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Brian: Ein Urteil mit Signalwirkung

29.06.2021

Das Zürcher Obergericht hat Brian am 16. Juni 2021 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Auf die von der Staatsanwaltschaft geforderte ordentlichen Verwahrung verzichtet das Gericht. Auch von einer stationären Massnahme sieht der zuständige Richter ab.

humanrights.ch hat die Geschichte von Brian aufgearbeitet und in Form der Brian-Chronik zugänglich gemacht. Das jüngste Urteil ist ein weiterer Schritt in der langen Geschichte, bedeutet für Brian aber ein Licht am Ende des Tunnels: er wird nicht auf unbefristete Zeit weggesperrt, wie dies der Staatsanwalt gefordert hatte.

Gemäss Oberrichter Christian Prinz muss eine Verwahrung immer die Ultima Ratio sein. Sie komme nur dann infrage, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft seien. Rückfallprognosen seien zudem immer mit einer gewissen Fehlerquote behaftet. Im Unterschied zur Vorinstanz verzichtete der Oberrichter auch auf eine stationäre therapeutische Massnahme nach Artikel 59 Strafgesetzbuch. Die sogenannte «kleine Verwahrung» kann jeweils für fünf Jahre angeordnet und unbegrenzt verlängert werden.

Nach David Mühlemann, Leiter der Fachstelle Freiheitsentzug, hat das Urteil eine symbolische Bedeutung, die nicht unterschätzt werden darf. Im Kern könne es als Absage an die zunehmende «Null-Risiko-Politik» gedeutet werden. Der gesetzliche Resozialisierungsauftrag wurde in der Vergangenheit immer mehr von einer Gefahrenabwehr mittels Prävention abgelöst. Ein deutlicher Beleg für diese Entwicklung ist, dass sich die Anzahl der Personen im Verwahrungs- oder Maßnahmenvollzug in den letzten 15 Jahren rund verdreifacht hat. Auch Menschen, die keine schweren Straftaten begangen haben, werden auf der Grundlage von unsicheren Gefährlichkeitsprognosen teilweise jahre- oder jahrzehntelang weggesperrt. Dass das Gericht bei Brian einen anderen Weg einschlägt, ist vor dem Hintergrund des Verhältnismässigkeitsprinzips als positiv zu werten. Indem das Gericht von einer stationären Massnahme absieht, macht es überdies deutlich, dass eine Therapie ohne minimales Einverständnis des Betroffenen aussichtslos ist und nicht angeordnet werden darf.

Brian muss während seiner verbleibenden Zeit im Strafvollzug auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden – unter menschenwürdigen Haftbedingungen und Beendigung seiner Isolationshaft. Alle involvierten Behörden sind aufgefordert, sich ernsthaft darum zu bemühen.

Damit wir die Geschichte von Brian und anderen Menschen in Freiheitsentzug dokumentieren und uns auch weiterhin für einen menschenwürdigen Freiheitsentzug einsetzen können, sind wir auf Ihre Spende angewiesen!

kontakt

Livia Schmid
Leiterin Beratungsstelle Freiheitsentzug

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