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Kann man mit Rosen den Hunger bekämpfen?

03.03.2008

fragt Nils Rosemann und sagt «Nein».

«Helfen auch Sie mit und setzen Sie am 1. März mit dem Kauf einer Rose Ihr persönliches Zeichen. Damit das Recht auf Nahrung kein frommer Wunsch bleibt!» lautet das Motto, unter dem Prominente und Ehrenamtliche in Schweizer Strassen 150.000 Rosen zu je 5 Franken verkaufen. Die Migros stellt die Rosen kostenlos zur Verfügung und so sollen 750’000 Franken für Entwicklungsprojekte der kirchlichen Trägerorganisationen «Fastenopfer», «Brot für alle» und «Partner Sein» zusammenkommen. Am Schluss des Artikels findet sich eine Stellungnahme der kritisierten Hilfswerke.

Aktionen gegen den Hunger

Traditionell widmen sich kirchliche Hilfswerke in der Fastenzeit den Menschen, die nicht freiwillig verzichten, sondern deren Teller und Mägen wegen einer ungerechten Verteilung des Reichtums, der Ressourcen und der entwicklungspolitischen Prioritätensetzung leer bleiben. Die Rosenaktion zum 1. März will darauf aufmerksam machen, dass Essen und Trinken ein Grundbedürfnis ist, das 850 Millionen Menschen verweigert wird. „Millionen Menschen vegetieren dahin, obwohl die Erde genug hergibt, um die gesamte Menschheit zu ernähren“, klagen die Hilfswerke an.

Der 16. Oktober eines jeden Jahres ist der Welternährungstag, der Tag gegen den Hunger, sagen die Vereinten Nationen. Diese haben sich auch für den 22. März als Internationalen Tag des Wassers ausgesprochen. Jeweils am 14. Februar schenken sich die Verliebten Blumen zum Valentinstag. Blumen sollten auch hoch im Kurs am 8. März, dem internationalen Frauentag, und am 2. Sonntag im Mai stehen, wenn wir unsere Mütter ehren. Nun kommt der 1. März hinzu und will die Freude an Blumen mit einem guten Zweck verbinden.

«Geld-Früchte» statt Nahrung

Gut gemeint, ist manchmal das Gegenteil von Gut, sagt der Volksmund. Denn was für viele «nur Blumen» und für manche ein Geschenk ist, bezeichnen Ernährungs- und Handelsexperten als «cash crops», so genannte «Geld-Früchte», die nicht wie die «food crops» der Ernährung der Produzenten/-innen im Süden, sondern vor allem einem gewissen Luxus, Lifestyle oder Abhängigkeiten der Wirtschaftsnationen im Norden dienen. Kaffee, Tee und Kakao aus Groβmutters «Kolonialwarenladen» und Bananen und Orangen aus unseren Supermärkten gehören ebenso dazu, wie Baumwolle für die Textilindustrie, Palmöl für die Nahrungs- und Kosmetikindustrie oder eben Blumen.

Während Nahrungsmittel in Entwicklungsländern überwiegend von Kleinbauern oder Dorfgesellschaften zur Selbstversorgung und den Inlandverbrauch produziert werden, sind die «Geld-Früchte» überwiegend das Ergebnis von Monokulturen und Plantagenanbau. Im Ergebnis wird landwirtschaftliche Nutzfläche der Nahrungsmittelproduktion entzogen, die bei Monokulturen notwendige Düngung und Pestizidbehandlung führt zu Umwelt- und Wasserbelastungen und die arbeitsintensiven Tätigkeiten zur Arbeitsmigration, die häufig zu sklavenähnlichen Abhängigkeitsverhältnissen führt.

Fair-Trade zur Achtung von Arbeits- und Sozialstandards

Die Achtung von internationalen Arbeits- und Sozialstandards versuchen freiwillige Selbstverpflichtungen von Produzenten, Importeuren und Händlern zu gewährleisten. «Fair Trade», Fairer Handel wird das Konzept genannt, mit dem Konsumenten im Norden angeregt werden, sich für Produkte zu entscheiden, deren Produktion weniger negative Folgen haben, als die Massenprodukte. Der etwas höhere Preis kommt entweder den Produzenten oder unterstützenden Projekten zu gute. Ein Siegel soll das sichtbar und für Werbezwecke verwertbar machen. Die von der Migros gespendeten Rosen der Aktion vom 1. März sind von Max Havelaar und garantieren internationale Arbeitsstandards. Mehreinnahmen gehen in Ausbildungsprojekte und die medizinische Versorgung der Pflückerinnen. Max Havelaar wurde 1992 von den Hilfswerken Brot für alle, Caritas, Fastenopfer, HEKS, Helvetas und Swissaid gegründet. Seit 2001 zertifiziert es auch Blumen. Nach anfänglich starkem Wachstum stagniert der Marktanteil seit 2005 bei unter 10 Prozent. In dem Jahr begann die Rosenaktion.

