28.04.2024
Im Jahr 2023 haben sich so viele Menschen wie nie zuvor an das Beratungsnetz für Rassismusopfer gewandt. Insgesamt 856 Fälle rassistischer Diskriminierung haben die Beratungsstellen bearbeitet, 168 Fälle mehr als im Vorjahr. Die Arbeit der im Beratungsnetz für Rassismusopfer zusammengeschlossenen Beratungsstellen wird immer wichtiger. Im Vergleich zum Vorjahr kam es zu knapp doppelt so vielen Interventionen.
humanrights.ch und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR veröffentlichen heute am 28. April 2024 den Auswertungsbericht zu rassistischen Vorfällen, die im letzten Jahr vom Beratungsnetz für Rassismusopfer dokumentiert wurden. In folgendem Video werden die wichtigsten Ergebnisse des Berichts vorgestellt.
Der Auswertungsbericht zeigt, dass Rassismuserfahrungen in der Schweiz weitverbreitet sind. Sie manifestieren sich in zwischenmenschlichen Interaktionen durch individuelle Handlungen wie Grenzüberschreitungen, verbalen und physischen Übergriffen und Herabwürdigungen. Sie treten aber auch in den Strukturen und Institutionen unserer Gesellschaft durch Normen und Praktiken auf, die Menschen auf verschiedenste Weise ausschliessen oder benachteiligen. Rassismus betrifft nicht nur direkt betroffene Menschen, sondern die Gesamtgesellschaft. Meldungen von Zeug*innen sowie Fachpersonen nehmen deshalb von Jahr zu Jahr zu.
So wandten sich beispielsweise zahlreiche, meist nicht direkt betroffene Menschen an das Beratungsnetz, um gegen die Verbreitung von Vorurteilen und diskriminierenden Inhalten im Rahmen der Wahlkampagnen vorzugehen. Diese solidarische Mobilisierung ist für die Bewältigung und Bekämpfung von Rassismus von zentraler Bedeutung und bekräftigt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie bringt die Erwartung zum Ausdruck, dass politische Parteien dezidiert Narrative und Handlungen ablehnen müssen, die ganze Bevölkerungsgruppen problematisieren, unter Generalverdacht stellen und benachteiligen.
Im Jahr 2023 haben auch gesellschaftliche Entwicklungen viele Menschen sowohl emotional als auch politisch beschäftigt. Seit den Ereignissen im Nahen Osten verstärkten sich rassistische und antisemitische Dynamiken in der Schweizer Bevölkerung. Antisemitische Vorfälle, wie beispielsweise öffentliche Hassreden, haben seit Beginn dieses Krieges markant zugenommen. Beratungsfälle aufgrund von antimuslimischem Rassismus, Rassismus gegen Menschen aus dem arabischen Raum sowie Ausländer*innen- und Fremdenfeindlichkeit stiegen ebenfalls an.
Die Zahlen des Berichts machen klar, dass ein professionelles Beratungs- und Unterstützungsangebot für direkt und indirekt Betroffene rassistischer Diskriminierung notwendig und ein wichtiger Baustein jeder Antidiskriminierungspolitik ist. Neben der Unterstützung bei der Verarbeitung erlebter Diskriminierung und der Selbstermächtigung der Betroffenen und Zeug*innen bei der Entwicklung von Handlungsstrategien, können Beratungsstellen durch ihre vielfältigen Dienstleistungen Veränderungen für die Situation der Betroffenen bewirken. So gab es im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr knapp doppelt so viele Interventionen, insbesondere in Bildungseinrichtungen, Verwaltungen und bei Arbeitgebenden. Die Beratungsstellen machen diskriminierende Praxen in Institutionen sichtbar und fördern somit ihre Veränderung.
Die Relevanz der Arbeit von Beratungsstellen, die Betroffene und Zeug*innen rassistischer Diskriminierung unterstützen, muss von Politik und Staat anerkannt werden. Für diese Arbeit müssen ausreichend und nachhaltig finanzielle Mittel bereitgestellt werden.
Darüber hinaus bedarf es einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Politik, Zivilgesellschaft, Expert*innen und Betroffenen. Nur so können die strukturellen und institutionellen Dimensionen rassistischer Realitäten angemessen adressiert und entgegengewirkt werden.
kontakt
Nora Riss
Leiterin Beratungsnetz für Rassismusopfer
nora.riss@humanrights.ch
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Arbeitszeiten: Mo-Do