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Empfehlungen für die Umsetzung der Schweizer Leitlinien für Menschenrechtsverteidiger/innen

21.12.2014

Die Zusammenarbeit mit Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern (MRV) im Ausland vereinheitlichen und verbessern – dies ist das erklärte Ziel der Schweizer Leitlinien für Menschenrechtsverteidiger/innen. Rund ein Jahr nach deren Veröffentlichung hat das Kompetenzzentrum Friedensförderung (KOFF) nun in einer Studie die Möglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Schweizer Leitlinien erörtert. Die resultierenden Empfehlungen richten sich an schweizerische Vertretungen im Ausland und Behörden im Inland sowie an die Adresse von NGOs. Die Studie knüpft an eine internationale NGO-Tagung an, welche anfangs Juni 2014 zur konkreten Umsetzung der Leitlinien in Bern stattgefunden hat (siehe hierzu: Was sind die Schweizer Leitlinien für Menschenrechtsverteidiger/innen wert?).

Empfehlungen an Schweizer Auslandvertretungen

Das KOFF richtet fünf konkrete Empfehlungen an Schweizer Auslandvertretungen, namentlich an die Botschaften. Diese reichen von der Betonung einer kontextabhängigen Umsetzung der Leitlinien bis zu der Forderung, die Schweizer Vertretungen sollten sich öffentlich hinter die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern/-innen stellen, um deren Stigmatisierung und Kriminalisierung entgegenzuwirken.

Eine Analyse der länderspezifischen sozialen und politischen Systeme sowie eine Auseinandersetzung mit den konkreten menschenrechtlichen Problematiken eines Landes sind eine Voraussetzung für eine gute Umsetzung. Zur Deckung des Informationsbedarfs sollten sich die schweizerischen Auslandvertretungen aktiv mit internationalen und multilateralen Organisationen und anderen Staatenvertretungen vernetzen. Ausserdem könnten die Leitlinien ihr Potenzial nur dann entfalten, wenn sie in die massgeblichen Lokalsprachen übersetzt und durch aktive Informationsarbeit den relevanten Akteuren bekannt gemacht würden.

Projekte, welche einen verbesserten Schutz von Menschenrechtsverteidigern/-innen zum Ziel haben, könnten von den Schweizer Botschaften direkt finanziell unterstützt werden. Die Priorität sollte dabei auf lokalen Initiativen liegen, welche die Rolle der Zivilgesellschaft fördern.

Empfehlungen an die Behörden in Bern

Das KOFF geht auch auf die Rolle der Behörden in Bern ein und verabschiedet zuhanden des Bundes drei weitere Empfehlungen.

Ein verbesserter Schutz von MRV könne nur erreicht werden, wenn das Anliegen in die Ausgestaltung der gesamten Aussenpolitik miteinfliesse und die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen bereitgestellt würden. Ferner müsse das Instrument der Leitlinien flexibel sein, damit es den sich kontinuierlich verändernden Umständen und Arbeitsbedingungen von MRV gerecht werden könne. Dies bedinge regelmässige Treffen zwischen Schweizer Behörden und schweizerischen NGOs, welche den Umsetzungsprozess begleiten und zu einer laufenden Verbesserung beitragen könnten.

Das KOFF schliesst mit dem Vorschlag, in einigen Ländern Pilotprojekte mit der nötigen Mittelausstattung zu starten und weitere Programme auf den resultierenden daraus gewonnen Erfahrungen aufzubauen.

Empfehlungen an zivilgesellschaftliche Akteure

Das KOFF thematisiert neben der Verantwortung von staatlichen Vertretern/-innen auch die Frage, wie zivilgesellschaftliche Akteure zu einer erfolgreichen Umsetzung der Leitlinien beitragen können.

Die an sie gerichteten Empfehlungen beinhalten die Forderung nach einer stärkeren Kooperation zwischen lokalen und internationalen NGOs und einer verbesserten Informationsdiffusion zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren.

Abschliessend legt das KOFF zivilgesellschaftlichen Organisationen nahe, sich aktiv in den Implementierungsprozess der Leitlinien einzubringen und dabei mit den staatlichen Akteuren zu kooperieren.

Kontextspezifische Umsetzungen und Empfehlungen

Anlehnend an die allgemeinen Empfehlungen an staatliche Auslandvertretungen, an die Behörden in Bern und an zivilgesellschaftliche Akteure diskutiert die KOFF-Studie länderspezifische Herausforderungen und Empfehlungen zur Implementierung der Leitlinien. Der Fokus liegt dabei auf den Ländern Guatemala und Honduras, Serbien, Russland und Sri Lanka.

Einige Gemeinsamkeiten ziehen sich durch die kontextabhängigen Empfehlungen. So sollten sich die Schweizer Auslandsvertretungen in allen diskutierten Ländern öffentlich zur Arbeit von MRV bekennen. Ferner müsse die Aussenpolitik allgemein kohärenter ausgestaltet werden, damit menschenrechtliche Anliegen in jegliche Politikbereiche miteinfliessen können.

Gleichzeitig betont das KOFF jedoch die Unterschiedlichkeiten der Länder und die daraus resultierenden spezifischen Herausforderungen. Im Falle von Serbien stehen beispielsweise die Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen wie namentlich der OSZE sowie der Aufbau einer zivilgesellschaftlichen Arbeitsgruppe zu MRV im Vordergrund.

Die Empfehlungen für Guatemala und Honduras priorisieren die Zusammenarbeit mit indigenen Bevölkerungsgruppen und fordern die Schweizer Auslandvertretung auf, ein Netzwerk zu akuter Gefahrenbekämpfung von MRV aufzubauen und gleichzeitig einen strategischen Schutzplan zum längerfristigen Schutz zu entwickeln.

Die russlandbezogenen Empfehlungen akzentuieren verschiedene Ansätze, um den politischen Druck für einen verbesserten Schutz der MRV zu erhöhen. Diese reichen von einer Präsenz bei Gerichtsverhandlungen bis hin zu der Forderung, dass die Schweizer Botschaft einen Preis für russische Menschenrechtsverteidiger/innen verleihen sollte, um so deren Legitimität zu betonen.

Wichtige kontextspezifische Empfehlungen für Sri Lanka scheinen die Übersetzung der Leitlinien in Tamil und Sinhala und der Einbezug der tamilischen Diaspora in die Schutzbestrebungen zu sein. Ferner bestehe Klärungsbedarf einerseits hinsichtlich der schweizerischen Praxis zur Gewährung von humanitären Visa und andererseits ganz allgemein bezüglich der zukünftigen Zusammenarbeit mit Sri Lanka.

Der gute Wille alleine reicht nicht aus

Ob die Schweiz mit ihren Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern/-innen vorbildlich voranschreitet, wird sich erst anhand ihrer konkreten Umsetzung zeigen. Ein Fazit der Studie lautet, dass letztere nur erfolgreich sein kann, wenn sie kontextspezifisch und kohärent verläuft und von einem kontinuierlichen Dialog zwischen staatlichen Akteuren, lokalen Menschenrechtsverteidigern/-innen und internationalen NGOs  begleitet wird.

Dokumentation