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Die Schweiz verzichtet auf Rückführungen nach Griechenland

25.08.2011

Die Schweiz führt in der Regel keine Asylsuchende mehr nach Griechenland zurück - dies als Folge eines Entscheids des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von Anfang 2011. Am 16. August 2011 hat nun das Bundesverwaltungsgericht diesen Entscheid des Bundesamts für Migration (BFM) nachvollzogen. Der Entscheid konkretisiert, in welchen seltenen Ausnahmefällen Rückführungen nach Griechenland noch stattfinden dürfen.

Die aktuelle Situation in Griechenland führe zu einer Anpassung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, schrieb das BFM in einer Medienmitteilung am 26. Januar 2011. Deshalb verzichte es bis auf Weiteres mehrheitlich auf Dublin-Verfahren mit Griechenland und prüfe entsprechende Asylgesuche selbst.

Das BFM reagierte damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), welches am 21. Januar 2011 publik worden war. Der EGMR hatte Belgien und Griechenland wegen Verstössen gegen die Menschenrechte (Art. 3 und 13 EMRK) verurteilt, weil sie einem Asylsuchenden den Zugang zu einem fairen Asylverfahren verhindert hatten. Belgien hatte auf der Basis des auch für die Schweiz geltenden Dublin II-Verfahrens, einen Asylsuchenden aus Afghanistan nach Griechenland zurück befördert, obwohl den Behörden in Brüssel bekannt sein musste, dass der Asylsuchende schliesslich in Athen auf der Strasse landen und keine Aussicht auf ein faires Verfahren haben würde.

Chance für das europäische Asylwesen?

Nun zieht die Schweiz die Konsequenzen, verzichtet offenbar auf Rückführungen nach Griechenland und wendet das Selbsteintrittsrecht für alle Flüchtlinge an, welche über Griechenland in die Schweiz gelangt sind. Im Vorgriff auf das Strassburger Urteil hatten bereits Belgien, Grossbritannien, Schweden, die Niederlande, Island, Norwegen und zuletzt Deutschland die Überstellungen von Asylsuchenden nach Griechenland gestoppt. Nun folgen erfreulicherweise weitere Staaten. Menschenrechtsorganisationen kämpfen seit Jahren für eine Einstellung der Rückführungen nach Griechenland. Sie haben den Entscheid des Gerichtshofes deshalb sehr begrüsst. Der Entscheid des EGMR bietet die Chance innerhalb des Dublin II-Verfahren eine Regelung zu finden, welche es den Staaten erlaubt, angemessen auf Missstände in teilnehmenden Drittstaaten zu reagieren. Zugleich ergibt sich mit dem Urteil eine Gelegenheit, das ganze System, welches mit Dublin II geschaffen wurde, fairer auszugestalten und von der ungerechten Lastenverteilung im Asylwesen Europas, welche die Staaten an den Aussengrenzen der EU dermassen unter Druck setzt, weg zu kommen.

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