08.12.2016
Auf dieser Seite werden einige Menschenrechtsprobleme von älteren Menschen kurz skizziert: Verschiedene Formen von Altersdiskriminierung, fehlende soziale Sicherheit, eingeschränkter Zugang zur Justiz sowie Probleme im Zusammenhang mit dem Leben in Pflegeheimen wie Zwangseinweisungen, Umgang mit dementen Patienten/-innen, Gewalt und Missbrauch.
Formen von Altersdiskriminierung
Diskriminierung verstärkt viele Menschenrechtsverletzungen, von denen ältere Menschen betroffen sind. Stereotypien und negative Einstellungen können sich durch Ausgrenzung, Marginalisierung, Isolation und Missbrauch in verschiedenen Formen manifestieren. Negative Altersbilder verstärken strukturelle und gesetzliche Barrieren für die Rechte von alten Menschen. Zu den häufigsten Formen von Diskriminierung zählen etwa obere Altersschranken bei Jobausschreibungen. Diese beschneiden das Recht auf Arbeit von älteren Personen auf ungerechtfertigte Weise, weil sie eine Person ungeachtet ihrer Fähigkeiten vom Arbeitsmarkt ausschliessen.
Ein Feld für Altersdiskriminierung ist etwa auch der Zugang zu Information und damit verbunden die ungerechtfertigte Einschränkung von anderen Menschenrechten wie dem Recht auf Gesundheit. Weil Aidskampagnen in Südafrika lange auf Junge abzielten, fiel es älteren Menschen schwer, sich selber oder Kinder, die in ihrer Obhut waren, vor Ansteckungen zu schützen. In Tansania war es älteren Menschen teilweise nicht einmal möglich, sich auf Aids testen zu lassen. Ein weiteres Beispiel im Zusammenhang mit einer starken Einschränkung des Rechts auf Gesundheit von älteren Personen ist zudem gegeben, wenn Versicherungen sich weigern, alte Menschen gegen die Kosten im Falle von Krankheit oder Unfall zu versichern oder wenn sie ab einem gewissen Alter teurere Prämien verlangen.
Im Alter verschwinden die Effekte von anderweitigen Diskriminierungen, welche Menschen aufgrund von bestimmten Eigenschaften (z.B. Zivilstand, Geschlecht, Rasse oder Behinderung) ihr Leben lang erfuhren, nicht einfach, sondern sie verstärken sich noch. Ältere Frauen etwa haben aufgrund von schlechter Ausbildung, Arbeitsausfällen wegen Schwangerschaft oder Pflege von Angehörigen oder Lohndiskriminierung oft weniger verdient als Männer. Da sie zudem häufig im informellen Sektor tätig waren, haben sie vielerorts keinen Zugang zu Pensionen oder Krankenversicherung. Dazu kommt, dass verheiratete Frauen ihre Ehemänner häufig um viele Jahre überleben. Aus diesen Gründen laufen Frauen besonders Gefahr, im Alter zu den Ärmsten zu gehören.
Recht auf soziale Sicherheit und Zugang zu Ressourcen
Zwar muss gemäss dem Sozialpakt ein Staat, sofern die Ressourcen dafür vorhanden sind, angemessene Massnahmen ergreifen, damit älteren Menschen finanzielle Unterstützung zukommt, etwa beitragsfreie Pensionssysteme. Dennoch überlassen die staatlichen Systeme die soziale Sicherheit der Alten häufig den Nachkommen. Eine solche Regelung schlägt fehl, etwa wenn alte Menschen keine lebenden eigenen Kinder haben oder wenn die Kinder ausgewandert sind. Und wenn die Nachkommen selber sehr arm sind, ist es ihnen nicht möglich, finanziell für die Eltern aufzukommen. Gemäss einer Erhebung des UNO-Hochkommissariats aus dem Jahre 2012 haben 80% der Weltbevölkerung keinen Zugang zu sozialer Sicherheit.
Der Zugang zu Ressourcen ist für viele ältere Menschen beschränkt. Kredite, Versicherungen, Land, Zuschüsse für akademische Projekte etc. erhalten sie entweder gar nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen. Bei Umwelt- oder andern Katastrophen ist es für alte Menschen mitunter eine grosse Herausforderung, den Zugang zu Ressourcen zu erhalten, denn häufig fehlt den Hilfeleistenden die Altenperspektive. 60% der Opfer des Hurrikan Katrina im Jahre 2005 waren alte Menschen. Alten Leuten fällt es schwerer, in langen Warteschlangen auf Hilfsmittel zu warten oder für ihre Notration Arbeit zu leisten. Dazu kommt, dass alte Menschen häufig nicht registriert werden, weil sie aus verschiedenen Gründen nicht im Stande sind, sich bei der zuständigen Stelle zu melden.
Zugang zur Justiz
Die schnelle Entwicklung von Technologien im Bereich der Informationsvermittlung hat dazu geführt, dass viele ältere Menschen nicht auf dieselben Informationsquellen zurückgreifen können wie jüngere. Es ist unabdingbar, dass die Informationsbeschaffung über die eigenen Rechte und über Klagemöglichkeiten auf verschiedene Arten möglich bleibt. Zum Beispiel sind Drucksachen oder Informationsangebote per Telefon wichtige Dienstleistungen für ältere Personen. Dasselbe gilt selbstverständlich für die Eingabe von Beschwerden und Klagen.
Den Zugang zur Justiz können im Alter neben fehlendem technischen Wissen auch andere Faktoren erschweren. Die Verfahrensregeln, die sprachlichen Hürden und die voraussichtliche Dauer eines Prozesses können den Entscheid einer älteren Person beeinflussen, bei entstandenem Unrecht den Rechtsweg einzuschlagen.
