26.01.2005
Im Frühjahr 2003 starteten die Zürcher Strafbehörden im Internet eine Offensive gegen harte Pornografie und Pädophilie, um Jugendliche und Kinder zu schützen. Dabei wurde mit Ermittlern gearbeitet, die sich als Internetbenutzer ausgaben, zum Teil auch als minderjährige Benutzer, um so Pädophile zu entlarven.
Dabei wurden die Behörden per Zufall auf eine schwule Internetseite, gaynet.ch, aufmerksam. Auf dieser Kontaktplattform versuchen schwule Internetbenutzer Kontakte zu anderen zu knüpfen, indem sie zum Beispiel Nacktfotos von sich selber präsentieren. Darunter fanden die Behörden Bilder, die sie als pornografisch bewerteten. Als Folge davon wurden ca. 500 Strafverfahren gegen schwule Internetbenutzer wegen «Zugänglichmachen von pornografischen Bildern an Minderjährige» (Art. 197.1 StGB) eingeleitet. Die Untersuchungen ergaben, dass einige Benutzer pornografische Bilder unter «jugendfrei» gespeichert hatten, und dass sich Minderjährige durch Angabe eines falschen Alters registrieren konnten.
Einige der angeklagten Benutzer fühlen sich diskriminiert und sind der Meinung, dass heterosexuelle Seiten nicht gleichermassen unter die Lupe genommen werden. Sie werfen den Behörden gemäss einem Artikel des Tages-Anzeigers vom 27. Dezember 2004 vor, sie hätten überreagiert und beschlossen sich gegen den Vorwurf zu wehren. Ein erstes Gerichtsurteil schien ihnen im Sommer 2004 recht zu geben. Die Bezirksanwaltschaft zog das Verfahren jedoch weiter und die nächsthöhere Instanz, das Zürcher Obergericht, verurteilte die Kläger zu 500 Franken Busse. Für den Richter war entscheidend, dass sich ein Jugendlicher gegenüber Gaynet problemlos als älter hätte ausgeben können, um Zugang zu pornographischen Bildern zu erhalten. Ein Kläger will den Fall nun gemäss Tages-Anzeiger ans Bundesgericht weiterziehen.
Der Anwalt der Kläger, Pink Cross und der Strafrechtsprofessor Marcel Niggli kritisierten das Urteil des Zürcher Obergerichts, als «konservativ, restriktiv und repressiv». Würde man das Urteil des Richters weiterdenken, wäre das gesamte Internet ein Problem, sagte Niggli gegenüber dem Tages-Anzeiger. Wie die Betroffenen und Pink Cross vermutet auch er, dass das Urteil anders herausgekommen wäre, wenn es sich um eine heterosexuelle Internet-Kontaktseite gehandelt hätte. Gegen diesen Vorwurf der Diskriminierung wehren sich die Behörden. Der Vorwurf sei «nachvollziehbar aber unbegründet« zitiert der Tages-Anzeiger etwa die Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer (SP).
Das Bundesgericht hat in früheren Entscheiden festgehalten, dass zum Beispiel Pornokinos dem Jugendschutz genügend nachkommen, wenn für das Publikum erkennbar ist, was da gezeigt wird und den Jugendlichen der Zutritt untersagt wird (BGE 117 IV 276). In einem zweiten Entscheid wurde festgehalten, dass Sexshops dem Jugendschutz genügend nachkommen, wenn sie eindeutig als Sexshops gekennzeichnet sind und Jugendlichen unter 18 Jahren der Zutritt per Schild verboten wird (BGE 117 IV 457). Sinngemäss müsste dies für die Internetangebote bedeuten, dass der Hinweis auf pornographischen Inhalt und Warnhinweise, das der Zutritt erst ab 18 Jahren erlaubt sei, genügen. Gaynet hatte genau solche Warnhinweise, zumal der User durch Klicken auf den Link «Eintreten» seine Volljährigkeit mehrmals bestätigen musste. Folglich ist auch irrelevant, dass in den einzelnen Profilen pornografische Fotos unter «jugendfrei» gespeichert waren, denn der Zutritt war für Minderjährige von Beginn an für die ganze Website verboten.
- Offensive gegen Pornos im Internet
Artikel in der «Basler Zeitung» vom 7. Januar 2005 (jpg)