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Gesuche von papierlosen Asylsuchenden sorgfältig prüfen

15.08.2007

Das Bundesverwaltungsgericht hat Anfang August 2007 einen wichtigen Entscheid veröffentlicht, welcher die Umsetzung des neuen Asylgesetzes betrifft. Es stellt in seinem Entscheid vom 11. Juli 2007 fest, dass im Zweifel auf Asylgesuche einzutreten ist, auch wenn ein/e Asylsuchende/r keine gültigen Identitätspapiere vorlegen kann. Ein Nichteintretensentscheid im neuen Schnellverfahren ist demnach nur dann zulässig, wenn bereits nach der Erstbefragung feststeht, dass die Flüchtlingseigenschaft eines Gesuchstellers offensichtlich fehlt. Sobald sich Unklarheiten zur Sachlage oder rechtliche Fragen ergeben, muss gemäss dem Gerichtsentscheid auf ein Asylgesuch eingetreten werden.

SFH und BFM uneinig

Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts bestätige die Kritik am Bundesamt für Migration (BFM), schreibt die Flüchtlingshilfe (SFH) in einer Medienmitteilung. Sie hatte am 19. Juli 2007 nach der Evaluation von mehreren hundert  Nichteintretensentscheiden eine kritische Bilanz zum Umgang des BFM mit Asylsuchenden ohne Reise- oder Identitätspapiere gezogen. Das BFM seinerseits weist diese Interpretation des Gerichtsentscheids von sich und schreibt in einer eigenen Medienmitteilung: «Entgegen der Behauptung der Flüchtlingshilfe stützt das Bundesverwaltungsgericht die Nichteintretensentscheide des BFM.»

Identitätspapiere: Enge Auslegung

In einem weiteren Ende Juli veröffentlichten Entcheid (Urteil vom 11.7.07) sprach sich das Bundesverwaltungsgericht für eine enge Auslegung der Identitätspapiere aus. Demnach genügen für die Einreichung eines Asylgesuches Fahr- und Geburtsausweise nicht mehr.

Die Versprechen des Bundesrates 

Seit Anfang Jahr ist das neue Asylgesetz in Kraft und seither gilt der Grundsatz, dass der Bund auf Asylgesuche nicht mehr eintritt, wenn Asylsuchende nicht innerhalb von 48 Stunden gültige Reise- oder Identitätspapiere vorlegen. Diese Bestimmung ist problematisch, weil es Flüchtlingen häufig nicht möglich ist, vor ihrer Flucht noch gültige Papier ausstellen zu lassen. Deshalb sieht das Gesetz vor, dass in begründeten Ausnahmefällen (glaubhafte Entschuldigungsgründe, festgestellte Flüchtlingseigenschaft, Notwendigkeit weiterer Abklärungen) auf Asylgesuche von Papierlosen eingetreten wird. Dies hatte auch Justizminister Christoph Blocher bei der Detailberatung im Ständerat bekräftigt, als er garantierte, «dass ein echter Flüchtling keine Angst haben muss, dass er nicht aufgenommen wird, weil er keine Papiere hat.»

Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht misst in seinen Erwägungen zum Entscheid vom 11. Juli 2007 betreffend das Beweismass inbesondere dem Willen des Gesetzgebers viel Bedeutung zu. Dabei erwähnt das Gericht auch, dass insbesondere der Vorsteher des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (Bundesrat Christoph Blocher) teilweise widersprüchliche Aussagen zum Beweismass gemacht habe.

Das Gericht kommt zum Schluss, dass eine Verschärfung der Praxis gewollt sei, um dem Anreiz, Identitätspapiere einzureichen, möglichst grossen Druck zu verschaffen. «Führt eine summarische Prüfung zum Ergebnis, dass der Asylgesuchsteller die Flüchtlingseigenschaft offensichtlich erfüllt, ist auf das Asylgesuch einzutreten. Führt eine ebenso summarische Prüfung im Sinne von Art. 40 AsylG zum Ergebnis, dass der Asylgesuchsteller die Flüchtlingseigenschaft offenkundig nicht erfüllt und offenkundig keine Wegweisungsvollzugshindernisse bestehen, wird auf sein Asylgesuch nicht eingetreten. Ein Nichteintretensentscheid gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Bst. a AsylG impliziert somit zwingend das (offenkundige) Fehlen der Flüchtlingseigenschaft, was zumindest in der Begründung der Verfügung des BFM ausdrücklich festzuhalten ist. Ausgeschlossen ist das Nichteintreten gemäss Bst. c jedoch in all jenen Fällen, die einer eingehenden Prüfung bedürfen und die nicht summarisch begründet werden können. Weitere Abklärungen in diesem Sinne beziehen sich demnach auf Sachverhaltsfragen wie auch auf Rechtsfragen.»

SFH: «Massiv erhöhtes» Risiko von Fehlentscheiden

Eine Zwischenbilanz der SFH zur Umsetzung der Bestimmung betreffend papierlose Asylsuchende, welche am 19. Juli 2007 veröffentlich worden war, fiel negativ aus. Die Praxis des BFM gebe Anlass zur Sorge, denn oft würden zu hohe Anforderungen an das Eintreten auf Asylgesuche gestellt, schreibt die SFH in der Medienmitteilung. Viele Entscheide seien von «problematischer Qualität» und das Risiko von Fehlentscheiden habe sich «massiv erhöht», zitierte etwa «Der Bund» Jürg Schertenleib, Leiter des Rechtsdienstes der SFH. Betroffen von Nichteintretensentscheiden sind gemäss der Medienmitteilung der SFH selbst Fälle vorgebrachter Vergewaltigung, Genitalverstümmelung oder Bürgerkriegssituationen. Solche Gesuche seien nicht offensichtlich unbegründet und für das schnelle Nichteintretensverfahren deshalb ungeeignet, gab die SFH zu bedenken.

Zum Schutz von Verfolgten forderte die SFH deshalb eine korrekte Anwendung des Gesetzes. Damit Fehlentscheide korrigiert werden könnten, müssten Asylsuchende zudem einen garantierten Zugang zur Rechtsberatung erhalten.