02.08.2017
Wichtig zu wissen ist, dass schon vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages eine rechtliche Beziehung zwischen dem Bewerber und der Arbeitgeberin entsteht. Die Stellenbewerbenden sind dabei durch Art. 28 ZGB (Verbot widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung) und Art. 2 ZGB (Pflicht zum Handeln nach Treu und Glauben) vor diskriminierender Nichtanstellung geschützt.
Artikel 28 Absatz 1 ZGB schützt Persönlichkeitsgüter, so die physische, psychische und moralische Integrität. Wird jemand diskriminiert, wird seine psychische und moralische Integrität verletzt. Es können also jegliche Formen von Diskriminierung angegangen werden, sei das auf Grund einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, Herkunft, Sprache, Ethnie, Alter oder Religion (vgl. dazu unseren Artikel).
Beweislast
Wer eine Stelle nicht erhält und das Gefühl hat, dies sei aus diskriminierenden Gründen der Fall, muss dies beweisen. Es gibt keine Beweislasterleichterung für den Kläger und keine Plicht für die Arbeitgeberin, ihre Absage zu begründen.
Ein genügender Beweis wäre beispielsweise eine von der Arbeitgeberin freiwillig ausgestellte, diskriminierende Begründung. Oder wenn sich ein für die ausgeschriebene Arbeitsstelle genügend qualifizierter, dunkelhäutiger Mann bewirbt, und er nicht angenommen wird, jedoch kurz darauf wieder dasselbe Inserat in der Zeitung entdeckt.
Rechtsfolgen
Gelingt dieser Beweis, steht der Arbeitgeberin der Gegenbeweis offen, dass die Anstellungsverweigerung zwar auf einem Persönlichkeitsmerkmal beruhte, jedoch sachlich gerechtfertigt ist. Dringt die Arbeitgeberin mit der Rechtfertigung nicht durch, bleibt die Frage, welche Rechtsfolge die Persönlichkeitsverletzung nach sich zieht. Die Beseitigungs-, Unterlassungs- und Feststellungsklagen (Art. 28a ZGB) sind regelmässig wenig zielführend: Wird die Beseitigungsklage gutgeheissen, ergibt sich auf Grund der Anstellungsfreiheit noch kein Anspruch auf eine Anstellung!
So verbleiben lediglich die Klagen auf Schadenersatz oder Genugtuung. Regelmässig wird es beim Schadenersatz an einem relevanten Schaden fehlen (geltend gemacht werden könnten einzig die Bewerbungskosten). Die Klage auf Genugtuung setzt voraus, dass es sich um eine schwere Persönlichkeitsverletzung handelt. Diese war bei den folgenden Fällen gegeben:
Beispiele
Je eine Genugtuungsentschädigung von CHF 5'000.– wurde in Anstellungsdiskriminierungsprozessen in Lausanne und Zürich zugesprochen. Im vom Arbeitsgericht Lausanne entschiedenen Falle ging es um eine dunkelhäutige Bewerberin, die eine Stelle als Nachtwache mit dem vergeblich von der Arbeitgeberin vorgebrachten Rechtfertigungsgrund «Angst der verwirrten Patienten vor schwarzer Nachtwache» nicht erhielt. Das Arbeitsgericht Zürich beurteilte den Fall, in dem ein Arbeitgeber die ihr durch die Regionale Arbeitsvermittlungsstelle (RAV) vermittelte Kandidatin in herabwürdigender Weise gar nicht erst ins Bewerbungsverfahren einschliessen wollte. (Urteile T304.021563 und AN 050401/U 1)
Nichtanstellung wegen dem Alter
Weil das Merkmal «Alter» Teil der in Art. 28 ZGB geschützten Persönlichkeit bildet, kann die diskriminierende Verweigerung einer Anstellung allein wegen des Alters gemäss Lehre eine Persönlichkeitsverletzung darstellen. Demgegenüber haben das Arbeitsgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich die Verweigerung einer Anstellung wegen des Alters nicht als objektiven Angriff auf die Persönlichkeit beurteilt (Zürich, Obergericht, LA 150046 vom 23.11.2015, E. 2a.).
…wegen der Herkunft
In der Lehre ist es umstritten, ob eine Nichtanstellung aufgrund der Herkunft oder Ethnie eine strafrechtlich relevante rassistische Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB darstellt.
Fristen
Es gelten die Fristen von Art. 60 Abs. 1 und 3 OR. Der Arbeitnehmer hat ab dem Zeitpunkt der Verletzung seiner Persönlichkeit ein Jahr Zeit, um eine Feststellungsklage mit Genugtuungsforderung einzureichen.
Betroffene können sich an verschiedene Beratungsstellen wenden. Vgl. dazu die Adressliste der Mitgliederstellen des Beratungsnetzes für Rassismusopfer.