Leben in Pflegeheimen
Für alte Menschen ist es häufig eine grosse Herausforderung, ihre Rechte auf selbständiges Entscheiden, auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, auf ein eigenes Familienleben oder auf das Knüpfen neuer privater Kontakte wahrzunehmen. Dies gilt insbesondere für Menschen in Pflege- oder betreuten Einrichtungen. Solche Einrichtungen kennen teilweise restriktive Besuchs- und Ausgehzeiten, schränken manchmal gar die Anzahl erlaubter Besuche ein oder bestimmen, wer die Betreuten überhaupt besuchen darf. Eine ungerechtfertigte Einschränkung des Rechts auf Familienleben ist es etwa, wenn es Paaren nicht erlaubt ist, in einem gemeinsamen Zimmer zu leben oder Alleinstehenden eine sexuelle Beziehung zu andern Betreuten verweigert bzw. verunmöglicht wird, weil dafür zu wenig Privatsphäre gewährt wird.
Zwangseinweisungen
Die Unterbringung einer älteren Person in einer betreuten Institution gegen ihren Willen ist verboten, wie UNO-Pakt II festhält. Dennoch sind Zwangseinweisungen relativ häufig und Rekurse dagegen selten. Deshalb sind NGOs der Meinung, dass die Vertragsstaaten ihre Verantwortung gegenüber älteren Personen nicht genügend wahrnehmen, wenn sie kein Monitoring und keine klare Regelung der Frage von Zwangseinweisungen von alten Menschen vornehmen.
Von Demenz betroffene Personen
Altersdemente Personen sind besonders stark von unfreiwilligen Unterbringungen in Alters- und Pflegeheimen betroffen. Eine Studie des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) hat die anwendbaren menschenrechtlichen Vorgaben im Umgang mit Demenzpatienten in Gewahrsamssituationen eruiert.
In jüngster Zeit wird für den Umgang mit Personen, die an Demenz erkrankt sind, ein an den Grundrechten orientierter Ansatz («rights-based approach») gefordert. Die Grund- und Menschenrechte sollen auch für Personen mit Demenz gelten und einklagbar sein. Menschen, die an Demenz leiden, müssen beispielsweise vor Missbräuchen geschützt werden, in der Gesellschaft integriert bleiben und sie haben Anspruch auf Beachtung ihres Willens. Diese Rechtsansprüche werden aus internationalen Verträgen und nationalen Bestrebungen abgeleitet. Von besonderer Bedeutung ist das UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen; wegweisend für die Konkretisierung ist die Charta der Rechte für Menschen mit Demenz der irischen Alzheimervereinigung.
- Menschenrechtliche Standards bei unfreiwilliger Unterbringung in Alters- und Pflegeheimen
Kurzgutachten des SKMR - «Rights-based» approach für ein besseres Leben mit Demenz
Unser Recht, 10. November 2016 - A right based approach to dementia
Alzheimer Europe, 13. September 2016 (englisch) - A Charter of Rights for People with Dementia
The Alzheimer Society of Ireland (englisch)
Arbeitsbedingungen in Pflegeheimen
Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat im September 2016 ein Positionspapier und eine Studie veröffentlicht, die zeigen, dass sich prekäre Arbeitsbedingungen in Pflegeheimen negativ auf die Rechte von älteren Menschen auswirken. Durch eine Stärkung der Rechte der zu Pflegenden und der Pflegekräfte komme es seltener zu Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen. Die Studie enthält zudem Empfehlungen an die Politik und Akteure in der Pflege für die menschenrechtskonforme Gestaltung der Pflege von älteren Menschen.
- Pflegeheime: Menschenrechte wirken präventiv
Medienmitteilung des Deutsches Institut für Menschenrechte, 28. September 2016
Gewalt und Missbrauch
Alte Menschen, die betreut oder pflegebedürftig sind, gehen aufgrund der Abhängigkeit ein erhöhtes Risiko ein, unter einem physischen, psychischen, finanziellen oder sexuellen Missbrauch zu leiden. Gleichzeitig ist es für sie oft kaum möglich, etwas dagegen zu tun, weil sie gegen ihre Betreuenden klagen müssten. Zu Missbrauch kommt es sowohl innerhalb von Heimen wie auch im Privatbereich. Ein Beispiel dafür ist die Zwangsmedikation: Alte Menschen werden häufig überredet, Medikamente einzunehmen, oder sind ungenügend informiert über deren Wirkung. Eine US-Studie brachte vor einigen Jahren ans Licht, dass 21 % von alten Heimbewohnern/-innen ohne entsprechende Diagnose Antidepressiva verabreicht erhielten. Es ist davon auszugehen, dass entsprechende Medikamente zum Einsatz kommen, um den Arbeitsaufwand der Betreuung in Heimen aber auch privat geringer zu halten.
Auch im privaten Rahmen
Auch bei privater Unterbringung in der eigenen Familie besteht keine Gewähr, dass die älteren Personen ihre Rechte wie Zugang zu Justiz, zu Informationen oder eine aktive Partizipation am politischen Leben wahrnehmen können. Missbrauch und Gewalt sind in diesem Umfeld noch weniger sichtbar als in betreuten Situationen, unter anderem auch, weil Betroffenen das Melden von entsprechenden Vorfällen aufgrund der Abhängigkeit noch schwerer fallen dürfte. Eine Abhilfe können etwa niederschwellige Beratungsangebote für Betreuende und Betreute schaffen oder auch arbeitsrechtliche Bestimmungen, welche die private Betreuungsarbeit erleichtern.
Dokumentation
- International human rights law an older people: Gaps, fragments and loopholes
Bericht von Help Age International von August 2012 (englisch, pdf, 14 S.)