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Nationalratsdebatte zur Nahrungsmittelkrise (NR 2/08)

17.06.2008

Aus aktuellem Anlass hat der Nationalrat in der Sommersession 2008 eine Debatte zur weltweiten Nahrungsmittelkrise geführt. Dabei kamen das Recht auf Nahrung und die Nahrungssicherheit zur Sprache. Grundsätzlich drehte sich die Debatte insbesondere um den durch die WTO angestrebten Freihandel im Agrarbereich.

Anlass für die Debatte bildeten drei dringliche Interpellationen der Grünen, der SP und der SVP. Die Grünen hatten den Bundesrat unter anderem aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Landwirtschaft der WTO entzogen wird. Die SP hatte gefragt, ob sich die Nahrungsmittelkrise auf die Position der Schweiz im Rahmen der Doha-Runde auswirkt. Die Doha-Runde der WTO strebt einen Abbau von Handelsschranken im Bereich der Landwirtschaft an. Demgegenüber verlangte der Vorstoss der SVP Massnahmen, welche die Schweiz von den steigenden Rohstoffpreisen entlasten.

SP: Bundesrat zu zögerlich 

Während der Debatte konzentrierten sich die Redner/innen vorerst darauf, ihre Sicht der Ursachen der Nahrungsmittelkrise darzulegen. Dabei beurteilten FDP, CVP und der Bundesrat insbesondere das weltweite Bevölkerungswachstum und die damit verbundene Nachfragesteigerung als zentral. Demgegenüber sehen Grüne und Sozialdemokraten die Hauptschuld bei Spekulanten, die vermehrt in Rohstoffe investieren. In dieser Sache übt der Bundesrat derzeit Zurückhaltung. Gemäss seiner Antwort auf die Interpellationen der Grünen und der SP sieht er keinen Anlass konkret gegen spekulative Termingeschäfte an den Rohstoffbörsen vorzugehen. Diese Antwort kritisierte etwa Hildegard Fässler (SP, SG) heftig: Der Bundesrat entpuppe sich als Zauderer, sagte sie. Im Tempo, welches er einschlage, werde die Welt auch in zwanzig Jahren keinen Schritt vorwärts gekommen sein, sagte Fässler weiter.

Stimmen Pro und Kontra Agrarfreihandel  

Aus Sicht der Grünen und der SVP hat die aktuelle Krise gezeigt, dass der Agrarfreihandel nicht funktioniert. Der UNO-Agrarbericht bestätige, was die Grünen seit Jahren postulierten: eine naturnahe, ressourcensparende Landwirtschaft, die möglichst vielen Bauernfamilien die Existenz garantiere und primär für die lokalen und regionalen Märkte produziere, sagte Josef Lang (Grüne, ZG). Die Nahrungsmittelproduktion unterscheide sich eben von der übrigen Produktion in der Landwirtschaft, weil es ohne Nahrung kein Überleben der Menschen gäbe, fügte der Argumentation von Lang der SVP-Nationalrat Hansjörg Walter (SVP, TG) an. Deshalb müssten für diesen Wirtschaftszweig andere Prioritäten gesetzt werden, und auch in der WTO müsse diesem Umstand wieder vermehrt Rechnung getragen werden. 

Verantwortung der WTO und UNO betont 

Demgegenüber zeigten sich Bundesrat, FDP, Grünliberale (und etwas vorsichtiger auch die SP) überzeugt, dass der Abbau von Zöllen und Subventionen der richtige Weg im Agrarbereich sei. Für Bundesrätin Doris Leuthard sind im Agrarbereich neben dem Freihandel aber auch eine möglichst hohe Selbstversorgung sowie eine nachhaltige Produktion anzustreben. Der Bundesrat vertrete die Meinung, dass soziale sowie ökologische Aspekte und eine global vernetzte Wirtschaft sich nicht ausschliessen müssten, wie er in seiner Antwort auf die Interpellation der Grünen schreibt. Die internationalen Organisationen müssten dafür sorgen, dass allen Aspekten genügend Rechnung getragen werde. 

Inwiefern sich die sozialen und ökologischen Ziele des Bundesrates mit weiteren Liberalisierungen vertragen, wird sich zeigen. Zwar fordern in der aktuellen WTO-Runde die weniger entwickelten Länder einen Abbau der Subventionen und Zölle, weil sie sich dadurch mehr Exporte erhoffen. Demgegenüber äussern jedoch Entwicklungsorganisationen wie die Erklärung von Bern seit längerem Zweifel, dass dieses Modell Kleinbauern/-bäuerinnen zu Gute kommt.

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