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Wehrpflichtersatzabgabe für Männer ist keine Geschlechterdiskriminierung

28.03.2013

Die im schweizerischen Milizsystem geltende allgemeine Wehrpflicht für Männer verstösst nicht gegen das Diskriminierungsverbot in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 14 EMRK). Zu diesem Schluss gelangt das Bundesgericht im Falle eines dienstuntauglichen Mannes, der den Wehrpflichtersatz nicht bezahlen wollte, solange Frauen davon befreit sind.

Aus der Urteilsbegründung

Das Bundesgericht schreibt in der Urteilsbegründung, dass die Bundesverfassung eine allgemeine Pflicht zur Leistung von Militärdienst nur für Männer vor sehe (Art. 59 Abs. 1 BV). Für Frauen ist der Militärdienst freiwillig (Art. 59 Abs. 3 BV). Wehrpflichtige Männer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden die Ersatzabgabe (Art. 59 Abs. 3 BV). Die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Militärdienstpflicht und der Pflicht zur Bezahlung einer Ersatzabgabe sei daher bereits in der Verfassung angelegt. Die Bundesrichter/innen erinnern daran, dass das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, dass diese allgemeine Wehrpflicht nur für Männer als lex specialis dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Gleichstellungsgebot vorgeht (Art 8 BV). Dass nur Männer zum Wehrpflichtersatz herangezogen werden, erachtet das Bundesgericht daher verfassungskonform.

In Bezug auf die EMRK stellen die Richter/innen fest, dass diese nicht vorschreibe, wie die Vertragsstaaten ihre Wehrbereitschaft aufrecht erhalten dürfen. Es sei Aufgabe und Pflicht eines demokratischen und dem Recht verpflichteten Staates, seine Unabhängigkeit zu wahren, wozu unter anderem die Armee diene. Der Kernauftrag der Schweizer Armee bestehe in der Verteidigung des Landes und der Bevölkerung (Art. 58 Abs. 2 BV). Sie unterscheide sich darin nicht von den Armeen anderer in der EMRK zusammengeschlossener Staaten. Zulässig sei sowohl eine Berufsarmee wie auch eine auf einer allgemeinen Wehrpflicht beruhende Milizarmee. Ohne diese Wehrpflicht - allein auf Freiwilligkeit - liesse sich das Milizprinzip nicht durchführen. Die allgemeine Wehrpflicht für Männer sei daher die notwendige Ergänzung zum Milizprinzip. Wie das Urteil weiter festhält folgt daraus aber nicht, dass eine allgemeine Wehrpflicht auch für Frauen vorzusehen wäre. Die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht und Militärdienstpflicht für Frauen in der Schweiz wurde gemäss Bundesgericht nie erwogen. Das hänge vor allem damit zusammen, dass Frauen aufgrund physiologischer und biologischer Unterschiede im Durchschnitt für den Militärdienst als weniger gut geeignet erachtet werden als der Durchschnitt der Männer.

Die Urteilsbegründung hält ferner fest, wenn der Beschwerdeführer sich auf die Gleichheit der Geschlechter berufe und geltend mache, er sei von der Ersatzabgabe zu befreien, verkenne er das Wesen der Wehrpflichtersatzabgabe als ein Mittel zur Herstellung von Rechtsgleichheit zwischen persönlich Dienstleistenden und Nichtdienstleistenden. Es wäre rechtsungleich und würde die Wehrgerechtigkeit in Frage stellen, wenn nur ein Teil der männlichen Bevölkerung Dienst leisten müsste und der andere Teil von jeglicher Ersatzleistung entbunden wäre. Art. 14 EMRK verbietet im Anwendungsbereich der durch die Konvention garantierten Rechte und Freiheiten alle ungerechtfertigten Diskriminierungen und nicht nur diejenige, die sich auf das Geschlecht bezieht.

Kommentar

Das Bundesgericht begründet die nur auf Männer beschränkte Wehrpflicht mit dem Argument, „dass Frauen aufgrund physiologischer und biologischer Unterschiede im Durchschnitt für den Militärdienst als weniger gut geeignet erachtet werden als der Durchschnitt der Männer“. Dieses Argument ist in doppelter Hinsicht zu verwerfen. Erstens gibt es in der Armee genügend Aufgaben, die von konstitutionell schwächeren Personen (Frauen sowie Männern) erledigt werden können. Zweitens, sogar wenn man ein physiologisches und biologisches Argument einbeziehen möchte, gibt es überhaupt keinen Grund, dies aufgrund des Geschlechtes zu tun. Vielmehr müsste dann ein geschlechtsneutrales Kriterium geschaffen werden, das konstitutionell schwächere Personen –ob Mann oder Frau – von der Wehrpflicht befreien würde. Angesichts der Tatsache, dass laut Bundesgericht das entscheidende Kriterium die physiologische und biologische Verfassung einer Person ist, kann das Geschlecht nicht als Kriterium verwendet werden, ohne eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und somit eine Diskriminierung darzustellen.

Das Bundesgericht hat in diesem Urteil eine weitere Chance vertan, die Wehrpflicht als diskriminierend zu bezeichnen. Da die Ungleichbehandlung mit rationalen Argumenten nicht gerechtfertigt werden kann, ist die Begrenzung der Wehrpflicht als geschlechterdiskriminierend einzustufen.