27.01.2020
Im Folgenden finden sich einige Eckpunkte für das Verständnis des im internationalen Recht und in der Bundesverfassung verankerten Menschenrechts der Gedanken-, Gewissens- und Meinungsfreiheit. Die Angaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundgehalt
Die Gedanken- und Gewissensfreiheit beinhaltet das Recht, unabhängig zu denken, nach eigenem Gewissen zu handeln und sich eine eigene Meinung zu bilden. Geschützt werden dabei innere Vorgänge, deshalb ist eine strikte Trennung zur Meinungsäusserungsfreiheit notwendig.
Verboten ist insbesondere:
- Menschen durch Zwang dazu zu bringen, in einer bestimmten Weise zu denken
- Bestrafung aufgrund bestimmter Gedanken
- Umerziehung aus ideologischen Gründen
Rechtsquellen
Die Gedanken- und Gewissensfreiheit wird sowohl von zahlreichen internationalen Menschenrechtsverträgen, als auch auf nationaler Ebene garantiert.
Pflichten des Staates
Individuen oder Gruppen sind die Rechtsträger/innen von Menschenrechten. Demgegenüber fallen den Staaten drei Pflichten zu: Die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht.
Achtungspflichten
Der Staat und seine Organe haben nicht gerechtfertigte Eingriffe in die Gedanken- und Gewissensfreiheit zu unterlassen. So beispielsweise:
- psychoaktive (Gehirnwäsche) und andere Zwangsmethoden, die darauf abzielen, Denkweisen einer Person zu beeinflussen
- Bestrafung von Individuen allein aufgrund ihrer Gedanken
- Freiheitsentzug mit dem Ziel einer ideologischen Umerziehung
- strafrechtliche Verfolgung von Militärdienstverweigerern/-innen aus Gewissensgründen
Schutzpflichten
Der Staat und seine Organe müssen Massnahmen gegen Verletzungen der Gedanken- und Gewissensfreiheit durch nicht-staatliche Dritte (Privatpersonen, Unternehmen etc.) ergreifen. So beispielsweise:
- Schutz vor zwangsweiser religiöser Umerziehung durch Dritte
Gewährleistungspflichten
Der Staat und seine Organe müssen institutionelle und materielle Voraussetzungen schaffen, um die volle Realisierung dieses Rechts zu gewährleisten. Dazu zählt beispielsweise:
- Wirksame Beschwerdemöglichkeiten gegen jede Verletzung des Rechts auf Gedanken- und Gewissensfreiheit
Kerngehalt und Legitime Einschränkungen
Die Gedanken- und Gewissensfreiheit schützt die geistige Autonomie des Menschen und damit den Kernbereich der Privatsphäre, weshalb sie unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf. Da diese Freiheiten das Innenleben des Individuums betreffen, kann eine Einschränkung nicht durch öffentliche Interessen legitimiert werden.
Kontroverse Themen
- Perinçek zu Unrecht wegen Leugnung des Armenier-Völkermords verurteilt
Darf das Leugnen des Völkermords an den Armeniern/-innen, welcher auch in Fachkreisen teilweise kontrovers diskutiert wird, strafrechtlich verfolgt werden?
Ausgewählte Rechtsprechung und Empfehlungen
- Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen
Informationsblatt zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (pdf, 3 S.) - Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen
Yeo-Bum Yoon und Myung-Jin Choi gegen die Koreanische Republik, Beschwerde-Nr. 1321-1322/2004, Entscheid des UNO-Menschenrechtsausschusses, 23. Januar 2007 (Englisch)
Online-Texte zur Vertiefung
- Das Recht auf Gedankenfreiheit ist nicht beschränkt auf Gedanken, die staatlicherseits für gesund gehalten werden
Telepolis, 8. Juni 2001