15.11.2007
Der Staat habe die Pflicht, die von Zwangsheirat betroffenen und bedrohten Personen zu schützen, indem er präventiv und repressiv gegen Zwangsheiraten vorgehe und Auswege aus erzwungenen Ehen biete. Dies schreibt der Bundesrat in einer Medienmitteilung zu seinem Bericht über Zwangsehen. Er hat diesen Bericht, der auf ein Postulat der Staatspolitischen Kommission des Ständerats zurück geht, verabschiedet. Die Regierung vertritt den Standpunkt, nur im Privatrecht brauche es gesetzliche Anpassungen. Diesen Entscheid kritisiert etwa die Plattform zwangsheirat.ch.
Änderung des ZGB
Eine erzwungene Heirat verletze das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen in schwerwiegender Weise und stelle eine Menschenrechtsverletzung dar, schreibt der Bundesrat. Deshalb schlägt er vor, im Zivilgesetzbuch (ZGB) eine ausdrückliche Bestimmung aufzunehmen, wonach sich Zivilstandsbeamte vergewissern müssen, dass alle Beteiligten die Ehe in freiem Willen eingehen. Neu soll eine unfreiwillig eingegangene Ehe ein Grund für «deren unbefristete Ungültigkeit» sein. Bisher kann eine Zwangsehe nur innerhalb eine begrenzten Frist vom gezwungenen Ehegatten für ungültig erklärt werden.
Der Bundesrat sieht von weiteren gesetzlichen Änderungen, namentlich im Strafgesetzbuch, ab. Erzwungene Heiraten würden durch den Tatbestand der Nötigung bereits erfasst, argumentiert er. Neben Repression will die Regierung auch auf Prävention setzen und schlägt Kampagnen zur Sensibilisierung vor.
Zwangsheirat.ch: «Signalwirkung wäre wichtig»
Die Einführung einer expliziten Erwähnung des Straftatbestandes «Zwangsheirat» innerhalb des Nötigungsartikels im Strafgesetzbuch wäre gemäss dem Fachforum zwangsheirat.ch angemessen gewesen. Den Entscheid, dass aus gesetzgeberischer Sicht kein Erweiterungsbedarf im Kontext des Nötigungsgesetzes besteht, weil sich darin nicht das ganze Spektrum fassen lässt, könne man verstehen, schreibt zwangsheirat.ch in ihrer Stellungnahme. Doch zur Bekämpfung des sozialen Problems sei die präventiv-normative Signalwirkung eines Gesetzes nicht zu unterschätzen. In dieser Hinsicht gleiche die Begründung des Bundesrats für einen Verzicht auf einen eigenen Straftatbestand einem Armutszeugnis. Es könne nicht sein, dass im Rechtsstaat Schweiz nicht alle hierzulande wohnhaften Menschen mit deren geltenden Grundrechten bzw. Rechten und Pflichten erreicht werden können.
Träger der Website zwangsheirat.ch ist Katamaran, ein Verein zur Integration der Tamilisch sprechenden Gemeinschaft in der Schweiz.
- Stellungnahme zwangheirat.ch, 14. November 2007 (pdf, 2 S.)
- Konsequent Zwangsehen bekämpfen; Bundesrat verabschiedet Bericht über Zwangsheiraten
Medienmitteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD), 14. November 2007 - Strafbarkeit von Zwangsheiraten und arrangierten Heiraten
Bericht des Bundesrates vom November 2007 (pdf, 70 S.)
Weiterführende Informationen zu Zwangsheirat
- Zwangsverheiratung
Dossier auf Humanrights.ch - Themendossier Zwangsheirat
Terre des Femmes Schweiz (online nicht mehr verfügbar) - Heiratsverhalten und Partnerwahl im Einwanderungskontext
Kurzfassung der Dissertation Dr. Gaby Strassburger (pdf, 11 S.) - Homepage der Organisation zwangsheirat.ch