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Die Sprachenfreiheit - Version in Gebärdensprache

Die Menschenrechtsverträge verlangen, dass kein Mensch wegen seiner Sprache diskriminiert werden darf. Das heisst: keine Person darf wegen der Sprache, mit der sie kommuniziert, schlechter behandelt werden oder von den ihr zustehenden Rechte ausgeschlossen werden. Die Schweizerische Bundesverfassung garantiert explizit die Sprachenfreiheit.

Die Gebärdensprache fällt ebenfalls unter die Sprachenfreiheit. Ausdrücklich erwähnt dies zum Beispiel die Verfassung des Kantons Zürich. In Artikel 12 wird gesagt, dass die Sprachenfreiheit auch die Gebärdensprache umfasst.

Die Sprachenfreiheit bildet die Voraussetzung für viele Grundrechte: Für die Meinungsäusserungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Kunstfreiheit und so fort. Diese Freiheiten ermöglichen es zum Beispiel, eigene  Anliegen im demokratischen Prozess einzubringen und für sie zu kämpfen. Die Sprachenfreiheit ist aber auch Voraussetzung für die Teilnahme am kulturellen Leben, für den Genuss von Bildung und weitgehend auch für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

In der UNO-Konvention zum Schutz von Menschen mit Behinderungen werden diese Bereiche sehr explizit ausformuliert. Die Konvention wurde von der Schweiz jedoch noch nicht ratifiziert.

Die Sprachenfreiheit, das heisst, die Anerkennung der Gebärdensprachen als eigenständige, gleichberechtigte Sprachen, ist für Gehörlose für die Ausübung der Menschenrechte besonders zentral. Im Alltag werden die Grund- und Menschenrechte der Gehörlosen immer noch verletzt:

a) Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben

Gehörlosigkeit ist eine Kommunikationsbehinderung. Informationsdefizite und Isolation gehören bei den Betroffenen zu den schwerwiegendsten Auswirkungen. Ihr Recht auf die Teilnahme an kulturellen oder anderen gesellschaftlichen Anlässen kann bedingt wahrgenommen werden, da in den allerwenigsten Fällen die Möglichkeit einer Verdolmetschung in Gebärdensprache besteht. Selbst im staatlichen Fernsehen gibt es in der Schweiz bis heute nur sehr vereinzelt Sendungen, die in Gebärdensprache gedolmetscht werden. Der weitaus größte Teil des kulturellen Lebens (Theater, Kino, Konzerte, Veranstaltungen usw.) bleibt unzugänglich.

b) Recht auf Bildung

In der Schweiz werden heute immer noch die meisten gehörlosen Kinder in der Lautsprache unterrichtet und es wird ihnen oft verboten, Gebärdensprache zu benutzen. Dadurch wird ihnen ein adäquater Zugang zu Bildung verwehrt, da die Lautsprache für die meisten Gehörlosen immer eine Fremdsprache bleibt. Gehörlosen bleiben bis heute höhere Bildungsgänge oder gar akademische Berufe in aller Regel verschlossen, da ihre Lesefähigkeit nach Abschluss ihrer Schulbildung unzureichend ist. Eine Lösung dieses Problems würde die bisher immer noch nur in Ausnahmefällen praktizierte bilinguale Erziehung gehörloser Kinder bieten.

c) Recht auf Arbeit

Durch die schlechten Bildungschancen, die Gehörlose haben, weil sie nicht in Gebärdensprache unterrichtet werden, haben sie später sehr viel geringere Chancen, eine Arbeit zu finden. Die Arbeitslosigkeit unter Gehörlosen ist deshalb weit höher, als bei Hörenden. Gehörlose arbeiten häufig nicht in den von ihnen erlernten Berufen, sondern üben einfache Tätigkeiten in Industrie und Handwerk aus. Ihre Aufstiegschancen sind im Allgemeinen gering. Sie haben in der Regel kaum Aussichten, den einmal eingenommenen, meist kommunikationsarmen und durch Routine geprägten Arbeitsplatz zu wechseln.

d) Recht auf ein selbstbestimmtes Leben

Aus dem obengenannten Mangel an adäquater Schulbildung ergibt sich häufig die Situation, dass für Gehörlose ein Vormund eingesetzt wird, der sie bei der schriftlichen Erledigung behördlicher Arbeiten unterstützen soll – auch entgegen dem Einverständnis der gehörlosen Person. Damit wird das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben verletzt.

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) hält fest, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen, die es Menschen mit Behinderungen erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sich aus- und fortzubilden und eine Erwerbstätigkeit auszuüben. (Art. 1.2) Für Gehörlose umfasst dies die Anerkennung und Förderung der Gebärdensprachen als Kommunikationsmittel in der Ausbildung, bei der Arbeit und bei gesellschaftlichen Anlässen.