei Sportveranstaltungen oder im öffentlichen Raum, für den Transport von Bargeld, den Personenschutz sowie die Sicherheitsberatung und -planung eingesetzt. Sogenannte «private Ermittlungsdienste» können zudem zur Durchführung von verdeckten Ermittlungen und Observationen und zur Unterstützung von Aufklärung und Beweismittelbeschaffung angeheuert werden. Vermehrt werden Private auch mit sensiblen Bereichen wie dem Transport von Häftlingen sowie mit Ausschaffungen von abgewiesenen Asylsuchenden beauftragt.

Die Inanspruchnahme privater Sicherheitsfirmen für öffentliche Veranstaltungen

Der Einsatz privater Sicherheitsfirmen im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen im halböffentlichen Raum, beispielsweise an Grossanlässen in Sportstadien, betrifft privatrechtliche Mandate und nicht die Auslagerung von öffentlichen Aufgaben. Die Kompetenzen der privat beauftragten Sicherheitsleute ergeben sich aus dem Hausrecht und den Jedermannsrechten (Notwehr, Nothilfe) und sind klar von polizeilichen Kompetenzen und Aufgaben abzugrenzen. Die Abgrenzung ist insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Grundrechtsbindung von Bedeutung.

Zwangsmassnahmen bei Sportveranstaltungen

Das Hausrecht steht jedem Eigentümer zu und ermächtigt ihn, fehlbaren Personen den Zutritt zu verweigern. Durch die Beauftragung eines privaten Sicherheitsdienstes wird dieses Hausrecht an einen Dritten übertragen. Der Dritte darf somit nicht mehr als jede andere Privatperson. Beispielsweise das Abtasten und die Durchsuchung von Personen und Gegenständen sind nicht gestattet und sind aufgrund des Gewaltmonopols von der Polizei vorzunehmen. Um die Sicherheit in Sportstadien zu gewährleisten, sind solche Massnahmen jedoch erforderlich.

In der Praxis wird dies so gelöst, dass jeder Besucher zu einer Veranstaltung seine Einwilligung für solche Massnahmen gibt. Den meisten Besuchern ist dies nicht bewusst, doch wer sich achtet, findet auf der Rückseite jedes Tickets die kleingedruckte Information bezüglich dieser Einwilligung, welche mit dem Kauf erteilt wird.

Grenzen der freiwilligen Unterwerfung

Gemäss Bericht des Bundesrats zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen sind jedoch nicht alle vertraglichen Einwilligungen in Sicherheitsmassnahmen zulässig: Während Eingangskontrollen, Durchsuchungen und Aufnahme von Personalien zulässig sind, sind erkennungsdienstliche Massnahmen (also die Erfassung von weitergehenden personenbezogenen Daten) unzulässig. Auch die Intimkontrolle ist gemäss Art. 3b Abs. 1 des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen ausdrücklich Polizeibeamten/-innen vorbehalten.

Private Sicherheitsfirmen sind in diesem Kontext nicht direkt an Grund- und Menschenrechte gebunden. Den Staat trifft allerdings gemäss Art. 35 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) eine allgemeine Verpflichtung dafür zu sorgen, «dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden». Nebst den bereits erlassenen straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen sollte der Staat dieser Schutzpflicht mit der Regulierung des Sicherheitsgewerbes durch die Einführung von Minimalstandards nachkommen (vgl. dazu unten)

Bewaffnung und Waffengebrauch

Private Sicherheitsleute sind bei ihrer Arbeit teilweise nicht nur mit Pfeffersprays ausgerüstet und führen Hunde mit, sondern tragen u.U. auch Schusswaffen oder Schlagstöcke (also Waffen im Sinne des Waffengesetzes) auf sich. In der Schweiz herkömmliche Pfeffersprays gelten nicht als Waffen im Sinne des Waffengesetzes (WG) (vgl. Art. Art. 4 Abs. 1 Bst. b WG). Gemäss Art. 27 des Waffengesetzes (WG) benötigt jeder, der an öffentlich zugänglichen Orten eine Waffe tragen oder transportieren will, eine Waffentragbewilligung. Für private Sicherheitsleute gelten keine Ausnahmeregelungen; auch sie benötigen einen Waffenschein.

Art. 14 KÜPS sieht denn auch vor, dass Waffen nur für den Schutzdienst für Personen und Güter mit erhöhter Gefährdung sowie für Sicherheitstransporte von Personen, Gütern und Wertsachen getragen werden dürfen. Zudem verweist Art. 14 KÜPS auf die Bestimmungen des Waffenrechts des Bundes und der Kantone.