Export und Import zur Freude des Nordens

Geld-Früchte werden an Börsen wie Aktien gehandelt und die produzierenden Länder im Süden begeben sich in die Hände des Weltmarktes. Statt ihre Einwohner mit Lebensmitteln zu versorgen, werden Bedürfnisse im Norden bedient, der umgekehrt seine hochsubventionierten Agrarprodukte zu Schleuderpreisen den Armen anbietet.

Bereits 2004 stellte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Menschenrecht auf Nahrung, Jean Ziegler, fest:

«Während einige entwickelte Länder … damit fortfahren, ihre Landwirtschaft im Namen der nationalen Sicherheit, Ernährungssicherheit und Mulitfunktionaliät schützen, werden die ärmsten Entwicklungsländer mit dem schweren Nachteil zurückgelassen, die sich die Subventionierung ihrer Landwirtschaft nicht leisten können, jedoch Zölle reduzieren und Märkte für unfairen Wettbewerb durch subventionierte Produkte der entwickelten Länder öffnen müssen. Es ist ein Muster erkennbar, in dem entwickelte Länder die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mais, Weizen, Milch und Fleisch dominieren, während Entwicklungsländer tropische «Geld-Früchte» wie Kaffee, Baumwolle oder Blumen produzieren, um ihre Nahrung zu kaufen.»

Für den UNO-Experten Ziegler sind immer mehr Entwicklungsländer so nicht mehr in der Lage, ihre eigene Nahrung zu produzieren. Die Abhängigkeit von Exporterlösen führt zur Anfälligkeit für Nahrungsunsicherheit und vermindert die Möglichkeit, das Recht auf Nahrung zu erfüllen. Aus diesem Grund forderte das Weltsozialforum 2007 in Nairobi:

«Wir lehnen das neue ausländische System ab, das dazu aufruft,  Afrikas Land und Wasser zu privatisieren, um Export-Früchte […] statt Nahrung für seine Menschen zu produzieren.»

«Fair Trade» ist auf einem Auge blind

Diese Forderungen erfüllen «Fair Trade»-Produkte nur selten, da nicht die Bauern aus dem Süden, sondern die Konsumenten des Nordens entscheiden, was «fair» ist und was politische Forderung bleibt. Max Havelaar’s eigene Standards nehmen zwar Bezug auf Umweltverträglichkeit, jedoch meistens mit der falschen Bezugsgröβe. So wird sich auf eine externe Studie bezogen, um zu argumentieren, dass es nachhaltiger sei, Blumen aus warmen, sonnenreichen Regionen einzufliegen, statt diese in unseren Breitengraden in Gewächshäusern zu züchten. Das erste Gebot des nachhaltigen Konsums ist jedoch maβvoller Verzicht und saisonaler Verbrauch von lokalen Produkten.

Bessere Standards gibt es schon

Besondere Standards für Blumen gehen deshalb auch weiter, und zertifizieren nur Blumen, die neben Arbeits- und Sozialstandards auch die Auswirkungen auf Nahrungssicherheit und Wassermanagement berücksichtigen. Das Weltweite Netwerk zur Nahrungssicherung (FIAN) hat einen solchen Standard entwickelt, der die Bedenken des Südens aufgreift und die Nahrungssicherheit der Arbeitssicherheit gleich stellt. Dieser «Internationale Verhaltenskodex für die sozial- und umweltverträgliche Produktion von Schnittblumen» wird von Flower Label Program und der International Flower Campaign umgesetzt, der immer mehr nationale Blumenhändler angehören.

Mit Produkten kommt das Wasser zu uns, das im Süden fehlt

Wer sich für Nahrungssicherheit und die ausreichende Sicherung der Lebensgrundlagen einsetzt, sollte heute vor allem die Bedeutung des Wassers berücksichtigen. Mit jedem importieren Produkt aus dem Süden flieβt «virtuelles Wasser» in den Norden. Die Baumwollproduktion einer Jeans konsumiert in Pakistan oder Indien 11.000 Liter, die eines T-Shirts 7.000 Liter. Für den Kaffee einer «Schale» braute der kolumbianische Bauer 240 Liter. Und in einer Rose stecken – je nach Wurzel- oder Oberflächenbewässerung – 2,7 bis 8,1 Liter Wasser, zu denen noch 1,3 Liter durch Düngung und Schädlingsbekämpfung unbrauchbar gemachtes Grundwasser kommen. So gesehen, verkaufen die Hilfswerke mit ihrer Rosenaktion zwischen 600.000 und 1,41 Millionen Liter Wasser. Oder 1 Liter Wasser aus Ecuador in Form einer Rose zu maximal 1,88 Franken. Wasser, das wir nicht kaufen sollten, da es den zwei Dritteln der Landbevölkerung ohne ausreichende Wasserversorgung fehlt.

Stellungnahme der Hilfswerke

Auf Anfrage erhielt humanrights.ch folgende Stellungnahme der kritisierten Hilfswerke: