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Menschenrechtsverteidiger*innen: Schutzbestrebungen der UNO

08.03.2016

Auf UNO-Ebene wurden seit 1998 zahlreiche Schutzmechanismen geschaffen, welche die Sicherheit von Menschenrechtsverteidiger/innen verbessern sollten. Die UNO-Generalversammlung machte mit ihrer Deklaration zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen 1998 den Anfang und im Jahr 2000 wurde ein Mandat für eine/n Sonderberichterstatter/in verabschiedet.

UNO-Deklaration zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen

Mit der UNO-Deklaration von 1998 wurden erstmals internationale Standards für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern/-innen geschaffen. Sie appelliert an die Staaten, die Menschenrechtsverteidiger/innen und ihre Aktivitäten zu schützen und konkretisiert die essentiellen Menschenrechte für deren besondere Situation. In der Deklaration ist auch festgehalten, wer als  Menschenrechtsverteidiger/in zu betrachten ist: Nicht nur professionelle Menschenrechtler/innen, sondern auch Angehörige anderer Berufe, wie Journalisten/-innen, Anwälte/-innen sowie Freiwillige und alle, die - auch nur gelegentlich - eine Menschenrechtsaktivität betreiben. Zudem schreibt die Deklaration fest, dass die Staaten verpflichtet sind, Menschenrechtsverteidiger/innen vor staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (wie Unternehmen oder fundamentalistische Gruppen) zu schützen.

Obwohl die Deklaration rechtlich nicht verbindlich ist, darf sie als Meilenstein gewertet werden. Sie fungierte einerseits als Grundlage für das im Jahre 2000 durch den UNO-Menschenrechtsrat geschaffene Mandat der UNO-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtsverteidiger/innen. Anderseits gab sie einen Impuls für die Mandate der Sonderberichterstatter der «African Commission on Human and Peoples' Rights on human rights defenders» (2004) und der «Human Rights Defenders Unit» (2001) der inter-amerikanischen Menschenrechtskommission. Sie beeinflusste ebenfalls die Menschenrechtsverteidiger/innen-Politik der EU und der Schweiz.

Leider haben auch fast 15 Jahre nach ihrer Annahme die wenigsten Länder die UNO-Deklaration in ihre nationale Gesetzgebung integriert. Zwar gibt es einen Trend zu Aktionsplänen und vornehmlich behördeninterner Sensibilisierung in westlichen Staaten. Dieser geht aber einher mit zunehmender Repression gegen MRV in andern Staaten. In den vergangenen Jahren haben Staaten wie Russland, Ungarn oder Ägypten Gesetze erlassen, welche die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger/innen massiv erschweren oder gar kriminalisieren.

UNO-Sonderberichterstatter für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern*innen

Im Jahre 2000 - zwei Jahre nach Verabschiedung der UNO-Deklaration zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern/-innen - beauftragte die damalige UNO-Kommission für Menschenrechte (das Vorgängergremium des heutigen Menschenrechtsrats) den UNO-Generalsekretär, ein Sonderberichterstattermandat für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen zu schaffen (Resolution 2000/61). Die Kommission wollte damit die Umsetzung der Deklaration für Menschenrechtsverteidiger/innen unterstützen. Nicht zuletzt sollte mit dem Mandat dafür gesorgt sein, dass die Kommission regelmässig über die aktuelle Situation von Menschenrechtsverteidigern/-innen in der Welt informiert wird.

Im August 2000 wurde Hina Jilani vom Generalsekretär als dessen Sonderbeauftragte für die Situation von Menschenrechtsverteidiger/innen eingesetzt. Ihr Mandat wurde in der Folge von der Kommission 2003 (Resolution 2003/64) und vom Menschenrechtsrat 2007 (Resolution 5/1) erneuert. 2008 (Resolution 7/8) und 2011 (Resolution 16/5) entschied der Menschenrechtsrat jeweils das Mandat für eine Periode von drei Jahren zu erneuern. Im Jahr 2008 wurde Hina Jilani von Margaret Sekaggya als Sonderbeauftrage abgelöst. Im Jahr 2014 verlängerte der Menschenrechtsrat erneut das Mandat um drei Jahre und im selben Jahr folgte der Franzose Michel Forst auf Margaret Sekaggya. Die entsprechende Resolution erfuhr während der Märzsession im Menschenrechtsrat grosse Unterstützung, mittlerweile wird sie von 79 Staaten mitgesponsert. Russland, Südafrika und einige andere brachten erfolglos mehrere feindlich gesinnte Abänderungsanträge in den Rat. Schliesslich konnte erneut eine starke Resolution per Konsens verabschiedet werden.

  • UN Human Rights Council adopts crucial resolution on human rights defenders
    ISHR, 28. März 2014 (online nicht mehr verfügbar)
  • Defenders urgently need a safe and enabling space
    Bericht in englisch über die Präsentation des Abschlussberichts von Margaret Sekaggya an der 25. Session des UNO-Menschenrechtsrats, 31. März 2014 (englisch)

Mandatsinhalt

Das Mandat für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen ist breit und beinhaltet mehrere Schwerpunkte: Zum einen soll der Mandatsinhaber verschiedenartige Informationen über die Situation von Menschenrechtsverteidiger/innen beschaffen, entgegennehmen, analysieren und beantworten. Zum andern ist es seine Aufgabe, die Kooperation und den Dialog mit Regierungen und andern interessierten Akteuren zur Förderung und Umsetzung der Deklaration aufrecht zu erhalten. Ausserdem soll er Strategien für einen besseren Schutz von Menschenrechtsverteidigern/-innen erarbeiten und Empfehlungen dazu abgeben, bzw. das Follow-up gewährleisten. In seiner gesamten Arbeit muss der Sonderberichterstatter ferner die Geschlechterperspektive integrieren.

Die Resolution des Menschenrechtsrates hält die Regierungen an, mit dem Sonderberichterstatter zusammen zu arbeiten und ihm die angeforderten Informationen weiterzugeben. Die Regierungen sind zudem aufgefordert, die Empfehlungen des Mandatsinhabers umzusetzen und weiterzuverfolgen.

Schutzinstrumente des Sonderberichterstatters

Der Mandatsinhaber präsentiert jährlich einen Bericht zuhanden des Menschenrechtsrates und der Generalversammlung, der auf bestimmte Themen oder Situationen von besonderer Bedeutung für die Förderung des Schutzes von Menschenrechtsverteidigern fokussiert.

Ein wichtiges Schutzinstrument des Sonderberichterstatters sind die regelmässigen Länderbesuche. Sie erlauben ihm, die Lage von Menschenrechtsverteidiger/innen vor Ort detailliert zu untersuchen und spezielle Probleme zu entdecken. Diese Besuche dauern 5 bis 10 Tage. Der Mandatsinhaber trifft in dieser Zeit Regierungsmitglieder, unabhängige Menschenrechtsinstitutionen, UNO-Institutionen, Medien, Menschenrechtsverteidiger/innen und weitere Akteure. 

Nach dem Besuch verfasst der Mandatsinhaber einen Bericht, der die wichtigsten Anliegen und Empfehlungen an die Regierungen festhält. Der Bericht wird alljährlich vom Menschenrechtsrat zur Kenntnis genommen. Zur Veranschaulichung: Margaret Sekaggya war 2010 in Armenien. In ihrem Staatenbericht zu Armenien kritisierte sie Angriffe auf Journalisten/-innen und die Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch ein neues NGO-Recht. Sie hat Armenien u.a. empfohlen, durch Dialog und Zusammenarbeit das Vertrauen von Zivilgesellschaft und Medien zu fördern. Das Observatorium für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen (OBS) berichtete 2012 über Armenien, der Staat sei den Forderungen der Sonderberichterstatterin teilweise entgegen gekommen, doch die Versammlungsfreiheit sei weiterhin eingeschränkt.

Der Sonderberichterstatter setzt sich auch mit Einzelfällen von Menschenrechtsverletzungen gegen Menschenrechtsverteidiger/innen auseinander. Das Instrumentarium zur Druckausübung besteht aus «anklagenden» Briefen («Allegation Letters») und Appellen, die einen dringenden Handlungsbedarf anzeigen («Urgent Action Letters»).

Zu den bisher errichteten Schutzmechanismen der UNO gehören ferner die Berichterstattung durch den UNO-Generalsekretär über bekannt gewordene Fälle von Repressionen sowie die direkte E-Mail ans Büro der Hochkommissarin für Menschenrechte.

UNO-Generalversammlung: Resolution zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern*innen

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen erlässt alle zwei Jahre eine Resolution zur UNO-Deklaration zum Schutz der Menschenrechtsverteidiger/innen. Mit ihr fordert sie die Staaten regelmässig dazu auf, die in der Deklaration gewährten Rechte zu schützen und entsprechende Massnahmen vorzunehmen. Ausserdem ermahnt die Resolution die Vertreter/innen von UNO-Institutionen, über Repressionen zu berichten.

Des Weiteren ist der UNO-Generalsekretär per Resolution aufgefordert, Fälle von Repressionen gegen Personen, die mit der UNO zusammenarbeiten, im jährlichen Bericht zu dokumentieren.

Bemerkenswert ist die mittlerweile eingebürgerte Erinnerung an die Staaten, dass sie ihre Massnahmen zur inneren Sicherheit und Anti-Terrorismus-Politiken in Einklang mit internationalen Standards zu bringen haben. Denn seit dem 11. September 2001 missbrauchen Staaten vermehrt diese Motive als Deckmantel für ihre Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger/innen.

Auch im Dezember 2015 wurde die Resolution von der Generalversammlung mit deutlichem Mehr angenommen, trotz des Widerstands der Schwergewichte China und Russland.