Die Sendung Kassensturz deckte im Frühjahr 2015 auf, dass das Sicherheitsunternehmen Protectas in Botschaften Bewaffnete ohne Waffentragschein einsetzte. Zwar liegt damit kein Verstoss gegen die Schweizer Waffengesetzgebung vor, da auf Grundstücken von Botschaften ausländisches Recht gilt. Die Mitarbeiter mussten die Waffen jedoch jeweils zum Arbeitsort transportieren. Als Reaktion auf den Beitrag hat Protectas versichert, künftig nur noch Personen mit Waffentragschein für diese Aufgaben einzusetzen und die Waffen in der jeweiligen Botschaft zu lagern.

Die Auslagerung von polizeilichen Aufgaben

Im modernen Rechtsstaat steht Gewaltausübung grundsätzlich nur dem Staat zu. Der Staat darf seine Gesetze also notfalls mit Zwang durchsetzen und Verstösse dagegen mit Strafandrohungen belegen. Selbstjustiz durch Individuen (Faustrecht) ist hingegen verboten. Der Hauptzweck des staatlichen Gewaltmonopols ist die Sicherung der Staatsordnung und des friedlichen Zusammenlebens.

Von Auslagerung spricht man, wenn der Staat ausserhalb der Verwaltung stehende Dritte/Private mit der Erfüllung an sich staatlicher Aufgaben betraut. Grund für die Zunahme von Auslagerungen sind das gesteigerte Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung sowie der aus den Sparmassnahmen folgende Finanzdruck der öffentlichen Hand. Weil der Staat hier mittels einer privaten Organisation im Rahmen einer staatlichen Aufgabe tätig wird, werden die Handlungen der beauftragten privaten Sicherheitsfirma unmittelbar dem Staat zugerechnet. Die Unternehmen sind gemäss Art. 35 Abs. 2 BV direkt an die Grundrechte gebunden. Oder anders gesagt: Der Staat behält in Bezug auf die Grund- und Menschenrechte die Gewährleistungspflicht, auch wenn er Sicherheitsaufgaben an Private überträgt.

Die verantwortliche staatliche Behörde muss aufgrund ihrer Gewährleistungspflicht sicherstellen, dass die von ihr Beauftragten fähig und dementsprechend ausgebildet sind, diese Aufgabe auszuführen und dass dies auch verfassungs- und gesetzeskonform tun. Des Weiteren sind eine angemessene Aufsicht und demokratische Kontrolle, Verfahrensgarantien und Rechtsschutz sowie die Staatshaftung von Bedeutung.

Grundsätzlich gilt, dass für die Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private umso weniger Spielraum besteht, je intensiver der Eingriff in die Rechtsgüter von Menschen ist. Die Anforderungen an die Qualität der ausführenden Organe und an die staatliche Kontrolle sind besonders hoch, wenn Zwangsmittel angewendet werden oder den Privaten ein erhebliches Ermessen bei der Aufgabenerfüllung zukommt.

Welche Polizeiaufgbaben sind übertragbar?

Zu den problemlos übertragbaren Aufgaben zählen rein präventive Polizeiaufgaben wie beispielsweise die Beratung über Einbruchschutz. Ebenfalls darunter fallen Personen- und Objektschutz sowie Einsätze von Erfüllungsgehilfen etwa zur Ausstellung von Parkbussen.

Die staatlichen Kernaufgaben (sog. «genuine Staatsaufgaben»), zu welchen die Sicherung des inneren Friedens gehört, dürfen hingegen nicht an Private delegiert werden. Hierzu gehören polizeiliche Massnahmen mit Zwangscharakter wie das Durchsuchen von Personen und Räumen, das Anhalten und die Personenkontrolle, die Wegweisung, Bestrafungen, erkennungsdienstliche Massnahmen sowie Befragungen oder Gewahrsam.

Problematische Bereiche

Aus grundrechtlicher Sicht problematisch ist in dieser Hinsicht etwa der Transport von Häftlingen durch private Sicherheitsfirmen. Die SBB und die Securitas AG bilden gemeinsam eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE), welche im staatlichen Auftrag Gefangenentransporte durchführt (sog. «Jail-Trains»). Hier besteht ein Konflikt zwischen dem Verbot Privater, Zwang anzuwenden, und der Gewährleistung der Sicherheit im Fall einer Eskalation. Im entsprechenden Rahmenvertrag ist geregelt, dass die Securitas-Wächter unbewaffnet sind (Ziff. 13). Zur Selbstverteidigung sind sie jedoch mit Pfefferspray ausgerüstet. Gefangene mit Gefährdungspotential werden grundsätzlich nicht von der ARGE transportiert (Ziff. 6 des Rahmenvertrags). In der Praxis werden die Securitas-Mitarbeiter beim Ein- und Aussteigen von Polizisten begleitet, bis sich der Häftling in der Zelle befindet; der eigentliche Transport erfolgt dann einzig in Begleitung zweier Securitas-Angestellter.

