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EGMR verurteilt Diskriminierung von Vätern nichtehelicher Kinder

Zaunegger gegen Deutschland

Urteil vom 3. Dezember 2009 (Beschwerde 22028/04)

Verletzung von Art. 14 (Diskriminierungsverbot) im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens)

Der Beschwerdeführer beklagte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass das deutsche Familienrecht unverheiratete Väter wegen ihres Geschlechts und im Verhältnis zu geschiedenen Vätern diskriminiere. Horst Zaunegger war 1995 Vater einer unehelich geborenen Tochter geworden. Bis sich die Eltern 1998 trennten, lebte das Kind zusammen mit seinen Eltern. Danach lebte das Kind bis Januar 2001 beim Vater. Nach dem Umzug des Kindes in die Wohnung der Mutter trafen die Eltern unter Vermittlung des Jugendamtes eine Umgangsvereinbarung, die regelmässigen Kontakt des Vaters mit dem Kind vorsah. Gemäss deutscher Rechtslage (§ 1626a Absatz 2 BGB) steht das alleinige Sorgerecht für das nichtehelich geborene Kind der Mutter zu. Das gemeinsames Sorgerecht ist damit abhängig von ihrer Zustimmung. Diese Zustimmung verweigerte die Mutter, worauf der Beschwerdeführer die gerichtliche Zuweisung des gemeinsamen Sorgerechts beantragte. Dieser Antrag wurde von allen Instanzen abgelehnt mit der Begründung, dass dies vom deutschen Recht nicht vorgesehen sei: die gemeinsame Sorge könne allein durch gemeinsame Erklärung, durch Heirat oder durch gerichtiche Übertragung mit Zustimmung der Mutter erteilt werden. Im Dezember 2003 wies auch das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers ab.

Ausschluss einer gerichtlichen Einzelfallprüfung der Sorgerechtsregelung diskriminiert Vater eines unehelichen Kindes

Zusammenfassung des Entscheides des EGMR gemäss Pressemitteilung des Kanzlers des EGMR:

«Der Gerichtshof stellte fest, dass der Beschwerdeführer mit der Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ohne weitere Prüfung, ob dadurch die Interessen des Kindes gefährdet würden, anders behandelt worden war als die Mutter und als verheiratete Väter. Um zu prüfen, ob es sich dabei um eine Diskriminierung im Sinne von Artikel 14 handelte, erwog der Gerichtshof zunächst, dass § 1626 a BGB, auf dessen Grundlage die deutschen Gerichte entschieden hatten, auf den Schutz des Kindeswohls abzielt. Die Regelung soll gewährleisten, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die klar als gesetzlicher Vertreter handeln kann, und Konflikte zwischen den Eltern über Sorgerechtsfragen zum Nachteil des Kindes vermeiden. Die Gerichtsentscheidungen hatten demnach einen legitimen Zweck verfolgt.
Weiterhin nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass es stichhaltige Gründe geben kann, dem Vater eines unehelichen Kindes die Teilhabe an der elterlichen Sorge abzusprechen, etwa wenn ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern droht, dem Kindeswohl zu schaden. Diese Erwägungen liessen sich auf den vorliegenden Fall aber nicht anwenden, da der Beschwerdeführer sich weiterhin regelmässig um sein Kind kümmert.
Der Gerichtshof teilte die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter grundsätzlich dem Kindeswohl zuwiderlaufe. Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge könnten auf ein Kind zwar verstörend wirken, allerdings sieht das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der Sorgerechtsregelung in Trennungsfällen vor, in denen die Eltern verheiratet sind, oder waren, oder eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Der Gerichtshof sah keine hinreichenden Gründe, warum die Situation im vorliegenden Fall weniger gerichtliche Prüfungsmöglichkeiten zulassen sollte. 
Folglich war der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter im Hinblick auf den verfolgten Zweck, nämlich den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismässig. Der Gerichtshof kam daher mit sechs Stimmen zu einer Stimme zu dem Schluss, dass eine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 vorlag.»