02.08.2017
Die Parteien sind bei der Vereinbarung des Vertragsinhalts grundsätzlich frei. Eine Schranke stellt jedoch die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden dar.
Dieser sogenannte Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich aus Art. 328 OR und Art. 27 ZGB. Danach hat der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die Pflicht, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu achten und zu schützen, auf deren Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen.
Zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat die Arbeitgeberin gemäss Art. 328 Abs. 2 OR alle Massnahmen zu treffen, die «nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushaltes angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann».
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht umfassend. Art. 328 OR verbietet nur, aber immerhin, die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmenden der gleichen Arbeitgeberin. Willkür ist dann anzunehmen, wenn keine sachlichen Gründe für die Schlechterstellung in gleichliegenden Sachverhalten vorliegen. Dabei muss der einzelne Arbeitnehmer im Vergleich zu einer Vielzahl von Arbeitskollegen deutlich schlechtergestellt werden. Diese Behandlung muss persönlichkeitsverletzend sein. Eine Besserstellung nur weniger Arbeitnehmer im Vergleich zu einer Vielzahl von Angestellten stellt keinen Verstoss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar.
Art. 328 OR bietet grundsätzlich keinen Schutz vor ungleichen Löhnen, weil in eine schlechterstellende Lohnvereinbarung gültig eingewilligt werden kann. Jedoch findet der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung bei freiwilligen Zulagen, Sozialleistungen und bei der Ausübung des Weisungsrechts.
Bei der Auslegung von Art. 328 OR haben die rechtsanwendenden Behörden insbesondere die Grundrechte und die völkerrechtlichen Diskriminierungsverbote zu beachten.
Überprüfung einer diskriminierenden Regelung
Enthält der Arbeitsvertrag eine diskriminierende Regelung (wie z.B. das Verbot, religiöse Kleidung zu tragen), muss in einem dreistufigen Vorgehen geprüft werden, ob diese Regelung zulässig ist:
- Erstens ist festzustellen, ob der Vertragsinhalt tatsächlich zu einer diskriminierenden Benachteiligung der einzelnen Person führt. Weiter darf kein überwiegendes Arbeitgeberinneninteresse geltend gemacht werden.
- Im zweiten Schritt muss festgestellt werden, ob eine zwingende Inhaltsnorm der diskriminierenden Vertragsbestimmung entgegensteht.
- Fehlt eine solche zwingende Inhaltsnorm, ist drittens zu prüfen, ob mit der Vertragsbestimmung gegen die Generalklausel in Art. 19 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossen wird.
Das Verbot zum Tragen eines Kopftuchs kann gerechtfertigt sein, wenn dies der Erfüllung des Arbeitsvertrags zugute kommt. Dies jedoch nur insoweit, wie es zur Erreichung des betrieblichen Ziels erforderlich ist. Hier spielen vor allem Sicherheits- und Hygieneaspekte eine Rolle. Vgl, dazu unseren Artikel «Religiöse Vielfalt in der Arbeitswelt – am Beispiel von praktizierenden Muslimen».
Ist die vertragliche Regelung diskriminierend, mutiert sie zu einer simplen Weisung. Das Weisungsrecht findet seine Grenzen gemäss Art. 321d OR in der betrieblichen Notwendigkeit und erfordert, dass die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmenden gewahrt werden. Einer diskriminierenden Weisung darf also ohne rechtliche Konsequenzen nicht nachgekommen werden.