Problematisch wäre es ebenfalls, Gefängnisse durch Private betreiben zu lassen. Gemäss Art. 387 Abs. 4 lit. b des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) könnte der Bundesrat versuchsweise und für eine beschränkte Zeit die U-Haft und den Strafvollzug an Private übertragen. Von dieser Möglichkeit wurde in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern, wie etwa den USA, jedoch bisher kein Gebrauch gemacht.

Bieler Regionalgericht: «Ausweiskontrollen durch Private sind unzulässig»

Das Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen (KÜPS) (siehe dazu weiter unten) z.B. sieht zwar in Art. 13 Abs. 3 lit. a vor, dass sich die Uniformen der privaten Sicherheitskräfte von denjenigen der Kantonspolizei deutlich unterscheiden müssen. In der Realität tragen Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen aber oft polizeiähnliche Uniformen. Für einen Laien ist demnach häufig nicht auf Anhieb erkennbar, ob er es mit einem Polizisten oder einem Angestellten eines privaten Sicherheitsdienstes zu tun hat. Diese Verwechslungsgefahr ist umso fataler, als es immer mehr Gemeinden gibt, welche sicherheitsrelevante Aufgaben an private Dienstleister auslagern.

Dass private Sicherheitsfirmen oft im Graubereich agieren, zeigt ein Fall aus Aarberg, über den die Schweizer Medien berichtet hatten. Mitte August 2016 hatte das Bieler Regionalgericht darüber zu entscheiden, ob die Ausweiskontrolle und die damit verbundene Androhung der Wegweisung durch einen privaten Sicherheitsmitarbeiter der Broncos eine Amtsanmassung (Art. 287 StGB) darstelle.

Ausweiskontrolle und Androhung der Wegweisung

Der Mitarbeiter hatte einen Schüler, der abends mit einer Gruppe am Grillieren war, aufgefordert, seinen Ausweis zu zeigen - andernfalls würde er weggewiesen werden. Daraufhin fotografierte der Sicherheitsbeamte den Ausweis mit dem Hinweis, dass das Foto gelöscht würde, wenn der Platz am nächsten Tag aufgeräumt sei.

Die Kontrolle fand im Rahmen der mit der Gemeinde vertraglich vereinbarten «Gemeindepatrouille» statt. Zum entsprechenden Pflichtenheft gehörte namentlich «Personen wenn möglich anzuhalten und die Personalien festzuhalten», wenn ein Verstoss gegen gewisse Punkte wie etwa die öffentliche Ruhe und Ordnung, Sitte und Anstand oder der Konsum, Besitz und Handel von Drogen vorliege.

Auslagerung ist kein Einzelfall

Dass eine solche Abtretung von polizeilichen Aufgaben kein Einzelfall darstellt, bestätigt Timo Lichtsteiner von der Vereinigung privater Sicherheitsfirmen Schweiz: «Insbesondere in abgelegenen Regionen werden immer mehr Aufgaben der Polizei an Private ausgelagert.» Dies hängt einerseits mit den begrenzten polizeilichen Ressourcen zusammen, andererseits mit finanziellen Überlegungen: In Aarberg kostet der Einsatz der Broncos jährlich CHF 35‘000.-. Gemäss Gemeinderat wären die Kosten für ein Mandat an die Kantonspolizei Bern doppelt so hoch.

Auch im Kanton Basel-Landschaft stehen aus Kostengründen beinahe in allen Gemeinden am Stadtrand private Sicherheitsfirmen im Einsatz. Einzig die Gemeinden Rheinach und Therwil verlängerten den Leistungsvertrag mit der Kantonspolizei, weil sie den Bereich von Ruhe und Ordnung als Teil der Sicherheit und somit als Staatsaufgabe ansehen.

Polizeiverband zeigt sich erleichtert über das Urteil

In seinem Entscheid vom 17. August 2016 hielt das Gericht nun fest, dass Ausweiskontrollen und Wegweisungen nur von Polizeibeamten durchgeführt werden dürfen. Obwohl der Security-Mitarbeiter seine Kompetenzen objektiv gesehen überschritten hatte, sprach ihn das Gericht mit der Begründung frei, dass er sich der fehlenden Kompetenzen aufgrund des Pflichtenhefts nicht bewusst gewesen sein konnte.

