Urteil Werz vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde Nr. 22015/05)
Verletzung von Art 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren: Verfahrensdauer; rechtliches Gehör)
Urteil
Zusammenfassung des Bundesamtes für Justiz:
«Der Beschwerdeführer wurde 1999 wegen vorsätzlicher Tötung oder Mordes angeklagt und 2001 durch das Kreisgericht Bern-Laupen erstinstanzlich zu einer Gefängnisstrafe von fünfzehneinhalb Jahren verurteilt. 2002 wurde das Urteil vom Obergericht, 2003 vom Bundesgericht bestätigt.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Artikel 6 EMRK geltend. Der EGMR untersucht die Beschwerde unter drei Aspekten: Es stellt sich zum einen die Frage, ob das Recht des Beschwerdeführers verletzt wurde, innerhalb angemessener Frist beurteilt zu werden. Zur Diskussion steht nicht die Gesamtdauer des Verfahrens, sondern der Umstand, dass das Berner Obergericht ihm das schriftliche Urteil erst 15 Monate nach der mündlichen Urteilsverkündung zugestellt hatte, obwohl das anwendbare Prozessgesetz eine Frist von 60 Tagen ansetzt. Als Zweites hat der EGMR sich zur geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs zu äussern. Dem Beschwerdeführer wurden die Schreiben des Staatsanwalts sowie des Obergerichts bezüglich seiner öffentlich-rechtlichen Beschwerde an das Bundes-gericht nicht übermittelt. Drittens geht es um das Recht, Belastungszeugen zu befragen oder befragen zu lassen. Vorliegend hatte eine Zeugin eine Aussage zu Lasten des Beschwerdeführers gemacht. Die Aussage war nur eine unter zahlreichen Beweisen und Indizien, auf Grund derer der Beschwerdeführer verurteilt wurde; die Richtigkeit der Aussage hatte er nie bestritten. Der EGMR weist die Beschwerde zu diesem dritten Teilaspekt als offensichtlich unbegründet zurück, stellt aber bezüglich der beiden anderen Rügen eine Verletzung von Artikel 6 EMRK fest (einstimmig).»
Quelle: Bundesamt für Justiz, Quartalsberichte über die Rechtsprechung des EGMR, 4. Quartal 2009 (pdf, 8 S.)