Aliki Panayides vom Polizeiverband zeigte sich erleichtert über das Urteil, welches endlich rechtliche Klarheit schaffe. Somit sei nun klar, dass private Sicherheitsfirmen im öffentlichen Raum lediglich für Objektbewachung eingesetzt werden dürfen.

Der Staatsrechtler Rainer Schweizer betonte im Schweizer Fernsehen, die Verantwortung liege jetzt v.a. bei den Gemeinden und beim Kanton dafür zu sorgen, dass Sicherheitsfirmen einzig für Hilfsarbeiten und nicht für Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum eingesetzt würden. Das Bernische Polizeigesetz sei leider bereits 20 Jahre alt und stamme aus einer Zeit, als private Sicherheitsdienstleister noch kein grosses Thema gewesen seien. Er wünscht sich für das neue Polizeigesetz, welches sich aktuell in der Vernehmlassung befindet und voraussichtlich per 1. Januar 2019 in Kraft treten soll, klare Regelungen bezüglich der Kompetenzen und dass der Gesetzgeber darin explizit eine Trennung zwischen ausschliesslich staatlichen Aufgaben und an Private übertragbaren Aufgaben vornimmt.

Eine staatliche Regulierung von ausnahmslos allen privaten Sicherheitsfirmen ist für alle Beteiligten von grosser Bedeutung: für die staatlichen Behörden, welche die Aufgaben auslagern, für die Sicherheitsfirmen, welche die Aufgaben übertragen bekommen, für die einzelnen Sicherheitskräfte, welche die Aufgaben ausführen und nicht zuletzt auch für Individuen, welche mit den Sicherheitskräften in Berührung kommen.

Bewilligungspflicht kann leicht umgangen werden

Obwohl es immer mehr private Sicherheitsdienste gibt und diese immer mehr staatliche Aufgaben wahrnehmen, fehlen einheitliche schweizweite Regelungen. So gibt es beispielsweise keine allgemeine Bewilligungspflicht für den Betrieb von Sicherheitsdiensten oder allgemeingültige Anforderungen an die Ausbildung von Sicherheitskräften.

Zwar sind inzwischen 16 der 26 Kantone entweder dem Westschweizer Konkordat über die Sicherheitsunternehmen (KSU) oder dem Deutschschweizer Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen (KÜPS) beigetreten, welche beide eine Bewilligungspflicht kennen. Das Westschweizer Konkordat ist seit 1999 in Kraft, über das Inkrafttreten des Deutschschweizer Konkordats wird am 6. April 2017 entschieden. Andere Kantone regeln die Materie in ihren kantonalen Polizeigesetzen (z.B. Art. 49 und 50 Polizeigesetz Zürich). Es gibt jedoch nach wie vor Kantone, welche gänzlich auf eine Regelung verzichten.

Die Kantone Zürich und Bern haben sich gegen eine Konkordatslösung entschieden. Beide wollen die Problematik durch die Einführung einer kantonalen Bewilligungspflicht regeln.

Problematisch ist diese Tatsache vor allem, weil das Bundesgesetz über den Binnenmarkt (BGBM) es Unternehmen mit Zulassung in einem Kanton ermöglicht, auch in allen anderen Kantonen Dienstleistungen anzubieten. Somit können die schwarzen Schafe der Branche problemlos ein Bewilligungsverfahren umgehen, indem sie ihren Hauptsitz in denjenigen Kantonen anmelden, in welchen für sie vorteilhafte Bestimmungen gelten. Hierzu gehören etwa die Kantone Schwyz, Obwalden, Luzern und Zug, deren Regierungen einen Beitritt zum Konkordat abgelehnt haben. Die Kantone fürchten sich vor der Abwanderung der Firmen in Nicht-Konkordatskantone. Dies zeigt das Beispiel des Kantons Zug, wo die Ablehnung in Schwyz einer der Hauptgründe war, dem Konkordat ebenfalls fernzubleiben.

Die löcherige Bewilligungspflicht für private Sicherheitsunternehmen führt u.U. dazu, dass schlecht ausgebildetes Personal oder zwielichtige Firmen mit Sicherheitsaufgaben betraut werden, ohne dass die Behörden eine Handhabe hätten, die Grundrechtskonformität in der Praxis zu gewährleisten. Dies ist äusserst problematisch, da der Staat aufgrund seiner Schutzpflicht unrechtmässige Eingriffe durch private Sicherheitsfirmen mittels geeigneter Massnahmen unterbinden muss.

Die Forderung nach Minimalstandards

Gefordert werden Minimalstandards für private Sicherheitsfirmen, welche für die ganze Schweiz gelten. Insbesondere sind eine Bewilligungspflicht für den Betrieb einer Sicherheitsfirma, klare Anforderungen an die Ausbildung der Sicherheitsleute sowie an die staatliche Aufsicht über die privaten Sicherheitsdienste von grosser Bedeutung.

Bei der Auslagerung staatlicher Aufgaben ist es zudem zentral, die Kompetenzen klar den unterschiedlichen Akteuren zuzuordnen und allgemeinverbindlich festzulegen, welche Kernbereiche beim Staat verbleiben und welche (eingeschränkten) Befugnisse an Private übertragen werden können.

Rainer Schweizer beispielsweise fordert weniger Kompetenzen für private Sicherheitsdienste im Bereich der Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum zur Gewährung der öffentlichen Sicherheit. Sie sollen vielmehr für Hilfsarbeiten wie Verkehrsberuhigung und Bewachung eingesetzt werden. Hoheitliche Aufgaben hingegen sollten der Polizei vorbehalten werden.

Neben zahlreichen juristischen Experten/-innen fordern auch die privaten Sicherheitsfirmen selber immer lauter nach einheitlichen Regelungen. Denn: Schwarze Schafe in der Branche sorgen für Unmut und rücken die Privatisierung von Sicherheitsaufgaben in ein schlechtes Licht. Schlecht ausgebildetes und ungeschultes Personal sind keine Seltenheit. Die ganze Branche leide, wenn es zu negativen Berichten komme, erklärte der Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU) Reto Casutt gegenüber der NZZ. Gleichwertige Auflagen für alle Kantonen seien daher von grosser Wichtigkeit; sei dies in Form einer gesetzlichen Regelung auf Bundesebene oder aufgrund eines Beitritts aller verbleibenden Kantone zum interkantonalen Konkordat, über welches am 6. April 2017 abgestimmt wird.

Kohärenz von Innen- und Aussenpolitik

In der Aussenpolitik hat die Schweiz seit über 10 Jahren eine führende Rolle in der Regulierung von privaten Sicherheitsfirmen. So geht beispielsweise der Verhaltenskodex für die private Militär- und Sicherheitsindustrie auf eine Schweizer Initiative zurück. Dass die Schweiz diese Thematik innerstaatlich nach wie vor vernachlässigt, ist vor diesem Hintergrund unverständlich. Insbesondere aus Gründen der Kohärenz würde die Schweiz gut daran tun, den Einsatz privater Sicherheitsunternehmen endlich auch auf innerpolitischer Ebene zu regeln. 

Gesamtarbeitsvertrag gefährdet

Grosse Verantwortung, unregelmässige Arbeit, lange Arbeitszeiten sowie Nacht- und Wochenendarbeit gehören für die Sicherheitsangestellten zum Alltag. Diese anspruchsvollen Arbeitsbedingungen verlangen nach einem speziellen Schutz.

Um die Arbeitsbedingungen der Sicherheitsmitarbeitenden zu verbessern, hat die Gewerkschaft UNIA mit dem Verband Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU) einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für den Bereich der privaten Sicherheitsdienstleistungen abgeschlossen. Der Branchen-GAV 2014 gilt für alle Unternehmen mit mindestens 10 Angestellten. Im Hinblick auf den Ablauf der Gültigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung dieses GAV’s Ende 2016 haben sich die Sozialpartner zu Gesprächen getroffen.

Hierbei wurde namentlich kritisiert, dass eine Tendenz zu beobachten sei, wonach sich grössere Firmen in Holding-ähnliche Strukturen aufteilen würden, um nicht unter den allgemeinverbindlichen GAV zu fallen. Probleme bestünden zudem bei grösseren Messen und Veranstaltungen, wo viele ausländische Sicherheitsdienstleistungserbringer tätig seien, die sich allerdings nicht via Meldeverfahren anmelden würden. Auch die Zunahme an Selbstständigen und die die vermehrte Auftragsvergabe an Subunternehmen in der Branche wurde von den Sozialpartnern kritisch beurteilt. Dies führe zu einem starken Konkurrenzdruck und die Löhne würden entsprechend tief gehalten.

Da die Allgemeinverbindlicherklärung des GAV per 1. Januar 2017 nicht verlängert werden konnte, befindet sich die Branche vorübergehend in einem Zustand ohne allgemein verbindlichen GAV. Aus Sicht der Sozialpartner wäre eine erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung des bestehenden Gesamtarbeitsvertrages anzustreben. Die Tripartite Kommission des Bundes (Bund, Kantone, Sozialpartner), welche auf nationaler Ebene für arbeitsmarktliche Beobachtungen gemäss Art. 360b des Obligationenrechts zuständig ist, wird darüber im April 2017 beraten.

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